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Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.

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Johannis Angeli
96. Die Fiaur ist Vergänglich.
Mensch die Figur der Welt vergehet mit der Zeit:
Wastrotzstu dann so viel auf jhre Herrlichkeit?
97. Auf beiden sein ist gut.
Den Himmel wüntsch' ich mir/ Lieb' aber auch die Erden;
Denn auf derselbigen kan ich GOtt näher werden.
98. Von den Lilgen.
So offt ich Lilgen seh/ so offt empfind' ich Pein/
Und muß auch bald zugleich so offt voll Freuden seyn.
Die Pein enstehet mir/ weil ich die Ziehr verlohren/
Die ich im Paradiß von anbegin gehabt.
Die Frewde kombt daher/ weil JEsus ist gebohren
Der mich nu widerumb mit jhr aufs neu begabt.
99. Von S. Alexio.
Wie kan Alexius ein solches Hertz' jhm fassen/
Daß er kan seine Braut den ersten Tag verlassen?
Er ist jhr Bräutgam nicht: Er hat sich selbst als
Braut
Dem Ewgen Bräutigam verlobet und Vertraut.
100. Der Büsser löscht daß Feur.
Du sprichst daß Höllsche Feur wird nie gelöscht gesehn:
Und sieh der Büsser löschts mit einem Augenthrän.
101. Vom Tode.
Der Tod ist doch noch gut: tönt' jhn ein Höllhund
haben/
Er liss' im Augenblik sich Lebendig begraben.
102. Auch von ihm.
Man wünschet jhm den Tod/ und fliehet jhn doch auch:
Jens ist der Ungeduld/ und diß der Zagheit brauch.
103. Daß Leben und der Tod.
Kein Tod ist herrlicher als der ein Leben bringt:
Kein Leben edler/ als daß auß dem Tod entspringt.
104. Der
Johannis Angeli
96. Die Fiaur iſt Vergaͤnglich.
Menſch die Figur der Welt vergehet mit der Zeit:
Wastrotzſtu dann ſo viel auf jhre Herꝛlichkeit?
97. Auf beiden ſein iſt gut.
Den Him̃el wuͤntſch’ ich mir/ Lieb’ aber auch die Erdẽ;
Denn auf derſelbigen kan ich GOtt naͤher werden.
98. Von den Lilgen.
So offt ich Lilgen ſeh/ ſo offt empfind’ ich Pein/
Und muß auch bald zugleich ſo offt voll Freuden ſeyn.
Die Pein enſtehet mir/ weil ich die Ziehr verlohren/
Die ich im Paradiß von anbegin gehabt.
Die Frewde kombt daher/ weil JEſus iſt gebohren
Der mich nu widerumb mit jhr aufs neu begabt.
99. Von S. Alexio.
Wie kan Alexius ein ſolches Hertz’ jhm faſſen/
Daß er kan ſeine Braut den erſten Tag verlaſſen?
Er iſt jhr Braͤutgam nicht: Er hat ſich ſelbſt als
Braut
Dem Ewgen Braͤutigam verlobet und Vertraut.
100. Der Buͤſſer loͤſcht daß Feur.
Du ſprichſt daß Hoͤllſche Feur wird nie geloͤſcht geſehn:
Und ſieh der Buͤſſer loͤſchts mit einem Augenthraͤn.
101. Vom Tode.
Der Tod iſt doch noch gut: toͤnt’ jhn ein Hoͤllhund
haben/
Er liſſ’ im Augenblik ſich Lebendig begraben.
102. Auch von ihm.
Man wuͤnſchet jhm den Tod/ uñ fliehet jhn doch auch:
Jens iſt der Ungeduld/ und diß der Zagheit brauch.
103. Daß Leben und der Tod.
Kein Tod iſt herꝛlicher als der ein Leben bringt:
Kein Leben edler/ als daß auß dem Tod entſpringt.
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[134[132]/0138] Johannis Angeli 96. Die Fiaur iſt Vergaͤnglich. Menſch die Figur der Welt vergehet mit der Zeit: Wastrotzſtu dann ſo viel auf jhre Herꝛlichkeit? 97. Auf beiden ſein iſt gut. Den Him̃el wuͤntſch’ ich mir/ Lieb’ aber auch die Erdẽ; Denn auf derſelbigen kan ich GOtt naͤher werden. 98. Von den Lilgen. So offt ich Lilgen ſeh/ ſo offt empfind’ ich Pein/ Und muß auch bald zugleich ſo offt voll Freuden ſeyn. Die Pein enſtehet mir/ weil ich die Ziehr verlohren/ Die ich im Paradiß von anbegin gehabt. Die Frewde kombt daher/ weil JEſus iſt gebohren Der mich nu widerumb mit jhr aufs neu begabt. 99. Von S. Alexio. Wie kan Alexius ein ſolches Hertz’ jhm faſſen/ Daß er kan ſeine Braut den erſten Tag verlaſſen? Er iſt jhr Braͤutgam nicht: Er hat ſich ſelbſt als Braut Dem Ewgen Braͤutigam verlobet und Vertraut. 100. Der Buͤſſer loͤſcht daß Feur. Du ſprichſt daß Hoͤllſche Feur wird nie geloͤſcht geſehn: Und ſieh der Buͤſſer loͤſchts mit einem Augenthraͤn. 101. Vom Tode. Der Tod iſt doch noch gut: toͤnt’ jhn ein Hoͤllhund haben/ Er liſſ’ im Augenblik ſich Lebendig begraben. 102. Auch von ihm. Man wuͤnſchet jhm den Tod/ uñ fliehet jhn doch auch: Jens iſt der Ungeduld/ und diß der Zagheit brauch. 103. Daß Leben und der Tod. Kein Tod iſt herꝛlicher als der ein Leben bringt: Kein Leben edler/ als daß auß dem Tod entſpringt. 104. Der

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 134[132]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/138>, abgerufen am 25.04.2024.