Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Das erste Capitel.
berlassen gewircket werden/ wie sie uns denn in der heiligen schrifft gewiesen
sind. Auf solche pflege ich auch meine zuhörer in predigten/ und privat-zu-
spruch nach verleihung göttlicher gnade allein zu weisen/ zweifle auch nicht
E. Hochfürstl. Durchl. werden selbs die nachtrücklichkeit und wichtigkeit der-
selben erkennen. Wo nun solche gründe stehen/ so mögen auch die übrige aus
der vernunfft genommene argumenta etwas ausrichten/ die sonsten allein
fast zu schwach sind/ und auf das höchste nicht mehr als eine erzwungene re-
soluti
on zu wege bringen können. Jch will aber/ wie anfangs gemeldet/
dero intention in solchem aufsatz alleine dahin deuten gerichtet gewesen zu
seyn. Welche schließlichen/ in des grossen GOttes/ der sie nach seinem hei-
ligen willen lang in hohem wohlstand erhalten/ zu dermahligen letzten ab-
schied mit glaubiger erkäntnüß seiner lautern wahrheit/ und dero früchten/
zeitlich und kräfftig vorbereiten/ und letztlich mit dem jenigen/ was uns allein
den todt lieblich machet/ würcklich beseligen wolle/ höchster gnade hertzlich
empfehle.

SECTIO LIII.
Von der rechtfertigung grossem unterscheid unsrer
und der Römischen lehre.

ES ist mir lieb gewesen/ daß mein hochgeehrt. Herr seine gedancken in
der materie von der rechtfertigung mir freundlich vorstellen wollen/
dabey des guten vertrauens gelebe/ daß hinwieder nicht entgegen seyn
werde/ auch die meinige davon einzunehmen. So ists nun an dem/ daß wie
ich von grund der seelen eine völlige einigkeit der gantzen Christenheit wünsch-
te/ und wo dieselbe damit zu erkauffen wäre/ weder ich/ noch einiger ander/ sein
blut darzu zu theur halten solte/ daher auch gern alle dahin zielende vorschlä-
ge/ welche die wahrheit selbs nicht verletzen/ mit ergreiffe/ ich gleichwol da-
vor halte/ daß kaum mit einiger andern kirchen weniger als mit der Römi-
schen eine vereinigung getroffen werden könte/ vornemlich aber/ daß wir in
dem articul der rechtfertigung hauptsächlich unterschieden seyen/ ja seyn müs-
sen/ so lange das Trientische Concilium stehet/ welches hingegen sie nach dem
fundamental-satz ihrer kirchen nicht verlassen können. Der angeführte Hac-
cius
ist mir unbekant: was aber die ältere anlangt/ auch so gar die noch zu un-
srer zeit gelebte Hr. brüder von Welenburg/ habe als ich vor 10. jahren ge-
gen D. Breving diesen articul ausführen muste/ und in dem grossen werck
gründlich ausgeführet habe/ solche mit grossem fleiß durchgesehen. Jch fin-
de aber allerdings einen solchen unterscheid unter beyderseits lehr/ daß es
auch da heissen muß/ Roma irreconciliabilis. Und zwahr gehet der unter-

schied

Das erſte Capitel.
berlaſſen gewircket werden/ wie ſie uns denn in der heiligen ſchrifft gewieſen
ſind. Auf ſolche pflege ich auch meine zuhoͤrer in predigten/ und privat-zu-
ſpruch nach verleihung goͤttlicher gnade allein zu weiſen/ zweifle auch nicht
E. Hochfuͤrſtl. Durchl. werden ſelbs die nachtruͤcklichkeit und wichtigkeit der-
ſelben erkennen. Wo nun ſolche gruͤnde ſtehen/ ſo moͤgen auch die uͤbrige aus
der vernunfft genommene argumenta etwas ausrichten/ die ſonſten allein
faſt zu ſchwach ſind/ und auf das hoͤchſte nicht mehr als eine erzwungene re-
ſoluti
on zu wege bringen koͤnnen. Jch will aber/ wie anfangs gemeldet/
dero intention in ſolchem aufſatz alleine dahin deuten gerichtet geweſen zu
ſeyn. Welche ſchließlichen/ in des groſſen GOttes/ der ſie nach ſeinem hei-
ligen willen lang in hohem wohlſtand erhalten/ zu dermahligen letzten ab-
ſchied mit glaubiger erkaͤntnuͤß ſeiner lautern wahrheit/ und dero fruͤchten/
zeitlich und kraͤfftig vorbereiten/ und letztlich mit dem jenigen/ was uns allein
den todt lieblich machet/ wuͤrcklich beſeligen wolle/ hoͤchſter gnade hertzlich
empfehle.

