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Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.

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Erinnerungs Vorrede
anfangen/ und deinen beruff oder außerwälung
zu demselben gewiß mache. Weil aber folgende
Reimen vil seltzame paradoxa oder widersin-
nische Reden/ wie auch sehr hohe und nicht jeder-
man bekandte schlüsse/ von der geheime-Gott-
heit/ Jtem von Vereinigung mit GOtt oder
Göttlichem Wesen/ wie auch von Göttlicher
Gleichheit und Vergöttung oder GOtt wer-
dung/ und waß dergleichen/ in sich halten;
welchen man wegen der kurtzen Verfassung
leicht einen Verdamlichen Sinn oder böse Mei-
nung könte andichten: Als ist vonnöthen dich
deß halben zuvor zuerinnern.

Unnd ist hiermit einmal für allemal zuwis-
sen/ daß deß Urhebers Meinung nirgends sey/
daß die Menschliche Seele jhre Geschaffenheit
solle oder könne Verliehren/ und durch die Ver-
göttung in GOtt oder sein ungeschaffenes We-
sen verwandelt werden: welches in alle Ewig-
keit nicht seyn kan. Denn obwol GOtt Allmäch-
tig ist/ so kan er doch dises nicht machen (und
wann Ers könte/ wäre Er nicht GOtt) daß
eine Creatur natürlich und wesentlich GOtt
sey. Derowegen sagt Thaulerus in seinen Geist-
lichen Unterrichtungen c. 9. weil der Allerhöchste
nicht machen kondte/ daß wir von Natur GOtt wären
(denn diß steht Jhm alleine zu) so hat Er gemacht/ daß
wir GOtt wären auß Gnaden; damit wir zugleich mit
Jhm in jmmerwehrender Liebe besitzen mögen eine See-
ligkeit/ eine Freüde/ und ein einiges Königreich:

Son-

Erinnerungs Vorrede
anfangen/ und deinen beruff oder außerwaͤlung
zu demſelben gewiß mache. Weil aber folgende
Reimen vil ſeltzame paradoxa oder widerſin-
niſche Reden/ wie auch ſehr hohe und nicht jeder-
man bekandte ſchluͤſſe/ von der geheime-Gott-
heit/ Jtem von Vereinigung mit GOtt oder
Goͤttlichem Weſen/ wie auch von Goͤttlicher
Gleichheit und Vergoͤttung oder GOtt wer-
dung/ und waß dergleichen/ in ſich halten;
welchen man wegen der kurtzen Verfaſſung
leicht einen Verdamlichen Sinn oder boͤſe Mei-
nung koͤnte andichten: Als iſt vonnoͤthen dich
deß halben zuvor zuerinnern.

Unnd iſt hiermit einmal fuͤr allemal zuwiſ-
ſen/ daß deß Urhebers Meinung nirgends ſey/
daß die Menſchliche Seele jhre Geſchaffenheit
ſolle oder koͤnne Verliehren/ und durch die Ver-
goͤttung in GOtt oder ſein ungeſchaffenes We-
ſen verwandelt werden: welches in alle Ewig-
keit nicht ſeyn kan. Denn obwol GOtt Allmaͤch-
tig iſt/ ſo kan er doch diſes nicht machen (und
wann Ers koͤnte/ waͤre Er nicht GOtt) daß
eine Creatur natuͤrlich und weſentlich GOtt
ſey. Derowegen ſagt Thaulerus in ſeinen Geiſt-
lichen Unterrichtungen c. 9. weil der Allerhoͤchſte
nicht machen kondte/ daß wir von Natur GOtt waͤren
(denn diß ſteht Jhm alleine zu) ſo hat Er gemacht/ daß
wir GOtt waͤren auß Gnaden; damit wir zugleich mit
Jhm in jmmerwehrender Liebe beſitzen moͤgen eine See-
ligkeit/ eine Freuͤde/ und ein einiges Koͤnigreich:

Son-
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[6/0012] Erinnerungs Vorrede anfangen/ und deinen beruff oder außerwaͤlung zu demſelben gewiß mache. Weil aber folgende Reimen vil ſeltzame paradoxa oder widerſin- niſche Reden/ wie auch ſehr hohe und nicht jeder- man bekandte ſchluͤſſe/ von der geheime-Gott- heit/ Jtem von Vereinigung mit GOtt oder Goͤttlichem Weſen/ wie auch von Goͤttlicher Gleichheit und Vergoͤttung oder GOtt wer- dung/ und waß dergleichen/ in ſich halten; welchen man wegen der kurtzen Verfaſſung leicht einen Verdamlichen Sinn oder boͤſe Mei- nung koͤnte andichten: Als iſt vonnoͤthen dich deß halben zuvor zuerinnern. Unnd iſt hiermit einmal fuͤr allemal zuwiſ- ſen/ daß deß Urhebers Meinung nirgends ſey/ daß die Menſchliche Seele jhre Geſchaffenheit ſolle oder koͤnne Verliehren/ und durch die Ver- goͤttung in GOtt oder ſein ungeſchaffenes We- ſen verwandelt werden: welches in alle Ewig- keit nicht ſeyn kan. Denn obwol GOtt Allmaͤch- tig iſt/ ſo kan er doch diſes nicht machen (und wann Ers koͤnte/ waͤre Er nicht GOtt) daß eine Creatur natuͤrlich und weſentlich GOtt ſey. Derowegen ſagt Thaulerus in ſeinen Geiſt- lichen Unterrichtungen c. 9. weil der Allerhoͤchſte nicht machen kondte/ daß wir von Natur GOtt waͤren (denn diß ſteht Jhm alleine zu) ſo hat Er gemacht/ daß wir GOtt waͤren auß Gnaden; damit wir zugleich mit Jhm in jmmerwehrender Liebe beſitzen moͤgen eine See- ligkeit/ eine Freuͤde/ und ein einiges Koͤnigreich: Son-

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/12>, abgerufen am 28.03.2024.