Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Buch.
91. Die geheimbe Rose.
Die Ros' ist meine Seel'/ der Dorn deß Fleisches-
lust/
Der Frühling Gottes gunst/ sein Zorn ist Kält und
Frost:
Jhr blühn ist guttes thun/ den Dorn jhr Fleisch nicht
achten/
Mit Tugenden sich ziehrn/ und nach dem Himmel trachten:
Nimmt sie die Zeit wol war/ und blüht weils Frühling ist/
So wird sie ewiglich für GOttes Ros' erkiest.
92. Daß edelste und schnödeste.
Nichts Edlers ist nach GOtt als weine Seel allein:
Wendt sie sich von jhm ab/ so kan nichts schnöders sein.
93. Daß gröste Heiligthum.
Kein grösser Heiligthum kan man auf Erden finden/
Als einen teuschen Leib mit einer Seel ohn Sünden.
94. Daß wehrteste.
Kein ding ist auf der Welt so hoch und wehrt zuachten/
Als Menschen die mit fleiß nach keiner Hochheit
trachten.
95. Daß Schädlichste.
Die Sünde weil sie GOtt erzörnt/ und dich verletzt/
Wird billich schädlicher als Satan selbst geschätzt.
96. Der ärmste.
Der reichste Teuffel hat nicht einen Kieselstein:
Du Sünder bist sein Sclav: kan auch was är-
mers seyn?
97. Die Glükseelige Sünden.
Glükseelig preiß ich dich und alle deine Sünden/
Wo sie nur endlich daß/ was Magdalene finden.
98. Sich
E 3
Drittes Buch.
91. Die geheimbe Roſe.
Die Roſ’ iſt meine Seel’/ der Dorn deß Fleiſches-
luſt/
Der Fruͤhling Gottes gunſt/ ſein Zorn iſt Kaͤlt und
Froſt:
Jhr bluͤhn iſt guttes thun/ den Dorn jhr Fleiſch nicht
achten/
Mit Tugenden ſich ziehrn/ uñ nach dem Him̃el trachtẽ:
Nim̃t ſie die Zeit wol war/ uñ bluͤht weils Fruͤhling iſt/
So wird ſie ewiglich für GOttes Roſ’ erkieſt.
92. Daß edelſte und ſchnoͤdeſte.
Nichts Edlers iſt nach GOtt als weine Seel allein:
Wendt ſie ſich von jhm ab/ ſo kan nichts ſchnoͤders ſein.
93. Daß groͤſte Heiligthum.
Kein groͤſſer Heiligthum kan man auf Erden finden/
Als einen teuſchen Leib mit einer Seel ohn Suͤnden.
94. Daß wehrteſte.
Kein ding iſt auf der Welt ſo hoch uñ wehrt zuachten/
Als Menſchen die mit fleiß nach keiner Hochheit
trachten.
95. Daß Schaͤdlichſte.
Die Suͤnde weil ſie GOtt erzoͤrnt/ und dich verletzt/
Wird billich ſchaͤdlicher als Satan ſelbſt geſchaͤtzt.
96. Der aͤrmſte.
Der reichſte Teuffel hat nicht einen Kieſelſtein:
Du Suͤnder biſt ſein Sclav: kan auch was aͤr-
mers ſeyn?
97. Die Gluͤkſeelige Suͤnden.
Gluͤkſeelig preiß ich dich und alle deine Suͤnden/
Wo ſie nur endlich daß/ was Magdalene finden.
