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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. VI. SECTIO X.
SECTIO X.
Als vor einen furiosum in seinem guten inter-
vallo
die communion gesuchet wurde/ er aber
begangenen unglauben nicht erkennen
wollen.

JCh habe aus dem casu mit meinem collega/ um mehrer gewißheit wil-
len/ geredet: und sind wir beyde einer meinung/ daß nemlich nicht übel
gethan gewesen seye/ den furiosum bey seinem intervallo dennoch zu
differiren/ weil er auch auff gnugsame remonstration seinen begangenen schweh-
ren aberglauben dannoch nicht erkennen noch bereuen will/ welches ein zeugnüß
ist entweder eines äusserst unwissenden menschen/ der von dem willen seines GOt-
tes nichts verstehet/ oder einer schwehren verstockung in der boßheit: weswegen
er nicht in dem stand ist/ das Heil. Abendmahl zu geniessen/ so allein den buß-
fertigen und ihrer sünde wegen geängsteten zukommt: daher allezeit eher dahin zu
arbeiten ist/ wie die leute zur busse zu bereiten/ als zu dem Sacrament zu brin-
gen seyen. Daß nun der mann nachmal wieder mit vorigen furore befallen
worden/ muß man sich deswegen nicht reuen lassen/ ihn nicht admittiret zu ha-
ben/ und ist derjenigen hoffnung und sorge vergeblich/ die da meinen/ es solle
ihm der leib und blut Christi zu nutz gekommen/ und vielleicht das gefolgte übel
dardurch abgewendet worden seyn/ hingegen wäre die unterlassung eine ursa-
che der recidive. Vielmehr ist gewiß/ daß die niessung des Heil. Sacraments
bey denjenigen/ welche dessen nicht würdig sind/ die gefahr ihrer seelen nur ver-
mehret. Wie ich dann insgesamt sorge/ daß die so vielfältige unwürdige nies-
sung der theuren himmlischen güter/ so leider in unsern kirchen vorgehet/ und
bey ietzigem derselben betrübten zustand und mangel zulänglicher anstalten
auch von treuen dienern GOttes nicht gnug verhütet werden kan/ eine grosse
ursach schwerer göttlicher gerichte über unsre kirche seye; Ach daß sie denselben
nicht gar den untergang bringen! Wir haben ja offt gemeinden/ bey dero sehr
wenigen gliedern wir die rechte probe und kennzeichen der wiedergeburt finden/
(da doch diese mahlzeit allein den wahren/ ob zwar etwa schwachen/ kindern
GOttes gebühret/) die meisten sehen wir in der alten geburt offenbahr le-
ben/ oder haben doch unserer bessern hoffnung sehr geringe zeugnüssen: und
dannoch gehet alles zu der communion des jahres vielmal. Mit was nutzen/
oder vielmehr schaden/ ihrer seelen/ zeiget sich leider offenbahr an der zuneh-
menden verhärtung der meisten/ es wird sich aber sorglich zu seiner zeit noch
schwehrer weisen/ wo kein retten mehr seyn wird. Daher aller unser fleiß

viel-
e e
ARTIC. VI. SECTIO X.
SECTIO X.
Als vor einen furioſum in ſeinem guten inter-
vallo
die communion geſuchet wurde/ er aber
begangenen unglauben nicht erkennen
wollen.