SECTIO LIII.
Von der rechtfertigung groſſem unterſcheid unſrer
und der Roͤmiſchen lehre.

ES iſt mir lieb geweſen/ daß mein hochgeehrt. Herr ſeine gedancken in
der materie von der rechtfertigung mir freundlich vorſtellen wollen/
dabey des guten vertrauens gelebe/ daß hinwieder nicht entgegen ſeyn
werde/ auch die meinige davon einzunehmen. So iſts nun an dem/ daß wie
ich von grund der ſeelen eine voͤllige einigkeit der gantzen Chriſtenheit wuͤnſch-
te/ und wo dieſelbe damit zu erkauffen waͤre/ weder ich/ noch einiger ander/ ſein
blut darzu zu theur halten ſolte/ daher auch gern alle dahin zielende vorſchlaͤ-
ge/ welche die wahrheit ſelbs nicht verletzen/ mit ergreiffe/ ich gleichwol da-
vor halte/ daß kaum mit einiger andern kirchen weniger als mit der Roͤmi-
ſchen eine vereinigung getroffen werden koͤnte/ vornemlich aber/ daß wir in
dem articul der rechtfertigung hauptſaͤchlich unterſchieden ſeyen/ ja ſeyn muͤſ-
ſen/ ſo lange das Trientiſche Concilium ſtehet/ welches hingegen ſie nach dem
fundamental-ſatz ihrer kirchen nicht verlaſſen koͤnnen. Der angefuͤhrte Hac-
cius
iſt mir unbekant: was aber die aͤltere anlangt/ auch ſo gar die noch zu un-
ſrer zeit gelebte Hr. bruͤder von Welenburg/ habe als ich vor 10. jahren ge-
gen D. Breving dieſen articul ausfuͤhren muſte/ und in dem groſſen werck
gruͤndlich ausgefuͤhret habe/ ſolche mit groſſem fleiß durchgeſehen. Jch fin-
de aber allerdings einen ſolchen unterſcheid unter beyderſeits lehr/ daß es
auch da heiſſen muß/ Roma irreconciliabilis. Und zwahr gehet der unter-

