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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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lichung alles dessen ist, was sich überhaupt vergleichgültigen und ver-
äusserlichen lässt, wird es doch auch zum Thorhüter des Innerlichsten,
das sich nun in eigensten Grenzen ausbauen kann.

Inwieweit dies nun freilich zu jener Verfeinerung, Besonderheit
und Verinnerlichung des Subjekts führt, oder wo es umgekehrt die
unterworfenen Objekte grade durch die Leichtigkeit ihrer Erlangung
zu Herrschern über den Menschen werden lässt -- das hängt nicht
mehr vom Gelde, sondern eben vom Menschen ab. Die Geldwirt-
schaft zeigt sich auch hier in ihrer formalen Beziehung zu sozia-
listischen Zuständen: denn die Erlösung von dem individuellen Kampf
ums Dasein, die Sicherung der niedrigeren und die leichte Zu-
gängigkeit der höheren Wirtschaftswerte dürfte gleichfalls die differen-
zierende Wirkung üben, dass ein gewisser Bruchteil der Gesellschaft
sich in eine bisher unerhörte und von allen Gedanken an das Irdische
entfernteste Höhe der Geistigkeit erhebt, während ein andrer Bruch-
teil grade in einen ebenso unerhörten praktischen Materialismus ver-
sänke.

Im grossen und ganzen wird das Geld wohl am wirksamsten an
denjenigen Seiten unseres Lebens, deren Stil durch das Übergewicht
der objektiven Kultur über die subjektive bestimmt wird. Dass es
aber auch den umgekehrten Fall zu stützen sich nicht weigert, das
stellt Art und Umfang seiner historischen Macht in das hellste Licht.
Man könnte es höchstens nach mancher Richtung hin der Sprache ver-
gleichen, die sich ebenfalls den divergentesten Richtungen des Denkens
und Fühlens unterstützend, verdeutlichend, herausarbeitend leiht. Es
gehört zu jenen Gewalten, deren Eigenart grade in dem Mangel an
Eigenart besteht, die aber dennoch das Leben sehr verschieden färben
können, weil das bloss Formale, Funktionelle, Quantitative, das sie
hervorbringen, auf qualitativ bestimmte Lebensinhalte und -richtungen
trifft und diese zur weiteren Zeugung qualitativ neuer Bildungen be-
stimmt. Seine Bedeutung für den Stil des Lebens wird dadurch,
dass es beiden möglichen Verhältnissen zwischen dem objektiven
und dem subjektiven Geist zur Steigerung und Reife hilft, nicht auf-
gehoben, sondern gesteigert, nicht widerlegt, sondern erwiesen.


lichung alles dessen ist, was sich überhaupt vergleichgültigen und ver-
äuſserlichen läſst, wird es doch auch zum Thorhüter des Innerlichsten,
das sich nun in eigensten Grenzen ausbauen kann.

Inwieweit dies nun freilich zu jener Verfeinerung, Besonderheit
und Verinnerlichung des Subjekts führt, oder wo es umgekehrt die
unterworfenen Objekte grade durch die Leichtigkeit ihrer Erlangung
zu Herrschern über den Menschen werden läſst — das hängt nicht
mehr vom Gelde, sondern eben vom Menschen ab. Die Geldwirt-
schaft zeigt sich auch hier in ihrer formalen Beziehung zu sozia-
listischen Zuständen: denn die Erlösung von dem individuellen Kampf
ums Dasein, die Sicherung der niedrigeren und die leichte Zu-
gängigkeit der höheren Wirtschaftswerte dürfte gleichfalls die differen-
zierende Wirkung üben, daſs ein gewisser Bruchteil der Gesellschaft
sich in eine bisher unerhörte und von allen Gedanken an das Irdische
entfernteste Höhe der Geistigkeit erhebt, während ein andrer Bruch-
teil grade in einen ebenso unerhörten praktischen Materialismus ver-
sänke.