98. Sich
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0105" n="101[99]"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Drittes Buch.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">91. Die geheimbe Ro&#x017F;e.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die Ro&#x017F;&#x2019; i&#x017F;t meine Seel&#x2019;/ der Dorn deß Flei&#x017F;ches-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">lu&#x017F;t/</hi> </l><lb/>
            <l>Der Fru&#x0364;hling Gottes gun&#x017F;t/ &#x017F;ein Zorn i&#x017F;t Ka&#x0364;lt und</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">Fro&#x017F;t:</hi> </l><lb/>
            <l>Jhr blu&#x0364;hn i&#x017F;t guttes thun/ den Dorn jhr Flei&#x017F;ch nicht</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">achten/</hi> </l><lb/>
            <l>Mit Tugenden &#x017F;ich ziehrn/ un&#x0303; nach dem Him&#x0303;el trachte&#x0303;:</l><lb/>
            <l>Nim&#x0303;t &#x017F;ie die Zeit wol war/ un&#x0303; blu&#x0364;ht weils Fru&#x0364;hling i&#x017F;t/</l><lb/>
            <l>So wird &#x017F;ie ewiglich für GOttes Ro&#x017F;&#x2019; erkie&#x017F;t.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">92. Daß edel&#x017F;te und &#x017F;chno&#x0364;de&#x017F;te.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Nichts Edlers i&#x017F;t nach GOtt als weine Seel allein:</l><lb/>
            <l>Wendt &#x017F;ie &#x017F;ich von jhm ab/ &#x017F;o kan nichts &#x017F;chno&#x0364;ders &#x017F;ein.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">93. Daß gro&#x0364;&#x017F;te Heiligthum.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Kein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er Heiligthum kan man auf Erden finden/</l><lb/>
            <l>Als einen teu&#x017F;chen Leib mit einer Seel ohn Su&#x0364;nden.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">94. Daß wehrte&#x017F;te.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Kein ding i&#x017F;t auf der Welt &#x017F;o hoch un&#x0303; wehrt zuachten/</l><lb/>
            <l>Als Men&#x017F;chen die mit fleiß nach keiner Hochheit</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">trachten.</hi> </l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">95. Daß Scha&#x0364;dlich&#x017F;te.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die Su&#x0364;nde weil &#x017F;ie GOtt erzo&#x0364;rnt/ und dich verletzt/</l><lb/>
            <l>Wird billich &#x017F;cha&#x0364;dlicher als <hi rendition="#fr">Satan</hi> &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;cha&#x0364;tzt.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">96. Der a&#x0364;rm&#x017F;te.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Der reich&#x017F;te Teuffel hat nicht einen Kie&#x017F;el&#x017F;tein:</l><lb/>
            <l>Du Su&#x0364;nder bi&#x017F;t &#x017F;ein <hi rendition="#fr">Sclav:</hi> kan auch was a&#x0364;r-</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">mers &#x017F;eyn?</hi> </l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">97. Die Glu&#x0364;k&#x017F;eelige Su&#x0364;nden.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Glu&#x0364;k&#x017F;eelig preiß ich dich und alle deine Su&#x0364;nden/</l><lb/>
            <l>Wo &#x017F;ie nur endlich daß/ was Magdalene finden.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig"> <hi rendition="#b">E 3</hi> </fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">98. Sich</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101[99]/0105] Drittes Buch. 91. Die geheimbe Roſe. Die Roſ’ iſt meine Seel’/ der Dorn deß Fleiſches- luſt/ Der Fruͤhling Gottes gunſt/ ſein Zorn iſt Kaͤlt und Froſt: Jhr bluͤhn iſt guttes thun/ den Dorn jhr Fleiſch nicht achten/ Mit Tugenden ſich ziehrn/ uñ nach dem Him̃el trachtẽ: Nim̃t ſie die Zeit wol war/ uñ bluͤht weils Fruͤhling iſt/ So wird ſie ewiglich für GOttes Roſ’ erkieſt. 92. Daß edelſte und ſchnoͤdeſte. Nichts Edlers iſt nach GOtt als weine Seel allein: Wendt ſie ſich von jhm ab/ ſo kan nichts ſchnoͤders ſein. 93. Daß groͤſte Heiligthum. Kein groͤſſer Heiligthum kan man auf Erden finden/ Als einen teuſchen Leib mit einer Seel ohn Suͤnden. 94. Daß wehrteſte. Kein ding iſt auf der Welt ſo hoch uñ wehrt zuachten/ Als Menſchen die mit fleiß nach keiner Hochheit trachten. 95. Daß Schaͤdlichſte. Die Suͤnde weil ſie GOtt erzoͤrnt/ und dich verletzt/ Wird billich ſchaͤdlicher als Satan ſelbſt geſchaͤtzt. 96. Der aͤrmſte. Der reichſte Teuffel hat nicht einen Kieſelſtein: Du Suͤnder biſt ſein Sclav: kan auch was aͤr- mers ſeyn? 97. Die Gluͤkſeelige Suͤnden. Gluͤkſeelig preiß ich dich und alle deine Suͤnden/ Wo ſie nur endlich daß/ was Magdalene finden. 98. Sich E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk erschien 1675 in einer zweiten, um ei… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/105
Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 101[99]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/105>, abgerufen am 29.03.2024.