Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

SECTIO XXIII.
viel böse unter ihnen wären/ die sich doch alle als wiedergebohrne Christen al-
ler göttlichen gnaden-güter annehmen wolten/ und sie gleichwol nicht vor
wiedergebohrnen erkennen konte/ indem vielmehr alle zeichen der herrschen-
den alten gebuhrt an ihnen waren/ so fiel er darauff/ daß dann in der tauff
die wiedergebuhrt nicht geschehe/ weil ja so viel getauffte unwiedergebohren
wären: sondern es seye die tauffe nur ein siegel der wiedergebuhrt bey denen/
so vorhin durch den glauben wiedergebohren worden: daher er auch dahin
verfallen/ weil er der tauff die wirckende krafft abgesprochen/ davor zu hal-
ten/ daß sie auch keinen glauben in den kindern wircke. Aus allem diesem
hätte er sich wickeln können/ wann er unsrer kirchen lehr von der krafft der
tauff/ und wie in dieselbe alle macht des todes und aufferstehung Christi ge-
leget seye/ aus deren jenem die sünde vergeben/ aus dieser das leben der wie-
dergebuhrt gewircket werde/ recht gefasset hätte: ob dann nun so viel 100 und
1000 vor diesem getauffte nunmehr ohne wiedergebuhrt seynd/ und also erst
wiedergebohren müssen werden/ folget doch nicht/ daß sie nicht vorhin ein-
mal in der tauff wiedergebohren worden seyen/ sondern nur/ daß sie solche
neue gebuhrt wieder verlohren haben/ die deßwegen zu ihrer seligkeit/ obwol
ohne wiederhohlung der tauff/ nochmals wiederhohlet werden muß. Da-
von ich aber auch in meinen predigten von der wiedergebuhrt mit mehren ge-
handelt habe. Also auch was den glauben der kinder anlangt/ wird derjeni-
ge solchen zuzugeben nicht so schwehr finden/ der betrachtet/ daß der glaube
nicht eine wirckung unsers verstandes/ sondern ein liecht GOttes in die seele
gegeben oder darinnen entzündet seye: welches ja GOtt so wol bey kindern
als andern thun kan.

III.
Ob der spruch 1. Joh. 3/ 20. ein trost-spruch seye oder vielmehr schrecke?

JCh bekenne/ daß ich denselben allezeit in jener absicht gebrauche/ und ihn
deswegen auch angefochtenen vorhalte/ hingegen nicht weniger/ daß nicht
nur Erasmus Schmidius sondern auch andere lehrer darinnen von mir abge-
hen. Jch finde aber nicht ursach jenen tröstlichen verstand zu verlassen/ son-
dern halte davor/ daß die ordnung der gantzen rede des Apostels uns viel-
mehr auff denselben führe. Worzu nicht undienlich/ die paraphrasin Herr
D. Seb. Schmidii über die etliche vers anzusehen: v. 19. Und daß ich nun
fortfahre in beweisen/ daß die liebe der brüder seye ein beweiß und
kennzeichen der kinder GOttes: daran oder daraus was jetzt gesagt/
so wir nemlich mit der that und mit wahrheit lieben/ erkennen
wir/ nicht durch eine glaubliche muthmassung/ sondern durch ge-
wisse überführung/ weil nemlich unser glaube durch die liebe wir-