Im groſsen und ganzen wird das Geld wohl am wirksamsten an
denjenigen Seiten unseres Lebens, deren Stil durch das Übergewicht
der objektiven Kultur über die subjektive bestimmt wird. Daſs es
aber auch den umgekehrten Fall zu stützen sich nicht weigert, das
stellt Art und Umfang seiner historischen Macht in das hellste Licht.
Man könnte es höchstens nach mancher Richtung hin der Sprache ver-
gleichen, die sich ebenfalls den divergentesten Richtungen des Denkens
und Fühlens unterstützend, verdeutlichend, herausarbeitend leiht. Es
gehört zu jenen Gewalten, deren Eigenart grade in dem Mangel an
Eigenart besteht, die aber dennoch das Leben sehr verschieden färben
können, weil das bloſs Formale, Funktionelle, Quantitative, das sie
hervorbringen, auf qualitativ bestimmte Lebensinhalte und -richtungen
trifft und diese zur weiteren Zeugung qualitativ neuer Bildungen be-
stimmt. Seine Bedeutung für den Stil des Lebens wird dadurch,
daſs es beiden möglichen Verhältnissen zwischen dem objektiven
und dem subjektiven Geist zur Steigerung und Reife hilft, nicht auf-
gehoben, sondern gesteigert, nicht widerlegt, sondern erwiesen.


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[505/0529] lichung alles dessen ist, was sich überhaupt vergleichgültigen und ver- äuſserlichen läſst, wird es doch auch zum Thorhüter des Innerlichsten, das sich nun in eigensten Grenzen ausbauen kann. Inwieweit dies nun freilich zu jener Verfeinerung, Besonderheit und Verinnerlichung des Subjekts führt, oder wo es umgekehrt die unterworfenen Objekte grade durch die Leichtigkeit ihrer Erlangung zu Herrschern über den Menschen werden läſst — das hängt nicht mehr vom Gelde, sondern eben vom Menschen ab. Die Geldwirt- schaft zeigt sich auch hier in ihrer formalen Beziehung zu sozia- listischen Zuständen: denn die Erlösung von dem individuellen Kampf ums Dasein, die Sicherung der niedrigeren und die leichte Zu- gängigkeit der höheren Wirtschaftswerte dürfte gleichfalls die differen- zierende Wirkung üben, daſs ein gewisser Bruchteil der Gesellschaft sich in eine bisher unerhörte und von allen Gedanken an das Irdische entfernteste Höhe der Geistigkeit erhebt, während ein andrer Bruch- teil grade in einen ebenso unerhörten praktischen Materialismus ver- sänke. Im groſsen und ganzen wird das Geld wohl am wirksamsten an denjenigen Seiten unseres Lebens, deren Stil durch das Übergewicht der objektiven Kultur über die subjektive bestimmt wird. Daſs es aber auch den umgekehrten Fall zu stützen sich nicht weigert, das stellt Art und Umfang seiner historischen Macht in das hellste Licht. Man könnte es höchstens nach mancher Richtung hin der Sprache ver- gleichen, die sich ebenfalls den divergentesten Richtungen des Denkens und Fühlens unterstützend, verdeutlichend, herausarbeitend leiht. Es gehört zu jenen Gewalten, deren Eigenart grade in dem Mangel an Eigenart besteht, die aber dennoch das Leben sehr verschieden färben können, weil das bloſs Formale, Funktionelle, Quantitative, das sie hervorbringen, auf qualitativ bestimmte Lebensinhalte und -richtungen trifft und diese zur weiteren Zeugung qualitativ neuer Bildungen be- stimmt. Seine Bedeutung für den Stil des Lebens wird dadurch, daſs es beiden möglichen Verhältnissen zwischen dem objektiven und dem subjektiven Geist zur Steigerung und Reife hilft, nicht auf- gehoben, sondern gesteigert, nicht widerlegt, sondern erwiesen.

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/529>, abgerufen am 28.03.2024.