ſchied
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0266" n="250"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das er&#x017F;te Capitel.</hi></fw><lb/>
berla&#x017F;&#x017F;en gewircket werden/ wie &#x017F;ie uns denn in der heiligen &#x017F;chrifft gewie&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ind. Auf &#x017F;olche pflege ich auch meine zuho&#x0364;rer in predigten/ und <hi rendition="#aq">privat-</hi>zu-<lb/>
&#x017F;pruch nach verleihung go&#x0364;ttlicher gnade allein zu wei&#x017F;en/ zweifle auch nicht<lb/>
E. Hochfu&#x0364;r&#x017F;tl. Durchl. werden &#x017F;elbs die nachtru&#x0364;cklichkeit und wichtigkeit der-<lb/>
&#x017F;elben erkennen. Wo nun &#x017F;olche gru&#x0364;nde &#x017F;tehen/ &#x017F;o mo&#x0364;gen auch die u&#x0364;brige aus<lb/>
der vernunfft genommene <hi rendition="#aq">argumenta</hi> etwas ausrichten/ die &#x017F;on&#x017F;ten allein<lb/>
fa&#x017F;t zu &#x017F;chwach &#x017F;ind/ und auf das ho&#x0364;ch&#x017F;te nicht mehr als eine erzwungene <hi rendition="#aq">re-<lb/>
&#x017F;oluti</hi>on zu wege bringen ko&#x0364;nnen. Jch will aber/ wie anfangs gemeldet/<lb/>
dero <hi rendition="#aq">intenti</hi>on in &#x017F;olchem auf&#x017F;atz alleine dahin deuten gerichtet gewe&#x017F;en zu<lb/>
&#x017F;eyn. Welche &#x017F;chließlichen/ in des gro&#x017F;&#x017F;en GOttes/ der &#x017F;ie nach &#x017F;einem hei-<lb/>
ligen willen lang in hohem wohl&#x017F;tand erhalten/ zu dermahligen letzten ab-<lb/>
&#x017F;chied mit glaubiger erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß &#x017F;einer lautern wahrheit/ und dero fru&#x0364;chten/<lb/>
zeitlich und kra&#x0364;fftig vorbereiten/ und letztlich mit dem jenigen/ was uns allein<lb/>
den todt lieblich machet/ wu&#x0364;rcklich be&#x017F;eligen wolle/ ho&#x0364;ch&#x017F;ter gnade hertzlich<lb/>
empfehle.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO LIII.</hi></hi><lb/>
Von der rechtfertigung gro&#x017F;&#x017F;em unter&#x017F;cheid un&#x017F;rer<lb/>
und der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen lehre.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>S i&#x017F;t mir lieb gewe&#x017F;en/ daß mein hochgeehrt. Herr &#x017F;eine gedancken in<lb/>
der materie von der <hi rendition="#fr">rechtfertigung</hi> mir freundlich vor&#x017F;tellen wollen/<lb/>
dabey des guten vertrauens gelebe/ daß hinwieder nicht entgegen &#x017F;eyn<lb/>
werde/ auch die meinige davon einzunehmen. So i&#x017F;ts nun an dem/ daß wie<lb/>
ich von grund der &#x017F;eelen eine vo&#x0364;llige einigkeit der gantzen Chri&#x017F;tenheit wu&#x0364;n&#x017F;ch-<lb/>
te/ und wo die&#x017F;elbe damit zu erkauffen wa&#x0364;re/ weder ich/ noch einiger ander/ &#x017F;ein<lb/>
blut darzu zu theur halten &#x017F;olte/ daher auch gern alle dahin zielende vor&#x017F;chla&#x0364;-<lb/>
ge/ welche die wahrheit &#x017F;elbs nicht verletzen/ mit ergreiffe/ ich gleichwol da-<lb/>
vor halte/ daß kaum mit einiger andern kirchen weniger als mit der Ro&#x0364;mi-<lb/>
&#x017F;chen eine vereinigung getroffen werden ko&#x0364;nte/ vornemlich aber/ daß wir in<lb/>
dem articul der rechtfertigung haupt&#x017F;a&#x0364;chlich unter&#x017F;chieden &#x017F;eyen/ ja &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ &#x017F;o lange das Trienti&#x017F;che <hi rendition="#aq">Concilium</hi> &#x017F;tehet/ welches hingegen &#x017F;ie nach dem<lb/><hi rendition="#aq">fundamental-</hi>&#x017F;atz ihrer kirchen nicht verla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen. Der angefu&#x0364;hrte <hi rendition="#aq">Hac-<lb/>