cket/
X 3

SECTIO XXIII.
viel boͤſe unter ihnen waͤren/ die ſich doch alle als wiedergebohrne Chriſten al-
ler goͤttlichen gnaden-guͤter annehmen wolten/ und ſie gleichwol nicht vor
wiedergebohrnen erkennen konte/ indem vielmehr alle zeichen der herrſchen-
den alten gebuhrt an ihnen waren/ ſo fiel er darauff/ daß dann in der tauff
die wiedergebuhrt nicht geſchehe/ weil ja ſo viel getauffte unwiedergebohren
waͤren: ſondern es ſeye die tauffe nur ein ſiegel der wiedergebuhrt bey denen/
ſo vorhin durch den glauben wiedergebohren worden: daher er auch dahin
verfallen/ weil er der tauff die wirckende krafft abgeſprochen/ davor zu hal-
ten/ daß ſie auch keinen glauben in den kindern wircke. Aus allem dieſem
haͤtte er ſich wickeln koͤnnen/ wann er unſrer kirchen lehr von der krafft der
tauff/ und wie in dieſelbe alle macht des todes und aufferſtehung Chriſti ge-
leget ſeye/ aus deren jenem die ſuͤnde vergeben/ aus dieſer das leben der wie-
dergebuhrt gewircket werde/ recht gefaſſet haͤtte: ob dann nun ſo viel 100 und
1000 vor dieſem getauffte nunmehr ohne wiedergebuhrt ſeynd/ und alſo erſt
wiedergebohren muͤſſen werden/ folget doch nicht/ daß ſie nicht vorhin ein-
mal in der tauff wiedergebohren worden ſeyen/ ſondern nur/ daß ſie ſolche
neue gebuhrt wieder verlohren haben/ die deßwegen zu ihrer ſeligkeit/ obwol
ohne wiederhohlung der tauff/ nochmals wiederhohlet werden muß. Da-
von ich aber auch in meinen predigten von der wiedergebuhrt mit mehren ge-
handelt habe. Alſo auch was den glauben der kinder anlangt/ wird derjeni-
ge ſolchen zuzugeben nicht ſo ſchwehr finden/ der betrachtet/ daß der glaube
nicht eine wirckung unſers verſtandes/ ſondern ein liecht GOttes in die ſeele
gegeben oder darinnen entzuͤndet ſeye: welches ja GOtt ſo wol bey kindern
als andern thun kan.

III.
Ob der ſpruch 1. Joh. 3/ 20. ein troſt-ſpruch ſeye oder vielmehr ſchrecke?

JCh bekenne/ daß ich denſelben allezeit in jener abſicht gebrauche/ und ihn
deswegen auch angefochtenen vorhalte/ hingegen nicht weniger/ daß nicht
nur Eraſmus Schmidius ſondern auch andere lehrer darinnen von mir abge-
hen. Jch finde aber nicht urſach jenen troͤſtlichen verſtand zu verlaſſen/ ſon-
dern halte davor/ daß die ordnung der gantzen rede des Apoſtels uns viel-
mehr auff denſelben fuͤhre. Worzu nicht undienlich/ die paraphraſin Herr
D. Seb. Schmidii uͤber die etliche vers anzuſehen: v. 19. Und daß ich nun
fortfahre in beweiſen/ daß die liebe der bruͤder ſeye ein beweiß und
kennzeichen der kinder GOttes: daran oder daraus was jetzt geſagt/
ſo wir nemlich mit der that und mit wahrheit lieben/ erkennen
wir/ nicht durch eine glaubliche muthmaſſung/ ſondern durch ge-
wiſſe uͤberfuͤhrung/ weil nemlich unſer glaube durch die liebe wir-

