Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

blosses indifferentes Mittel aus dem Brennpunkte des Interesses
mussten verdrängen lassen.

Durch alles dies ist nun wohl hinreichend deutlich geworden, in
wie radikalem Gegensatz das Geldwesen und seine Folgen zu den vor-
hin skizzierten Vornehmheitswerten stehen. Das Geldwesen zerstört
am gründlichsten jenes Aufsichhalten, das die vornehme Persönlichkeit
charakterisiert und das von gewissen Objekten und ihrem Gewertet-
werden aufgenommen wird; es drängt den Dingen einen ausser ihrer
selbst liegenden Massstab auf, wie grade die Vornehmheit ihn ablehnt;
indem es die Dinge in eine Reihe, in der bloss Quantitätsunterschiede
gelten, einstellt, raubt es ihnen einerseits die absolute Differenz und
Distanz des einen vom andern, andrerseits das Recht, jedes Verhält-
nis überhaupt, jede Qualifikation durch die wie auch ausfallende Ver-
gleichung mit andern abzulehnen -- also die beiden Bestimmungen, deren
Vereinigung das eigentümliche Ideal der Vornehmheit schafft. Die
Steigerung personaler Werte, die dieses Ideal bezeichnet, erscheint also
selbst in seiner Projizierung in Dinge hinein so weit aufgehoben,
wie die Wirksamkeit des Geldes reicht, das die Dinge in jedem
Sinne des Wortes "gemein" macht und sie damit schon dem Sprach-
gebrauch nach in den absoluten Gegensatz zum Vornehmen stellt.
Gegen diesen Begriff gehalten tritt nun erst an der ganzen Breite
käuflicher Lebensinhalte die Wirkung des Geldes hervor, die die Pro-
stitution, die Geldheirat und die Bestechung in personal zugespitzter
Form gezeigt haben.


bloſses indifferentes Mittel aus dem Brennpunkte des Interesses
muſsten verdrängen lassen.

