Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.

Bild:
<< vorherige Seite
Johannis Angeli.
110. Dem Schöpffer lauffen alle Ge-
schöpffe nach.
Wenn du den Schöpff er hast/ so laufft dir alles nach/
Mensch/ Engel/ Sonn und Mond/ Lufft/ Feuer/ Erd/
und Bach.
111. Ausser Gott leben ist Todt sein.
Mensch glaube diß gewiß: Wo du nicht lebst in Gott/
Lebstu gleich tausend Jahr/ du bist so lange todt.
112. Nicht alles gutte ist gut.
Nicht alles gut' ist gut: Mensch überred dich nicht:
Waß nicht im Lieböl brennt daß ist ein falsches Licht.
113. Gewien ist Verlust.
Der Reiche dieser Welt/ was hat er vor gewin?
Daß er muß mit verlust von seinem Reichthumb ziehn.
114. Nach Ehre streben ist thöricht.
Wie thöricht sind wir doch daß wir nach Ehre streben!
Gott wil sie ja nur dem/ der sie verschmähet/ geben.
115. Erfahrung ist besser als wissen-
schafft.
Jß doch/ waß redstu viel von krafft der Wurtzel Jesse:
Mir schmäkket nichts so gut als waß ich selber esse.
116. Du must der erste im Himmel sein.
Christ lauffe was du kanst/ wiltu in Hmmel ein:
Es heist nicht stille stehn/ du must der erste sein.
117. Der Demütlge wird nicht gericht.
Wer stäts in demut lebt/ wird nie von Gott gericht:
Warumb? er richtet auch niemand und sündigt nicht.
118. Gott ist nicht mehr barmhertzig
als gerecht.
Gott der wird nicht vor Gott vom weisen Mann erkiest:
Wo er barmhertziger mehr als gerechter ist.
119. Die
Johannis Angeli.
110. Dem Schoͤpffer lauffen alle Ge-
ſchoͤpffe nach.
Wenn du den Schoͤpff er haſt/ ſo laufft dir alles nach/
Menſch/ Engel/ Sonn uñ Mond/ Lufft/ Feuer/ Erd/
und Bach.
111. Auſſer Gott leben iſt Todt ſein.
Menſch glaube diß gewiß: Wo du nicht lebſt in Gott/
Lebſtu gleich tauſend Jahr/ du biſt ſo lange todt.
112. Nicht alles gutte iſt gut.
Nicht alles gut’ iſt gut: Menſch uͤberred dich nicht:
Waß nicht im Lieboͤl brennt daß iſt ein falſches Licht.
113. Gewien iſt Verluſt.
Der Reiche dieſer Welt/ was hat er vor gewin?
Daß er muß mit verluſt von ſeinem Reichthumb ziehn.
114. Nach Ehre ſtreben iſt thoͤricht.
Wie thoͤricht ſind wir doch daß wir nach Ehre ſtreben!
Gott wil ſie ja nur dem/ der ſie verſchmaͤhet/ geben.
115. Erfahrung iſt beſſer als wiſſen-
ſchafft.
Jß doch/ waß redſtu viel von krafft der Wurtzel Jeſſe:
Mir ſchmaͤkket nichts ſo gut als waß ich ſelber eſſe.
116. Du muſt der erſte im Him̃el ſein.
Chriſt lauffe was du kanſt/ wiltu in Hmmel ein:
Es heiſt nicht ſtille ſtehn/ du muſt der erſte ſein.
117. Der Demuͤtlge wird nicht gericht.
Wer ſtaͤts in demut lebt/ wird nie von Gott gericht:
Warumb? er richtet auch niemand und ſuͤndigt nicht.
118. Gott iſt nicht mehr barmhertzig
als gerecht.
Gott der wird nicht vor Gott vom weiſen Mañ erkieſt:
Wo er barmhertziger mehr als gerechter iſt.
119. Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0166" n="162[160]"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Johannis Angeli.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">110. Dem Scho&#x0364;pffer lauffen alle Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pffe nach.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wenn du den Scho&#x0364;pff er ha&#x017F;t/ &#x017F;o laufft dir alles nach/</l><lb/>
            <l>Men&#x017F;ch/ Engel/ Sonn un&#x0303; Mond/ Lufft/ Feuer/ Erd/</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">und Bach.</hi> </l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">111. Au&#x017F;&#x017F;er Gott leben i&#x017F;t Todt &#x017F;ein.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Men&#x017F;ch glaube diß gewiß: Wo du nicht leb&#x017F;t in Gott/</l><lb/>
            <l>Leb&#x017F;tu gleich tau&#x017F;end Jahr/ du bi&#x017F;t &#x017F;o lange todt.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">112. Nicht alles gutte i&#x017F;t gut.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Nicht alles gut&#x2019; i&#x017F;t gut: Men&#x017F;ch u&#x0364;berred dich nicht:</l><lb/>
            <l>Waß nicht im Liebo&#x0364;l brennt daß i&#x017F;t ein fal&#x017F;ches Licht.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">113. Gewien i&#x017F;t Verlu&#x017F;t.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Der Reiche die&#x017F;er Welt/ was hat er vor gewin?</l><lb/>
            <l>Daß er muß mit verlu&#x017F;t von &#x017F;einem Reichthumb ziehn.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">114. Nach Ehre &#x017F;treben i&#x017F;t tho&#x0364;richt.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wie tho&#x0364;richt &#x017F;ind wir doch daß wir nach Ehre &#x017F;treben!</l><lb/>
            <l>Gott wil &#x017F;ie ja nur dem/ der &#x017F;ie ver&#x017F;chma&#x0364;het/ geben.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">115. Erfahrung i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er als wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafft.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Jß doch/ waß red&#x017F;tu viel von krafft der Wurtzel Je&#x017F;&#x017F;e:</l><lb/>
            <l>Mir &#x017F;chma&#x0364;kket nichts &#x017F;o gut als waß ich &#x017F;elber e&#x017F;&#x017F;e.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">116. Du mu&#x017F;t der er&#x017F;te im Him&#x0303;el &#x017F;ein.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Chri&#x017F;t lauffe was du kan&#x017F;t/ wiltu in Hmmel ein:</l><lb/>
            <l>Es hei&#x017F;t nicht &#x017F;tille &#x017F;tehn/ du mu&#x017F;t der er&#x017F;te &#x017F;ein.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">117. Der Demu&#x0364;tlge wird nicht gericht.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wer &#x017F;ta&#x0364;ts in demut lebt/ wird nie von Gott gericht:</l><lb/>
            <l>Warumb? er richtet auch niemand und &#x017F;u&#x0364;ndigt nicht.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">118. Gott i&#x017F;t nicht mehr barmhertzig<lb/>
als gerecht.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Gott der wird nicht vor Gott vom wei&#x017F;en Man&#x0303; erkie&#x017F;t:</l><lb/>
            <l>Wo er barmhertziger mehr als gerechter i&#x017F;t.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">119. Die</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162[160]/0166] Johannis Angeli. 110. Dem Schoͤpffer lauffen alle Ge- ſchoͤpffe nach. Wenn du den Schoͤpff er haſt/ ſo laufft dir alles nach/ Menſch/ Engel/ Sonn uñ Mond/ Lufft/ Feuer/ Erd/ und Bach. 111. Auſſer Gott leben iſt Todt ſein. Menſch glaube diß gewiß: Wo du nicht lebſt in Gott/ Lebſtu gleich tauſend Jahr/ du biſt ſo lange todt. 112. Nicht alles gutte iſt gut. Nicht alles gut’ iſt gut: Menſch uͤberred dich nicht: Waß nicht im Lieboͤl brennt daß iſt ein falſches Licht. 113. Gewien iſt Verluſt. Der Reiche dieſer Welt/ was hat er vor gewin? Daß er muß mit verluſt von ſeinem Reichthumb ziehn. 114. Nach Ehre ſtreben iſt thoͤricht. Wie thoͤricht ſind wir doch daß wir nach Ehre ſtreben! Gott wil ſie ja nur dem/ der ſie verſchmaͤhet/ geben. 115. Erfahrung iſt beſſer als wiſſen- ſchafft. Jß doch/ waß redſtu viel von krafft der Wurtzel Jeſſe: Mir ſchmaͤkket nichts ſo gut als waß ich ſelber eſſe. 116. Du muſt der erſte im Him̃el ſein. Chriſt lauffe was du kanſt/ wiltu in Hmmel ein: Es heiſt nicht ſtille ſtehn/ du muſt der erſte ſein. 117. Der Demuͤtlge wird nicht gericht. Wer ſtaͤts in demut lebt/ wird nie von Gott gericht: Warumb? er richtet auch niemand und ſuͤndigt nicht. 118. Gott iſt nicht mehr barmhertzig als gerecht. Gott der wird nicht vor Gott vom weiſen Mañ erkieſt: Wo er barmhertziger mehr als gerechter iſt. 119. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk erschien 1675 in einer zweiten, um ei… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/166
Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 162[160]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/166>, abgerufen am 25.04.2024.