cket/
X 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0181" n="165"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XXIII.</hi></hi></hi></fw><lb/>
viel bo&#x0364;&#x017F;e unter ihnen wa&#x0364;ren/ die &#x017F;ich doch alle als wiedergebohrne Chri&#x017F;ten al-<lb/>
ler go&#x0364;ttlichen gnaden-gu&#x0364;ter annehmen wolten/ und &#x017F;ie gleichwol nicht vor<lb/>
wiedergebohrnen erkennen konte/ indem vielmehr alle zeichen der herr&#x017F;chen-<lb/>
den alten gebuhrt an ihnen waren/ &#x017F;o fiel er darauff/ daß dann in der tauff<lb/>
die wiedergebuhrt nicht ge&#x017F;chehe/ weil ja &#x017F;o viel getauffte unwiedergebohren<lb/>
wa&#x0364;ren: &#x017F;ondern es &#x017F;eye die tauffe nur ein &#x017F;iegel der wiedergebuhrt bey denen/<lb/>
&#x017F;o vorhin durch den glauben wiedergebohren worden: daher er auch dahin<lb/>
verfallen/ weil er der tauff die wirckende krafft abge&#x017F;prochen/ davor zu hal-<lb/>
ten/ daß &#x017F;ie auch keinen glauben in den kindern wircke. Aus allem die&#x017F;em<lb/>
ha&#x0364;tte er &#x017F;ich wickeln ko&#x0364;nnen/ wann er un&#x017F;rer kirchen lehr von der krafft der<lb/>
tauff/ und wie in die&#x017F;elbe alle macht des todes und auffer&#x017F;tehung Chri&#x017F;ti ge-<lb/>
leget &#x017F;eye/ aus deren jenem die &#x017F;u&#x0364;nde vergeben/ aus die&#x017F;er das leben der wie-<lb/>
dergebuhrt gewircket werde/ recht gefa&#x017F;&#x017F;et ha&#x0364;tte: ob dann nun &#x017F;o viel 100 und<lb/>
1000 vor die&#x017F;em getauffte nunmehr ohne wiedergebuhrt &#x017F;eynd/ und al&#x017F;o er&#x017F;t<lb/>
wiedergebohren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en werden/ folget doch nicht/ daß &#x017F;ie nicht vorhin ein-<lb/>
mal in der tauff wiedergebohren worden &#x017F;eyen/ &#x017F;ondern nur/ daß &#x017F;ie &#x017F;olche<lb/>
neue gebuhrt wieder verlohren haben/ die deßwegen zu ihrer &#x017F;eligkeit/ obwol<lb/>
ohne wiederhohlung der tauff/ nochmals wiederhohlet werden muß. Da-<lb/>
von ich aber auch in meinen predigten von der wiedergebuhrt mit mehren ge-<lb/>
handelt habe. Al&#x017F;o auch was den glauben der kinder anlangt/ wird derjeni-<lb/>
ge &#x017F;olchen zuzugeben nicht &#x017F;o &#x017F;chwehr finden/ der betrachtet/ daß der glaube<lb/>
nicht eine wirckung un&#x017F;ers ver&#x017F;tandes/ &#x017F;ondern ein liecht GOttes in die &#x017F;eele<lb/>
gegeben oder darinnen entzu&#x0364;ndet &#x017F;eye: welches ja GOtt &#x017F;o wol bey kindern<lb/>
als andern thun kan.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">III.</hi></hi><lb/>
Ob der &#x017F;pruch 1. Joh. 3/ 20. ein tro&#x017F;t-&#x017F;pruch &#x017F;eye oder vielmehr &#x017F;chrecke?</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">J</hi>Ch bekenne/ daß ich den&#x017F;elben allezeit in jener ab&#x017F;icht gebrauche/ und ihn<lb/>
deswegen auch angefochtenen vorhalte/ hingegen nicht weniger/ daß nicht<lb/>
nur <hi rendition="#aq">Era&#x017F;mus Schmidius</hi> &#x017F;ondern auch andere lehrer darinnen von mir abge-<lb/>
hen. Jch finde aber nicht ur&#x017F;ach jenen tro&#x0364;&#x017F;tlichen ver&#x017F;tand zu verla&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;on-<lb/>
dern halte davor/ daß die ordnung der gantzen rede des Apo&#x017F;tels uns viel-<lb/>
mehr auff den&#x017F;elben fu&#x0364;hre. Worzu nicht undienlich/ die <hi rendition="#aq">paraphra&#x017F;in</hi> Herr<lb/><hi rendition="#aq">D. Seb. Schmidii</hi> u&#x0364;ber die etliche vers anzu&#x017F;ehen: v. 19. <hi rendition="#fr">Und daß ich nun<lb/>