JCh habe aus dem caſu mit meinem collega/ um mehrer gewißheit wil-
len/ geredet: und ſind wir beyde einer meinung/ daß nemlich nicht uͤbel
gethan geweſen ſeye/ den furioſum bey ſeinem intervallo dennoch zu
differiren/ weil er auch auff gnugſame remonſtration ſeinen begangenen ſchweh-
ren aberglauben dannoch nicht erkennen noch bereuen will/ welches ein zeugnuͤß
iſt entweder eines aͤuſſerſt unwiſſenden menſchen/ der von dem willen ſeines GOt-
tes nichts verſtehet/ oder einer ſchwehren verſtockung in der boßheit: weswegen
er nicht in dem ſtand iſt/ das Heil. Abendmahl zu genieſſen/ ſo allein den buß-
fertigen und ihrer ſuͤnde wegen geaͤngſteten zukommt: daher allezeit eher dahin zu
arbeiten iſt/ wie die leute zur buſſe zu bereiten/ als zu dem Sacrament zu brin-
gen ſeyen. Daß nun der mann nachmal wieder mit vorigen furore befallen
worden/ muß man ſich deswegen nicht reuen laſſen/ ihn nicht admittiret zu ha-
ben/ und iſt derjenigen hoffnung und ſorge vergeblich/ die da meinen/ es ſolle
ihm der leib und blut Chriſti zu nutz gekommen/ und vielleicht das gefolgte uͤbel
dardurch abgewendet worden ſeyn/ hingegen waͤre die unterlaſſung eine urſa-
che der recidive. Vielmehr iſt gewiß/ daß die nieſſung des Heil. Sacraments
bey denjenigen/ welche deſſen nicht wuͤrdig ſind/ die gefahr ihrer ſeelen nur ver-
mehret. Wie ich dann insgeſamt ſorge/ daß die ſo vielfaͤltige unwuͤrdige nieſ-
ſung der theuren himmliſchen guͤter/ ſo leider in unſern kirchen vorgehet/ und
bey ietzigem derſelben betruͤbten zuſtand und mangel zulaͤnglicher anſtalten
auch von treuen dienern GOttes nicht gnug verhuͤtet werden kan/ eine groſſe
urſach ſchwerer goͤttlicher gerichte uͤber unſre kirche ſeye; Ach daß ſie denſelben
nicht gar den untergang bringen! Wir haben ja offt gemeinden/ bey dero ſehr
wenigen gliedern wir die rechte probe und kennzeichen der wiedergeburt finden/
(da doch dieſe mahlzeit allein den wahren/ ob zwar etwa ſchwachen/ kindern
GOttes gebuͤhret/) die meiſten ſehen wir in der alten geburt offenbahr le-
ben/ oder haben doch unſerer beſſern hoffnung ſehr geringe zeugnuͤſſen: und
dannoch gehet alles zu der communion des jahres vielmal. Mit was nutzen/
oder vielmehr ſchaden/ ihrer ſeelen/ zeiget ſich leider offenbahr an der zuneh-
menden verhaͤrtung der meiſten/ es wird ſich aber ſorglich zu ſeiner zeit noch
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viel-
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[217/1017] ARTIC. VI. SECTIO X. SECTIO X. Als vor einen furioſum in ſeinem guten inter- vallo die communion geſuchet wurde/ er aber begangenen unglauben nicht erkennen wollen. JCh habe aus dem caſu mit meinem collega/ um mehrer gewißheit wil- len/ geredet: und ſind wir beyde einer meinung/ daß nemlich nicht uͤbel gethan geweſen ſeye/ den furioſum bey ſeinem intervallo dennoch zu differiren/ weil er auch auff gnugſame remonſtration ſeinen begangenen ſchweh- ren aberglauben dannoch nicht erkennen noch bereuen will/ welches ein zeugnuͤß iſt entweder eines aͤuſſerſt unwiſſenden menſchen/ der von dem willen ſeines GOt- tes nichts verſtehet/ oder einer ſchwehren verſtockung in der boßheit: weswegen er nicht in dem ſtand iſt/ das Heil. Abendmahl zu genieſſen/ ſo allein den buß- fertigen und ihrer ſuͤnde wegen geaͤngſteten zukommt: daher allezeit eher dahin zu arbeiten iſt/ wie die leute zur buſſe zu bereiten/ als zu dem Sacrament zu brin- gen ſeyen. Daß nun der mann nachmal wieder mit vorigen furore befallen worden/ muß man ſich deswegen nicht reuen laſſen/ ihn nicht admittiret zu ha- ben/ und iſt derjenigen hoffnung und ſorge vergeblich/ die da meinen/ es ſolle ihm der leib und blut Chriſti zu nutz gekommen/ und vielleicht das gefolgte uͤbel dardurch abgewendet worden ſeyn/ hingegen waͤre die unterlaſſung eine urſa- che der recidive. Vielmehr iſt gewiß/ daß die nieſſung des Heil. Sacraments bey denjenigen/ welche deſſen nicht wuͤrdig ſind/ die gefahr ihrer ſeelen nur ver- mehret. Wie ich dann insgeſamt ſorge/ daß die ſo vielfaͤltige unwuͤrdige nieſ- ſung der theuren himmliſchen guͤter/ ſo leider in unſern kirchen vorgehet/ und bey ietzigem derſelben betruͤbten zuſtand und mangel zulaͤnglicher anſtalten auch von treuen dienern GOttes nicht gnug verhuͤtet werden kan/ eine groſſe urſach ſchwerer goͤttlicher gerichte uͤber unſre kirche ſeye; Ach daß ſie denſelben nicht gar den untergang bringen! Wir haben ja offt gemeinden/ bey dero ſehr wenigen gliedern wir die rechte probe und kennzeichen der wiedergeburt finden/ (da doch dieſe mahlzeit allein den wahren/ ob zwar etwa ſchwachen/ kindern GOttes gebuͤhret/) die meiſten ſehen wir in der alten geburt offenbahr le- ben/ oder haben doch unſerer beſſern hoffnung ſehr geringe zeugnuͤſſen: und dannoch gehet alles zu der communion des jahres vielmal. Mit was nutzen/ oder vielmehr ſchaden/ ihrer ſeelen/ zeiget ſich leider offenbahr an der zuneh- menden verhaͤrtung der meiſten/ es wird ſich aber ſorglich zu ſeiner zeit noch ſchwehrer weiſen/ wo kein retten mehr ſeyn wird. Daher aller unſer fleiß viel- e e

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1017>, abgerufen am 24.04.2024.