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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
SECTIO XXXIII.
Was bey einer gemeinde zu thun/ so unter ande-
rer religion herrschafft stehet.

WAs den betrübten zustand der armen gemeinde zu N. anlangt/
dauret mich solcher von hertzen/ so vielmehr weil ich vernehme/
daß solcher nicht allein von der höheren macht der widerwärti-
gen/ sondern eigene schuld oder nachläßigkeit der jenigen/ wel-
che von unserer seiten das werck des HERREN mit fleiß treiben solten/
herrühret. Ach daß der HERR aller orten der jenigen augen öffne/ die
hierinnen etwa die gefahr und die schwehre ihrer eigenen verantwortung nicht
recht einsehen und erkennen/ und sich das jenige ziemlichen theils lassen ge-
sagt seyn/ was dorten dem engel der gemeinde zu Laodicea zugeruffen wird.
Jedoch wie ich die sache nicht gründlich weiß/ so kan ich auch nicht davon völ-
lig urtheilen/ massen mirs auch nicht zukommt/ einen fremden knecht zu-
richten. Sonderlich weil zuweilen geschehen kan/ daß einige gutmeinen-
de etwas von ihren geistlichen vorstehern ungleich auffnehmen möchten/
weil sie die ursachen/ warum jegliches geschihet/ nicht penetrirten/ und
in einer gedruckten kirchen zu weilen jene nicht dermassen dörffen in den vor-
schein gebracht werden. Daher zu weilen einiges könte gantz besser gemeint
seyn/ und nicht anders haben geschehen können/ was andere liebe leut
blosser dings vor menschen forcht und nachläßigkeit halten würden; Ja nicht
wohl anders achten können/ als lang sie die innere verborgene ursachen
nicht erkennen mögen. Mit welchem allem ich also niemand weder geschul-
diget noch entschuldiget haben will/ sondern allein zeige/ daß ich von der
hypothesi ihres orts nicht urtheilen könne. Was aber gleichsam die the-
sin
anlangt/ so achte ich den besten modum zu seyn/ wie man in einer kir-
chen welche von den widersachern gedruckt wird/ und viele abfälle geschehen/
verfahren könne: nicht daß man hefftig in der kirchen und auff der cantzel
gegen die religionem dominatricem detonire/ in dem solches nicht nur
die widrige obrigkeit allezeit sehr irritiret/ und uns desto mehr zu dru-
cken leicht anreitzet/ daher wir manchmahl viel schaden genommen haben/
sondern es hilffet dasselbe zur bekräfftigung der hertzen der unsrigen nicht

vieles/
Das andere Capitel.
SECTIO XXXIII.
Was bey einer gemeinde zu thun/ ſo unter ande-
rer religion herrſchafft ſtehet.

WAs den betruͤbten zuſtand der armen gemeinde zu N. anlangt/
dauret mich ſolcher von hertzen/ ſo vielmehr weil ich vernehme/
daß ſolcher nicht allein von der hoͤheren macht der widerwaͤrti-
gen/ ſondern eigene ſchuld oder nachlaͤßigkeit der jenigen/ wel-
che von unſerer ſeiten das werck des HERREN mit fleiß treiben ſolten/
herruͤhret. Ach daß der HERR aller orten der jenigen augen oͤffne/ die
hierinnen etwa die gefahr und die ſchwehre ihrer eigenen verantwortung nicht
recht einſehen und erkennen/ und ſich das jenige ziemlichen theils laſſen ge-
ſagt ſeyn/ was dorten dem engel der gemeinde zu Laodicea zugeruffen wird.
Jedoch wie ich die ſache nicht gruͤndlich weiß/ ſo kan ich auch nicht davon voͤl-
lig urtheilen/ maſſen mirs auch nicht zukommt/ einen fremden knecht zu-
richten. Sonderlich weil zuweilen geſchehen kan/ daß einige gutmeinen-
de etwas von ihren geiſtlichen vorſtehern ungleich auffnehmen moͤchten/
weil ſie die urſachen/ warum jegliches geſchihet/ nicht penetrirten/ und
in einer gedruckten kirchen zu weilen jene nicht dermaſſen doͤrffen in den vor-
ſchein gebracht werden. Daher zu weilen einiges koͤnte gantz beſſer gemeint
ſeyn/ und nicht anders haben geſchehen koͤnnen/ was andere liebe leut
bloſſer dings vor menſchen forcht und nachlaͤßigkeit halten wuͤrden; Ja nicht
wohl anders achten koͤnnen/ als lang ſie die innere verborgene urſachen
nicht erkennen moͤgen. Mit welchem allem ich alſo niemand weder geſchul-
diget noch entſchuldiget haben will/ ſondern allein zeige/ daß ich von der
hypotheſi ihres orts nicht urtheilen koͤnne. Was aber gleichſam die the-
ſin
anlangt/ ſo achte ich den beſten modum zu ſeyn/ wie man in einer kir-
chen welche von den widerſachern gedruckt wird/ und viele abfaͤlle geſchehen/
verfahren koͤnne: nicht daß man hefftig in der kirchen und auff der cantzel
gegen die religionem dominatricem detonire/ in dem ſolches nicht nur
die widrige obrigkeit allezeit ſehr irritiret/ und uns deſto mehr zu dru-
cken leicht anreitzet/ daher wir manchmahl viel ſchaden genommen haben/
ſondern es hilffet daſſelbe zur bekraͤfftigung der hertzen der unſrigen nicht