fortfahre in bewei&#x017F;en/ daß die liebe der bru&#x0364;der &#x017F;eye ein beweiß und<lb/>
kennzeichen der kinder GOttes: daran oder daraus was jetzt ge&#x017F;agt/<lb/>
&#x017F;o wir nemlich mit der that und mit wahrheit lieben/ erkennen<lb/>
wir/ nicht durch eine glaubliche muthma&#x017F;&#x017F;ung/ &#x017F;ondern durch ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e u&#x0364;berfu&#x0364;hrung/ weil nemlich un&#x017F;er glaube durch die liebe wir-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">cket/</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0181] SECTIO XXIII. viel boͤſe unter ihnen waͤren/ die ſich doch alle als wiedergebohrne Chriſten al- ler goͤttlichen gnaden-guͤter annehmen wolten/ und ſie gleichwol nicht vor wiedergebohrnen erkennen konte/ indem vielmehr alle zeichen der herrſchen- den alten gebuhrt an ihnen waren/ ſo fiel er darauff/ daß dann in der tauff die wiedergebuhrt nicht geſchehe/ weil ja ſo viel getauffte unwiedergebohren waͤren: ſondern es ſeye die tauffe nur ein ſiegel der wiedergebuhrt bey denen/ ſo vorhin durch den glauben wiedergebohren worden: daher er auch dahin verfallen/ weil er der tauff die wirckende krafft abgeſprochen/ davor zu hal- ten/ daß ſie auch keinen glauben in den kindern wircke. Aus allem dieſem haͤtte er ſich wickeln koͤnnen/ wann er unſrer kirchen lehr von der krafft der tauff/ und wie in dieſelbe alle macht des todes und aufferſtehung Chriſti ge- leget ſeye/ aus deren jenem die ſuͤnde vergeben/ aus dieſer das leben der wie- dergebuhrt gewircket werde/ recht gefaſſet haͤtte: ob dann nun ſo viel 100 und 1000 vor dieſem getauffte nunmehr ohne wiedergebuhrt ſeynd/ und alſo erſt wiedergebohren muͤſſen werden/ folget doch nicht/ daß ſie nicht vorhin ein- mal in der tauff wiedergebohren worden ſeyen/ ſondern nur/ daß ſie ſolche neue gebuhrt wieder verlohren haben/ die deßwegen zu ihrer ſeligkeit/ obwol ohne wiederhohlung der tauff/ nochmals wiederhohlet werden muß. Da- von ich aber auch in meinen predigten von der wiedergebuhrt mit mehren ge- handelt habe. Alſo auch was den glauben der kinder anlangt/ wird derjeni- ge ſolchen zuzugeben nicht ſo ſchwehr finden/ der betrachtet/ daß der glaube nicht eine wirckung unſers verſtandes/ ſondern ein liecht GOttes in die ſeele gegeben oder darinnen entzuͤndet ſeye: welches ja GOtt ſo wol bey kindern als andern thun kan. III. Ob der ſpruch 1. Joh. 3/ 20. ein troſt-ſpruch ſeye oder vielmehr ſchrecke? JCh bekenne/ daß ich denſelben allezeit in jener abſicht gebrauche/ und ihn deswegen auch angefochtenen vorhalte/ hingegen nicht weniger/ daß nicht nur Eraſmus Schmidius ſondern auch andere lehrer darinnen von mir abge- hen. Jch finde aber nicht urſach jenen troͤſtlichen verſtand zu verlaſſen/ ſon- dern halte davor/ daß die ordnung der gantzen rede des Apoſtels uns viel- mehr auff denſelben fuͤhre. Worzu nicht undienlich/ die paraphraſin Herr D. Seb. Schmidii uͤber die etliche vers anzuſehen: v. 19. Und daß ich nun fortfahre in beweiſen/ daß die liebe der bruͤder ſeye ein beweiß und kennzeichen der kinder GOttes: daran oder daraus was jetzt geſagt/ ſo wir nemlich mit der that und mit wahrheit lieben/ erkennen wir/ nicht durch eine glaubliche muthmaſſung/ ſondern durch ge- wiſſe uͤberfuͤhrung/ weil nemlich unſer glaube durch die liebe wir- cket/ X 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/181
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/181>, abgerufen am 19.04.2024.