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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
nicht stehet/ vor GOtt entschuldiget. Dieses alles in der furcht des HErrn
erwogen/ hoffe/ werde auch geliebten bruders gewissen/ wo nicht gantz und
gar/ wie ich weiß/ solches schwehr herzugehen/ beruhigen/ doch dessen angst
durch göttliche gnade mercklich lindern und erträglich machen: so ich hertzlich
wünsche. Also lasset uns mit gedult uns in die zeiten dieser unordnung in der
kirchen schicken/ was wir mit allem unserm fleiß zu ändern nicht vermögen/
tragen/ an den jenigen/ welche sich dem göttlichen gehorsam willig bequemen/
desto fleißiger und emsiger arbeiten/ den widerspenstigen aber die gefahr ih-
rer seelen stäts vorstellen/ und sie treulich warnen/ daß sie einmal/ wie es ih-
nen nicht gesagt wäre/ nicht einwenden mögen/ wen wir abzuhalten die macht
nicht haben/ mit seufftzen zulassen/ und endlich der hülffe des HErren/ wenn
er sich seiner armen kirchen nach Psalm. 12/ 6. kräfftig annehmen werde/ in
glauben und hoffnung erwarten. 1695.

SECTIO XXIII.
Von zulassung der besorglich unwürdigen zum
Heil. Abendmahl.

WAs den in meinen schooß ausgeschütteten kummer anlangt/ glaube der-
selbe gewiß/ daß wenige treue diener des HErren seyn/ die nicht sowol
als er damit geängstiget werden: so ist es auch mein so viel schwehrers
anligen/ weilen ich so offt in der sache von Christlichen mitbrüdern/ die unter
der presse stecken/ rath gefraget worden/ und aber denselben in gegenwärti-
gem zustand mit solchem rath nicht an hand zugehen weiß/ der ihnen auch
wircklich hülffe schaffte/ und also ihre gewissen völlig beruhigte. Aber wir
müssen den jammer unsrer kirchen mehr beseufftzen/ als daß wir eine menschli-
che zulängliche hülffe solten bereits sehen können: dieweil in gegenwärtiger
verfassung der kirchen/ da wir so weit von der ersten Apostolischen ordnung
wegen der presbyteriorum entfernet/ keine gnugsame ordnung leicht gemacht
werden kan/ zu derselben aber wieder zukommen eine sache ist/ die über mensch-
liche kräffte/ und was sich zu dieser zeit hoffen lässet/ gehet. Da also dem ü-
bel nicht aus dem grunde zu helffen/ müssen wir doch sehen/ wie etlicher mas-
sen dasselbe verringert werden könte. Was zwahr die jenige anlangt/ wel-
che also offenbahrlich unbußfertig sind/ daß sie auch keine besserung zusagen
wollen/ hoffe nicht leicht/ daß jemand so unverschämt seyn würde/ welcher ei-
nen prediger dieselbe zu absolviren und zuzulassen zwingen solle; sondern tra-
ge noch zu allen consistoriis dieses vertrauen/ daß sie damit treuer prediger
gewissen nicht belasten werden. Es kommet aber mehr auff die jenige an/
die auff thuenden zuspruch allezeit besserung zusagen/ und doch niemals hal-

ten/

Das andere Capitel.
nicht ſtehet/ vor GOtt entſchuldiget. Dieſes alles in der furcht des HErrn
erwogen/ hoffe/ werde auch geliebten bruders gewiſſen/ wo nicht gantz und
gar/ wie ich weiß/ ſolches ſchwehr herzugehen/ beruhigen/ doch deſſen angſt
durch goͤttliche gnade mercklich lindern und ertraͤglich machen: ſo ich hertzlich
wuͤnſche. Alſo laſſet uns mit gedult uns in die zeiten dieſer unordnung in der
kirchen ſchicken/ was wir mit allem unſerm fleiß zu aͤndern nicht vermoͤgen/
tragen/ an den jenigen/ welche ſich dem goͤttlichen gehorſam willig bequemen/
deſto fleißiger und emſiger arbeiten/ den widerſpenſtigen aber die gefahr ih-
rer ſeelen ſtaͤts vorſtellen/ und ſie treulich warnen/ daß ſie einmal/ wie es ih-
nen nicht geſagt waͤre/ nicht einwenden moͤgen/ wen wir abzuhalten die macht
nicht haben/ mit ſeufftzen zulaſſen/ und endlich der huͤlffe des HErren/ wenn
er ſich ſeiner armen kirchen nach Pſalm. 12/ 6. kraͤfftig annehmen werde/ in
glauben und hoffnung erwarten. 1695.

SECTIO XXIII.
Von zulaſſung der beſorglich unwuͤrdigen zum
Heil. Abendmahl.