vieles/
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[750/0766] Das andere Capitel. SECTIO XXXIII. Was bey einer gemeinde zu thun/ ſo unter ande- rer religion herrſchafft ſtehet. WAs den betruͤbten zuſtand der armen gemeinde zu N. anlangt/ dauret mich ſolcher von hertzen/ ſo vielmehr weil ich vernehme/ daß ſolcher nicht allein von der hoͤheren macht der widerwaͤrti- gen/ ſondern eigene ſchuld oder nachlaͤßigkeit der jenigen/ wel- che von unſerer ſeiten das werck des HERREN mit fleiß treiben ſolten/ herruͤhret. Ach daß der HERR aller orten der jenigen augen oͤffne/ die hierinnen etwa die gefahr und die ſchwehre ihrer eigenen verantwortung nicht recht einſehen und erkennen/ und ſich das jenige ziemlichen theils laſſen ge- ſagt ſeyn/ was dorten dem engel der gemeinde zu Laodicea zugeruffen wird. Jedoch wie ich die ſache nicht gruͤndlich weiß/ ſo kan ich auch nicht davon voͤl- lig urtheilen/ maſſen mirs auch nicht zukommt/ einen fremden knecht zu- richten. Sonderlich weil zuweilen geſchehen kan/ daß einige gutmeinen- de etwas von ihren geiſtlichen vorſtehern ungleich auffnehmen moͤchten/ weil ſie die urſachen/ warum jegliches geſchihet/ nicht penetrirten/ und in einer gedruckten kirchen zu weilen jene nicht dermaſſen doͤrffen in den vor- ſchein gebracht werden. Daher zu weilen einiges koͤnte gantz beſſer gemeint ſeyn/ und nicht anders haben geſchehen koͤnnen/ was andere liebe leut bloſſer dings vor menſchen forcht und nachlaͤßigkeit halten wuͤrden; Ja nicht wohl anders achten koͤnnen/ als lang ſie die innere verborgene urſachen nicht erkennen moͤgen. Mit welchem allem ich alſo niemand weder geſchul- diget noch entſchuldiget haben will/ ſondern allein zeige/ daß ich von der hypotheſi ihres orts nicht urtheilen koͤnne. Was aber gleichſam die the- ſin anlangt/ ſo achte ich den beſten modum zu ſeyn/ wie man in einer kir- chen welche von den widerſachern gedruckt wird/ und viele abfaͤlle geſchehen/ verfahren koͤnne: nicht daß man hefftig in der kirchen und auff der cantzel gegen die religionem dominatricem detonire/ in dem ſolches nicht nur die widrige obrigkeit allezeit ſehr irritiret/ und uns deſto mehr zu dru- cken leicht anreitzet/ daher wir manchmahl viel ſchaden genommen haben/ ſondern es hilffet daſſelbe zur bekraͤfftigung der hertzen der unſrigen nicht vieles/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 750. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/766>, abgerufen am 25.04.2024.