cius</hi> i&#x017F;t mir unbekant: was aber die a&#x0364;ltere anlangt/ auch &#x017F;o gar die noch zu un-<lb/>
&#x017F;rer zeit gelebte Hr. bru&#x0364;der von <hi rendition="#fr">Welenburg/</hi> habe als ich vor 10. jahren ge-<lb/>
gen <hi rendition="#aq">D.</hi> Breving die&#x017F;en articul ausfu&#x0364;hren mu&#x017F;te/ und in dem gro&#x017F;&#x017F;en werck<lb/>
gru&#x0364;ndlich ausgefu&#x0364;hret habe/ &#x017F;olche mit gro&#x017F;&#x017F;em fleiß durchge&#x017F;ehen. Jch fin-<lb/>
de aber allerdings einen &#x017F;olchen unter&#x017F;cheid unter beyder&#x017F;eits lehr/ daß es<lb/>
auch da hei&#x017F;&#x017F;en muß/ <hi rendition="#aq">Roma irreconciliabilis.</hi> Und zwahr gehet der unter-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chied</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0266] Das erſte Capitel. berlaſſen gewircket werden/ wie ſie uns denn in der heiligen ſchrifft gewieſen ſind. Auf ſolche pflege ich auch meine zuhoͤrer in predigten/ und privat-zu- ſpruch nach verleihung goͤttlicher gnade allein zu weiſen/ zweifle auch nicht E. Hochfuͤrſtl. Durchl. werden ſelbs die nachtruͤcklichkeit und wichtigkeit der- ſelben erkennen. Wo nun ſolche gruͤnde ſtehen/ ſo moͤgen auch die uͤbrige aus der vernunfft genommene argumenta etwas ausrichten/ die ſonſten allein faſt zu ſchwach ſind/ und auf das hoͤchſte nicht mehr als eine erzwungene re- ſolution zu wege bringen koͤnnen. Jch will aber/ wie anfangs gemeldet/ dero intention in ſolchem aufſatz alleine dahin deuten gerichtet geweſen zu ſeyn. Welche ſchließlichen/ in des groſſen GOttes/ der ſie nach ſeinem hei- ligen willen lang in hohem wohlſtand erhalten/ zu dermahligen letzten ab- ſchied mit glaubiger erkaͤntnuͤß ſeiner lautern wahrheit/ und dero fruͤchten/ zeitlich und kraͤfftig vorbereiten/ und letztlich mit dem jenigen/ was uns allein den todt lieblich machet/ wuͤrcklich beſeligen wolle/ hoͤchſter gnade hertzlich empfehle. SECTIO LIII. Von der rechtfertigung groſſem unterſcheid unſrer und der Roͤmiſchen lehre. ES iſt mir lieb geweſen/ daß mein hochgeehrt. Herr ſeine gedancken in der materie von der rechtfertigung mir freundlich vorſtellen wollen/ dabey des guten vertrauens gelebe/ daß hinwieder nicht entgegen ſeyn werde/ auch die meinige davon einzunehmen. So iſts nun an dem/ daß wie ich von grund der ſeelen eine voͤllige einigkeit der gantzen Chriſtenheit wuͤnſch- te/ und wo dieſelbe damit zu erkauffen waͤre/ weder ich/ noch einiger ander/ ſein blut darzu zu theur halten ſolte/ daher auch gern alle dahin zielende vorſchlaͤ- ge/ welche die wahrheit ſelbs nicht verletzen/ mit ergreiffe/ ich gleichwol da- vor halte/ daß kaum mit einiger andern kirchen weniger als mit der Roͤmi- ſchen eine vereinigung getroffen werden koͤnte/ vornemlich aber/ daß wir in dem articul der rechtfertigung hauptſaͤchlich unterſchieden ſeyen/ ja ſeyn muͤſ- ſen/ ſo lange das Trientiſche Concilium ſtehet/ welches hingegen ſie nach dem fundamental-ſatz ihrer kirchen nicht verlaſſen koͤnnen. Der angefuͤhrte Hac- cius iſt mir unbekant: was aber die aͤltere anlangt/ auch ſo gar die noch zu un- ſrer zeit gelebte Hr. bruͤder von Welenburg/ habe als ich vor 10. jahren ge- gen D. Breving dieſen articul ausfuͤhren muſte/ und in dem groſſen werck gruͤndlich ausgefuͤhret habe/ ſolche mit groſſem fleiß durchgeſehen. Jch fin- de aber allerdings einen ſolchen unterſcheid unter beyderſeits lehr/ daß es auch da heiſſen muß/ Roma irreconciliabilis. Und zwahr gehet der unter- ſchied

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/266
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/266>, abgerufen am 25.04.2024.