Durch alles dies ist nun wohl hinreichend deutlich geworden, in
wie radikalem Gegensatz das Geldwesen und seine Folgen zu den vor-
hin skizzierten Vornehmheitswerten stehen. Das Geldwesen zerstört
am gründlichsten jenes Aufsichhalten, das die vornehme Persönlichkeit
charakterisiert und das von gewissen Objekten und ihrem Gewertet-
werden aufgenommen wird; es drängt den Dingen einen auſser ihrer
selbst liegenden Maſsstab auf, wie grade die Vornehmheit ihn ablehnt;
indem es die Dinge in eine Reihe, in der bloſs Quantitätsunterschiede
gelten, einstellt, raubt es ihnen einerseits die absolute Differenz und
Distanz des einen vom andern, andrerseits das Recht, jedes Verhält-
nis überhaupt, jede Qualifikation durch die wie auch ausfallende Ver-
gleichung mit andern abzulehnen — also die beiden Bestimmungen, deren
Vereinigung das eigentümliche Ideal der Vornehmheit schafft. Die
Steigerung personaler Werte, die dieses Ideal bezeichnet, erscheint also
selbst in seiner Projizierung in Dinge hinein so weit aufgehoben,
wie die Wirksamkeit des Geldes reicht, das die Dinge in jedem
Sinne des Wortes „gemein“ macht und sie damit schon dem Sprach-
gebrauch nach in den absoluten Gegensatz zum Vornehmen stellt.
Gegen diesen Begriff gehalten tritt nun erst an der ganzen Breite
käuflicher Lebensinhalte die Wirkung des Geldes hervor, die die Pro-
stitution, die Geldheirat und die Bestechung in personal zugespitzter
Form gezeigt haben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0437" n="413"/>
blo&#x017F;ses indifferentes <hi rendition="#g">Mittel</hi> aus dem Brennpunkte des Interesses<lb/>
mu&#x017F;sten verdrängen lassen.</p><lb/>
            <p>Durch alles dies ist nun wohl hinreichend deutlich geworden, in<lb/>
wie radikalem Gegensatz das Geldwesen und seine Folgen zu den vor-<lb/>
hin skizzierten Vornehmheitswerten stehen. Das Geldwesen zerstört<lb/>
am gründlichsten jenes Aufsichhalten, das die vornehme Persönlichkeit<lb/>
charakterisiert und das von gewissen Objekten und ihrem Gewertet-<lb/>
werden aufgenommen wird; es drängt den Dingen einen au&#x017F;ser ihrer<lb/>
selbst liegenden Ma&#x017F;sstab auf, wie grade die Vornehmheit ihn ablehnt;<lb/>
indem es die Dinge in eine Reihe, in der blo&#x017F;s Quantitätsunterschiede<lb/>
gelten, einstellt, raubt es ihnen einerseits die absolute Differenz und<lb/>
Distanz des einen vom andern, andrerseits das Recht, jedes Verhält-<lb/>
nis überhaupt, jede Qualifikation durch die wie auch ausfallende Ver-<lb/>
gleichung mit andern abzulehnen &#x2014; also die beiden Bestimmungen, deren<lb/>
Vereinigung das eigentümliche Ideal der Vornehmheit schafft. Die<lb/>
Steigerung personaler Werte, die dieses Ideal bezeichnet, erscheint also<lb/>
selbst in seiner Projizierung in Dinge hinein so weit aufgehoben,<lb/>
wie die Wirksamkeit des Geldes reicht, das die Dinge in jedem<lb/>
Sinne des Wortes &#x201E;gemein&#x201C; macht und sie damit schon dem Sprach-<lb/>
gebrauch nach in den absoluten Gegensatz zum Vornehmen stellt.<lb/>
Gegen diesen Begriff gehalten tritt nun erst an der ganzen Breite<lb/>
käuflicher Lebensinhalte die Wirkung des Geldes hervor, die die Pro-<lb/>
stitution, die Geldheirat und die Bestechung in personal zugespitzter<lb/>
Form gezeigt haben.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0437] bloſses indifferentes Mittel aus dem Brennpunkte des Interesses muſsten verdrängen lassen. Durch alles dies ist nun wohl hinreichend deutlich geworden, in wie radikalem Gegensatz das Geldwesen und seine Folgen zu den vor- hin skizzierten Vornehmheitswerten stehen. Das Geldwesen zerstört am gründlichsten jenes Aufsichhalten, das die vornehme Persönlichkeit charakterisiert und das von gewissen Objekten und ihrem Gewertet- werden aufgenommen wird; es drängt den Dingen einen auſser ihrer selbst liegenden Maſsstab auf, wie grade die Vornehmheit ihn ablehnt; indem es die Dinge in eine Reihe, in der bloſs Quantitätsunterschiede gelten, einstellt, raubt es ihnen einerseits die absolute Differenz und Distanz des einen vom andern, andrerseits das Recht, jedes Verhält- nis überhaupt, jede Qualifikation durch die wie auch ausfallende Ver- gleichung mit andern abzulehnen — also die beiden Bestimmungen, deren Vereinigung das eigentümliche Ideal der Vornehmheit schafft. Die Steigerung personaler Werte, die dieses Ideal bezeichnet, erscheint also selbst in seiner Projizierung in Dinge hinein so weit aufgehoben, wie die Wirksamkeit des Geldes reicht, das die Dinge in jedem Sinne des Wortes „gemein“ macht und sie damit schon dem Sprach- gebrauch nach in den absoluten Gegensatz zum Vornehmen stellt. Gegen diesen Begriff gehalten tritt nun erst an der ganzen Breite käuflicher Lebensinhalte die Wirkung des Geldes hervor, die die Pro- stitution, die Geldheirat und die Bestechung in personal zugespitzter Form gezeigt haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/437
Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/437>, abgerufen am 19.04.2024.