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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
SECTIO XLVIII.
Von träumen.

VOn dem was einiger träume wegen geschrieben worden/ kan nicht zur
gnüge antworten. 1. Jsts an dem/ daß die meiste unsere träume blosse
wirckungen unsrer phantasie sind/ und sich nach dem temperament, o-
der auch jedesmaliger beschaffenheit des menschen/ zimlich richten/ und sich
also aus denselben von künfftigen dingen nichts schliessen lasse. 2. Wo einer
eine göttliche glaubens-offenbahrung aus einem traume sich einbilden wol-
te/ den würde ich hertzlich warnen/ vor dem betrug des satans und seines eig-
nen hertzens sich zu hüten/ nachdem sich der HErr uns in solchen stücken gnug-
sam durch ein festeres prophetisches und Apostolisches geschriebenes wort ge-
offenbahret hat. 3. Was aber träume von andern materien anlangt/ erken-
ne ich gern/ daß GOtt noch unterschiedlich (wie mir dann zimlich denckwür-
dige exempel davon bekant worden sind) einigen der seinigen etwas dessen im
traum zeige/ was ihnen bevorstehet/ und womit er sie entweder warnet oder
tröstet: wie mir dann selbs vor 3. jahren in meiner vor tödtlich gehaltenen
schwachheit GOtt durch einen doppelten traum in einer nacht/ daß ich noch
länger in diesem irrdischen bleiben solte/ zimlich deutlich gewiesen hat. Aus-
ser welchem einigem exempel ich zwahr an mir niemals etwas dergleichen er-
fahren/ aber stracks als der traum ausgewesen/ in meinem hertzen die über-
zeugung der deutung gehabt habe. Wie ich dann 4. dieses als ein fast un-
absonderliches zeugnüß eines recht göttlichentraums halte/ daß gemeinig-
lich/ wo GOtt einen menschen damit erinnert/ derselbe dermassen davon ein-
genommen wird/ daß er unmüglich daran zweiflen kan/ daß solcher von Gott
seye/ aus der dadurch in das hertz getruckten überzeugung/ und wo mans ihm
aus dem sinn zu bringen sich bemühet/ kann er doch dem widerspruch des her-
tzens/ ob er wol wolte/ nicht gnug begegnen. 5. Wo diese überzeugung und
starcker eintruck nicht ist/ bekenne ich/ daß ich fast zweiffele an der göttlichkeit
eines traums/ ob zwahr nicht bloß dahin versichern kan/ ob GOtt nicht zu-
weilen in eine seele in dem schlaff auch einen strahl oder liecht von etwas künf-
tiges so schiessen lassen möge/ daß sie zwahr damit/ aber etwas schwächlicher/
und also gerühret werde/ daß damit noch nicht aller zweiffel/ woher der traum
komme/ überwunden wird. Denn ob wol jene erste art sich an den exempeln
der Propheten auch vielen andern/ deren theils in der schrifft meldung geschi-
het/ und die was ihnen geträumet/ ob sie schon gewolt/ nicht aus dem sinn zu
schlagen vermocht/ weiset/ und der göttlichen ehre und weißheit am gemässe-
sten scheinet zu seyn/ so sind doch GOttes wege so unbegreiflich/ daß wir nicht

so
Das erſte Capitel.
SECTIO XLVIII.
Von traͤumen.

