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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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fehlt -- so stellen wir uns doch unvermeidlich die "Vorstellungen"
als eine Art Wesen vor, die miteinander in die mechanischen Be-
ziehungen des Verbindens und Trennens, des Hebens und Herab-
drückens treten. Wir sind dabei überzeugt -- und die Praxis giebt
uns Recht -- dass diese, nach dem Typus anschaulicher Vorgänge
geschehende Deutung des Inneren die Wirklichkeit dieses letzteren
gültig vertritt, grade wie dem Astronomen die Rechnung auf dem
Papiere die Bewegungen der Gestirne so erfolgreich repräsentiert, dass
das Resultat jener durchaus das Bild darstellt, das von dem Resultat
der realen Kräfte bewahrheitet wird.

Dieses Verhältnis aber wird nun auch rückläufig gültig, als
Deutung des äusseren Geschehens nach den Inhalten des Innenlebens.
Ich meine hier nicht, dass ja auch jenes von vorn herein nur eine
Welt von Vorstellungen ist, sondern, nachdem einmal auf dieser oder
einer andern erkenntnistheoretischen Basis ein relatives Aussen einem rela-
tiven Innern gegenübergestellt ist, dienen die spezifischen Erscheinungen
des letzteren dazu, das erstere zu einem verständlichen Bilde zu ge-
stalten. So kommt wohl der einheitliche Gegenstand aus der Summe
seiner Eigenschaften, die er uns doch nur darbietet, nur so zu stande,
dass wir ihm die Einheitsform unseres Ich leihen, an der allein wir
erfahren, wie eine Fülle von Bestimmungen und Schicksalen an einer
beharrenden Einheit haften kann. Nicht anders dürfte es sich, wie
man oft betont hat, mit der Kraft und der Ursächlichkeit äusserer
Dinge verhalten: die Gefühle der physisch-psychischen Spannung,
des Impulses, der Willenshandlung projizieren wir in die Dinge
hinein, und wenn wir hinter ihre unmittelbare Wahrnehmbarkeit
jene deutenden Kategorien setzen, so orientieren wir uns eben in
ihnen nach den Gefühlserfahrungen unserer Innerlichkeit. Und so
stösst man vielleicht, sobald man unter jener ersten Symbolisierung des
Inneren durch das Körperhafte eine tiefere Schicht aufgräbt, auf den
entgegengesetzten Zusammenhang. Wenn wir einen seelischen Vor-
gang als Verbindung von Vorstellungen bezeichnen, so war dies aller-
dings eine Erkenntnis seiner nach räumlichen Kategorien; aber diese
Kategorie der Verbindung selbst hat vielleicht ihren Sinn und ihre
Bedeutung in einem bloss innerlichen, gar nicht anschaulichen Vorgang.
Was wir als in der Aussenwelt verbunden, d. h. doch, irgendwie ver-
einheitlicht und in einander seiend, bezeichnen, bleibt doch in der
Aussenwelt ewig nebeneinander, und mit seinem Verbundensein meinen
wir etwas, was nur aus unserem Inneren, allem Äusseren unvergleich-
bar, in die Dinge hineingefühlt werden kann: jenes also das Symbol
für das, was uns an diesen nicht festzustellen und unmittelbar über-

fehlt — so stellen wir uns doch unvermeidlich die „Vorstellungen“
als eine Art Wesen vor, die miteinander in die mechanischen Be-
ziehungen des Verbindens und Trennens, des Hebens und Herab-
drückens treten. Wir sind dabei überzeugt — und die Praxis giebt
uns Recht — daſs diese, nach dem Typus anschaulicher Vorgänge
geschehende Deutung des Inneren die Wirklichkeit dieses letzteren
gültig vertritt, grade wie dem Astronomen die Rechnung auf dem
Papiere die Bewegungen der Gestirne so erfolgreich repräsentiert, daſs
das Resultat jener durchaus das Bild darstellt, das von dem Resultat
der realen Kräfte bewahrheitet wird.