WAs den in meinen ſchooß ausgeſchuͤtteten kum̃er anlangt/ glaube der-
ſelbe gewiß/ daß wenige treue diener des HErren ſeyn/ die nicht ſowol
als er damit geaͤngſtiget werden: ſo iſt es auch mein ſo viel ſchwehrers
anligen/ weilen ich ſo offt in der ſache von Chriſtlichen mitbruͤdern/ die unter
der preſſe ſtecken/ rath gefraget worden/ und aber denſelben in gegenwaͤrti-
gem zuſtand mit ſolchem rath nicht an hand zugehen weiß/ der ihnen auch
wircklich huͤlffe ſchaffte/ und alſo ihre gewiſſen voͤllig beruhigte. Aber wir
muͤſſen den jammer unſrer kirchen mehr beſeufftzen/ als daß wir eine menſchli-
che zulaͤngliche huͤlffe ſolten bereits ſehen koͤnnen: dieweil in gegenwaͤrtiger
verfaſſung der kirchen/ da wir ſo weit von der erſten Apoſtoliſchen ordnung
wegen der presbyteriorum entfernet/ keine gnugſame ordnung leicht gemacht
werden kan/ zu derſelben aber wieder zukommen eine ſache iſt/ die uͤber menſch-
liche kraͤffte/ und was ſich zu dieſer zeit hoffen laͤſſet/ gehet. Da alſo dem uͤ-
bel nicht aus dem grunde zu helffen/ muͤſſen wir doch ſehen/ wie etlicher maſ-
ſen daſſelbe verringert werden koͤnte. Was zwahr die jenige anlangt/ wel-
che alſo offenbahrlich unbußfertig ſind/ daß ſie auch keine beſſerung zuſagen
wollen/ hoffe nicht leicht/ daß jemand ſo unverſchaͤmt ſeyn wuͤrde/ welcher ei-
nen prediger dieſelbe zu abſolviren und zuzulaſſen zwingen ſolle; ſondern tra-
ge noch zu allen conſiſtoriis dieſes vertrauen/ daß ſie damit treuer prediger
gewiſſen nicht belaſten werden. Es kommet aber mehr auff die jenige an/
die auff thuenden zuſpruch allezeit beſſerung zuſagen/ und doch niemals hal-

ten/
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[266/1066] Das andere Capitel. nicht ſtehet/ vor GOtt entſchuldiget. Dieſes alles in der furcht des HErrn erwogen/ hoffe/ werde auch geliebten bruders gewiſſen/ wo nicht gantz und gar/ wie ich weiß/ ſolches ſchwehr herzugehen/ beruhigen/ doch deſſen angſt durch goͤttliche gnade mercklich lindern und ertraͤglich machen: ſo ich hertzlich wuͤnſche. Alſo laſſet uns mit gedult uns in die zeiten dieſer unordnung in der kirchen ſchicken/ was wir mit allem unſerm fleiß zu aͤndern nicht vermoͤgen/ tragen/ an den jenigen/ welche ſich dem goͤttlichen gehorſam willig bequemen/ deſto fleißiger und emſiger arbeiten/ den widerſpenſtigen aber die gefahr ih- rer ſeelen ſtaͤts vorſtellen/ und ſie treulich warnen/ daß ſie einmal/ wie es ih- nen nicht geſagt waͤre/ nicht einwenden moͤgen/ wen wir abzuhalten die macht nicht haben/ mit ſeufftzen zulaſſen/ und endlich der huͤlffe des HErren/ wenn er ſich ſeiner armen kirchen nach Pſalm. 12/ 6. kraͤfftig annehmen werde/ in glauben und hoffnung erwarten. 1695. SECTIO XXIII. Von zulaſſung der beſorglich unwuͤrdigen zum Heil. Abendmahl. WAs den in meinen ſchooß ausgeſchuͤtteten kum̃er anlangt/ glaube der- ſelbe gewiß/ daß wenige treue diener des HErren ſeyn/ die nicht ſowol als er damit geaͤngſtiget werden: ſo iſt es auch mein ſo viel ſchwehrers anligen/ weilen ich ſo offt in der ſache von Chriſtlichen mitbruͤdern/ die unter der preſſe ſtecken/ rath gefraget worden/ und aber denſelben in gegenwaͤrti- gem zuſtand mit ſolchem rath nicht an hand zugehen weiß/ der ihnen auch wircklich huͤlffe ſchaffte/ und alſo ihre gewiſſen voͤllig beruhigte. Aber wir muͤſſen den jammer unſrer kirchen mehr beſeufftzen/ als daß wir eine menſchli- che zulaͤngliche huͤlffe ſolten bereits ſehen koͤnnen: dieweil in gegenwaͤrtiger verfaſſung der kirchen/ da wir ſo weit von der erſten Apoſtoliſchen ordnung wegen der presbyteriorum entfernet/ keine gnugſame ordnung leicht gemacht werden kan/ zu derſelben aber wieder zukommen eine ſache iſt/ die uͤber menſch- liche kraͤffte/ und was ſich zu dieſer zeit hoffen laͤſſet/ gehet. Da alſo dem uͤ- bel nicht aus dem grunde zu helffen/ muͤſſen wir doch ſehen/ wie etlicher maſ- ſen daſſelbe verringert werden koͤnte. Was zwahr die jenige anlangt/ wel- che alſo offenbahrlich unbußfertig ſind/ daß ſie auch keine beſſerung zuſagen wollen/ hoffe nicht leicht/ daß jemand ſo unverſchaͤmt ſeyn wuͤrde/ welcher ei- nen prediger dieſelbe zu abſolviren und zuzulaſſen zwingen ſolle; ſondern tra- ge noch zu allen conſiſtoriis dieſes vertrauen/ daß ſie damit treuer prediger gewiſſen nicht belaſten werden. Es kommet aber mehr auff die jenige an/ die auff thuenden zuſpruch allezeit beſſerung zuſagen/ und doch niemals hal- ten/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1066>, abgerufen am 28.03.2024.