VOn dem was einiger traͤume wegen geſchrieben worden/ kan nicht zur
gnuͤge antworten. 1. Jſts an dem/ daß die meiſte unſere traͤume bloſſe
wirckungen unſrer phantaſie ſind/ und ſich nach dem temperament, o-
der auch jedesmaliger beſchaffenheit des menſchen/ zimlich richten/ und ſich
alſo aus denſelben von kuͤnfftigen dingen nichts ſchlieſſen laſſe. 2. Wo einer
eine goͤttliche glaubens-offenbahrung aus einem traume ſich einbilden wol-
te/ den wuͤrde ich hertzlich warnen/ vor dem betrug des ſatans und ſeines eig-
nen hertzens ſich zu huͤten/ nachdem ſich der HErr uns in ſolchen ſtuͤcken gnug-
ſam durch ein feſteres prophetiſches und Apoſtoliſches geſchriebenes wort ge-
offenbahret hat. 3. Was aber traͤume von andern materien anlangt/ erken-
ne ich gern/ daß GOtt noch unterſchiedlich (wie mir dann zimlich denckwuͤr-
dige exempel davon bekant worden ſind) einigen der ſeinigen etwas deſſen im
traum zeige/ was ihnen bevorſtehet/ und womit er ſie entweder warnet oder
troͤſtet: wie mir dann ſelbs vor 3. jahren in meiner vor toͤdtlich gehaltenen
ſchwachheit GOtt durch einen doppelten traum in einer nacht/ daß ich noch
laͤnger in dieſem irrdiſchen bleiben ſolte/ zimlich deutlich gewieſen hat. Auſ-
ſer welchem einigem exempel ich zwahr an mir niemals etwas dergleichen er-
fahren/ aber ſtracks als der traum ausgeweſen/ in meinem hertzen die uͤber-
zeugung der deutung gehabt habe. Wie ich dann 4. dieſes als ein faſt un-
abſonderliches zeugnuͤß eines recht goͤttlichentraums halte/ daß gemeinig-
lich/ wo GOtt einen menſchen damit erinnert/ derſelbe dermaſſen davon ein-
genommen wird/ daß er unmuͤglich daran zweiflen kan/ daß ſolcher von Gott
ſeye/ aus der dadurch in das hertz getruckten uͤberzeugung/ und wo mans ihm
aus dem ſinn zu bringen ſich bemuͤhet/ kann er doch dem widerſpruch des her-
tzens/ ob er wol wolte/ nicht gnug begegnen. 5. Wo dieſe uͤberzeugung und
ſtarcker eintruck nicht iſt/ bekenne ich/ daß ich faſt zweiffele an der goͤttlichkeit
eines traums/ ob zwahr nicht bloß dahin verſichern kan/ ob GOtt nicht zu-
weilen in eine ſeele in dem ſchlaff auch einen ſtrahl oder liecht von etwas kuͤnf-
tiges ſo ſchieſſen laſſen moͤge/ daß ſie zwahr damit/ aber etwas ſchwaͤchlicher/
und alſo geruͤhret werde/ daß damit noch nicht aller zweiffel/ woher der traum
komme/ uͤberwunden wird. Denn ob wol jene erſte art ſich an den exempeln
der Propheten auch vielen andern/ deren theils in der ſchrifft meldung geſchi-
het/ und die was ihnen getraͤumet/ ob ſie ſchon gewolt/ nicht aus dem ſinn zu
ſchlagen vermocht/ weiſet/ und der goͤttlichen ehre und weißheit am gemaͤſſe-
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[236/0252] Das erſte Capitel. SECTIO XLVIII. Von traͤumen. VOn dem was einiger traͤume wegen geſchrieben worden/ kan nicht zur gnuͤge antworten. 1. Jſts an dem/ daß die meiſte unſere traͤume bloſſe wirckungen unſrer phantaſie ſind/ und ſich nach dem temperament, o- der auch jedesmaliger beſchaffenheit des menſchen/ zimlich richten/ und ſich alſo aus denſelben von kuͤnfftigen dingen nichts ſchlieſſen laſſe. 2. Wo einer eine goͤttliche glaubens-offenbahrung aus einem traume ſich einbilden wol- te/ den wuͤrde ich hertzlich warnen/ vor dem betrug des ſatans und ſeines eig- nen hertzens ſich zu huͤten/ nachdem ſich der HErr uns in ſolchen ſtuͤcken gnug- ſam durch ein feſteres prophetiſches und Apoſtoliſches geſchriebenes wort ge- offenbahret hat. 3. Was aber traͤume von andern materien anlangt/ erken- ne ich gern/ daß GOtt noch unterſchiedlich (wie mir dann zimlich denckwuͤr- dige exempel davon bekant worden ſind) einigen der ſeinigen etwas deſſen im traum zeige/ was ihnen bevorſtehet/ und womit er ſie entweder warnet oder troͤſtet: wie mir dann ſelbs vor 3. jahren in meiner vor toͤdtlich gehaltenen ſchwachheit GOtt durch einen doppelten traum in einer nacht/ daß ich noch laͤnger in dieſem irrdiſchen bleiben ſolte/ zimlich deutlich gewieſen hat. Auſ- ſer welchem einigem exempel ich zwahr an mir niemals etwas dergleichen er- fahren/ aber ſtracks als der traum ausgeweſen/ in meinem hertzen die uͤber- zeugung der deutung gehabt habe. Wie ich dann 4. dieſes als ein faſt un- abſonderliches zeugnuͤß eines recht goͤttlichentraums halte/ daß gemeinig- lich/ wo GOtt einen menſchen damit erinnert/ derſelbe dermaſſen davon ein- genommen wird/ daß er unmuͤglich daran zweiflen kan/ daß ſolcher von Gott ſeye/ aus der dadurch in das hertz getruckten uͤberzeugung/ und wo mans ihm aus dem ſinn zu bringen ſich bemuͤhet/ kann er doch dem widerſpruch des her- tzens/ ob er wol wolte/ nicht gnug begegnen. 5. Wo dieſe uͤberzeugung und ſtarcker eintruck nicht iſt/ bekenne ich/ daß ich faſt zweiffele an der goͤttlichkeit eines traums/ ob zwahr nicht bloß dahin verſichern kan/ ob GOtt nicht zu- weilen in eine ſeele in dem ſchlaff auch einen ſtrahl oder liecht von etwas kuͤnf- tiges ſo ſchieſſen laſſen moͤge/ daß ſie zwahr damit/ aber etwas ſchwaͤchlicher/ und alſo geruͤhret werde/ daß damit noch nicht aller zweiffel/ woher der traum komme/ uͤberwunden wird. Denn ob wol jene erſte art ſich an den exempeln der Propheten auch vielen andern/ deren theils in der ſchrifft meldung geſchi- het/ und die was ihnen getraͤumet/ ob ſie ſchon gewolt/ nicht aus dem ſinn zu ſchlagen vermocht/ weiſet/ und der goͤttlichen ehre und weißheit am gemaͤſſe- ſten ſcheinet zu ſeyn/ ſo ſind doch GOttes wege ſo unbegreiflich/ daß wir nicht ſo

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/252>, abgerufen am 24.04.2024.