Dieses Verhältnis aber wird nun auch rückläufig gültig, als
Deutung des äuſseren Geschehens nach den Inhalten des Innenlebens.
Ich meine hier nicht, daſs ja auch jenes von vorn herein nur eine
Welt von Vorstellungen ist, sondern, nachdem einmal auf dieser oder
einer andern erkenntnistheoretischen Basis ein relatives Auſsen einem rela-
tiven Innern gegenübergestellt ist, dienen die spezifischen Erscheinungen
des letzteren dazu, das erstere zu einem verständlichen Bilde zu ge-
stalten. So kommt wohl der einheitliche Gegenstand aus der Summe
seiner Eigenschaften, die er uns doch nur darbietet, nur so zu stande,
daſs wir ihm die Einheitsform unseres Ich leihen, an der allein wir
erfahren, wie eine Fülle von Bestimmungen und Schicksalen an einer
beharrenden Einheit haften kann. Nicht anders dürfte es sich, wie
man oft betont hat, mit der Kraft und der Ursächlichkeit äuſserer
Dinge verhalten: die Gefühle der physisch-psychischen Spannung,
des Impulses, der Willenshandlung projizieren wir in die Dinge
hinein, und wenn wir hinter ihre unmittelbare Wahrnehmbarkeit
jene deutenden Kategorien setzen, so orientieren wir uns eben in
ihnen nach den Gefühlserfahrungen unserer Innerlichkeit. Und so
stöſst man vielleicht, sobald man unter jener ersten Symbolisierung des
Inneren durch das Körperhafte eine tiefere Schicht aufgräbt, auf den
entgegengesetzten Zusammenhang. Wenn wir einen seelischen Vor-
gang als Verbindung von Vorstellungen bezeichnen, so war dies aller-
dings eine Erkenntnis seiner nach räumlichen Kategorien; aber diese
Kategorie der Verbindung selbst hat vielleicht ihren Sinn und ihre
Bedeutung in einem bloſs innerlichen, gar nicht anschaulichen Vorgang.
Was wir als in der Auſsenwelt verbunden, d. h. doch, irgendwie ver-
einheitlicht und in einander seiend, bezeichnen, bleibt doch in der
Auſsenwelt ewig nebeneinander, und mit seinem Verbundensein meinen
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[507/0531] fehlt — so stellen wir uns doch unvermeidlich die „Vorstellungen“ als eine Art Wesen vor, die miteinander in die mechanischen Be- ziehungen des Verbindens und Trennens, des Hebens und Herab- drückens treten. Wir sind dabei überzeugt — und die Praxis giebt uns Recht — daſs diese, nach dem Typus anschaulicher Vorgänge geschehende Deutung des Inneren die Wirklichkeit dieses letzteren gültig vertritt, grade wie dem Astronomen die Rechnung auf dem Papiere die Bewegungen der Gestirne so erfolgreich repräsentiert, daſs das Resultat jener durchaus das Bild darstellt, das von dem Resultat der realen Kräfte bewahrheitet wird. Dieses Verhältnis aber wird nun auch rückläufig gültig, als Deutung des äuſseren Geschehens nach den Inhalten des Innenlebens. Ich meine hier nicht, daſs ja auch jenes von vorn herein nur eine Welt von Vorstellungen ist, sondern, nachdem einmal auf dieser oder einer andern erkenntnistheoretischen Basis ein relatives Auſsen einem rela- tiven Innern gegenübergestellt ist, dienen die spezifischen Erscheinungen des letzteren dazu, das erstere zu einem verständlichen Bilde zu ge- stalten. So kommt wohl der einheitliche Gegenstand aus der Summe seiner Eigenschaften, die er uns doch nur darbietet, nur so zu stande, daſs wir ihm die Einheitsform unseres Ich leihen, an der allein wir erfahren, wie eine Fülle von Bestimmungen und Schicksalen an einer beharrenden Einheit haften kann. Nicht anders dürfte es sich, wie man oft betont hat, mit der Kraft und der Ursächlichkeit äuſserer Dinge verhalten: die Gefühle der physisch-psychischen Spannung, des Impulses, der Willenshandlung projizieren wir in die Dinge hinein, und wenn wir hinter ihre unmittelbare Wahrnehmbarkeit jene deutenden Kategorien setzen, so orientieren wir uns eben in ihnen nach den Gefühlserfahrungen unserer Innerlichkeit. Und so stöſst man vielleicht, sobald man unter jener ersten Symbolisierung des Inneren durch das Körperhafte eine tiefere Schicht aufgräbt, auf den entgegengesetzten Zusammenhang. Wenn wir einen seelischen Vor- gang als Verbindung von Vorstellungen bezeichnen, so war dies aller- dings eine Erkenntnis seiner nach räumlichen Kategorien; aber diese Kategorie der Verbindung selbst hat vielleicht ihren Sinn und ihre Bedeutung in einem bloſs innerlichen, gar nicht anschaulichen Vorgang. Was wir als in der Auſsenwelt verbunden, d. h. doch, irgendwie ver- einheitlicht und in einander seiend, bezeichnen, bleibt doch in der Auſsenwelt ewig nebeneinander, und mit seinem Verbundensein meinen wir etwas, was nur aus unserem Inneren, allem Äuſseren unvergleich- bar, in die Dinge hineingefühlt werden kann: jenes also das Symbol für das, was uns an diesen nicht festzustellen und unmittelbar über-

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/531>, abgerufen am 25.04.2024.