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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. IV. SECT. XXXIII.
SECTIO XXXIII.
Von öffentlichen und privat-copulationen
und tauffen.

JCh habe nur in antecessum etwas weniges von den vorgestellten materien
meine meinung hier anzeigen wollen/ so darinnen bestehet. Daß
1. insgemein die öffentliche copulationes und tauffen vor billig und ziem-
lich halte/ als ein stück einer feinen ordnung/ so auch gute erbauung giebet/ wo
alles recht hergehet. Daher man sich dahin zu bestreben/ daß dergleichen ord-
nungen gemacht werden/ und darüber auch billig zu halten hat.

2. Jedoch sind sie nicht bloß de necessitate, als davon wir keinen göttli-
chen befehl haben/ noch dergleichen rationes, die eine solche nothwendigkeit
erhärteten: sonderlich was die copulationes anlangt/ welche ohne das neben
dem geistlichen/ so mit darinnen ist/ auch einigerley massen eines contractus
civilis
bekräfftigung sind/ und also zwar in gegenwart einiger zeugen verrichtet
werden müssen/ nicht aber ex sua natura an den caetum ordinarium ecclesia-
sticum
gebunden sind.

3. Also mögen nicht nur zuweilen einige ursachen seyn/ welche erlaubt ma-
chen/ daß solche actus privatim (wo es ohne überschreitung der kirchlichen con-
stitution
en und also mit erlaubniß derer/ welche darinnen zu dispensiren haben/
geschiehet/) mögen verrichtet werden/ sondern es können zuweilen solche um-
stände und bewandnissen der öffentlichen versammlungen seyn/ daß auch eine
gottselige person dergleichen ihrer erbauung wegen lieber in einem privat-caetu
verrichtet sehe/ und wo sie solche erlaubnüß haben kan/ solche ohne sünde su-
chen/ und sich ihrer gebrauchen möchte. Wie ich etwa selbs gesehen/ daß in
einigern wenigen versammlungen von gottseligen hertzen dergleichen actus mit
solcher andacht celebriret worden/ als man in dem öffentlichen strepitu einer in
unordnung stehender grösserer gemeinde/ da lauter stöhrungen sind/ nicht hätte
zu verrichten hoffnung haben können.

4. Wie also die sache aus der zahl der mitteldinge ist/ so hat man allemal
auff zweck/ ort/ zeit/ ursach und andere dergleichen umstände zu sehen/ welche
die sache bald gut bald böse machen können. Sonderlich aber was eine aus
hochmuth und anderer verachtung herrührende singularität ist/ kan nicht anders
als sündlich erkannt werden mit allem deme/ was daraus geschiehet/ und an-
deren aus andern absichten möchte erlaubt und gut seyn.

5. So
ARTIC. IV. SECT. XXXIII.
SECTIO XXXIII.
Von oͤffentlichen und privat-copulationen
und tauffen.

JCh habe nur in anteceſſum etwas weniges von den vorgeſtellten materien
meine meinung hier anzeigen wollen/ ſo darinnen beſtehet. Daß
1. insgemein die oͤffentliche copulationes und tauffen vor billig und ziem-
lich halte/ als ein ſtuͤck einer feinen ordnung/ ſo auch gute erbauung giebet/ wo
alles recht hergehet. Daher man ſich dahin zu beſtreben/ daß dergleichen ord-
nungen gemacht werden/ und daruͤber auch billig zu halten hat.

2. Jedoch ſind ſie nicht bloß de necesſitate, als davon wir keinen goͤttli-
chen befehl haben/ noch dergleichen rationes, die eine ſolche nothwendigkeit
erhaͤrteten: ſonderlich was die copulationes anlangt/ welche ohne das neben
dem geiſtlichen/ ſo mit darinnen iſt/ auch einigerley maſſen eines contractus
civilis
bekraͤfftigung ſind/ und alſo zwar in gegenwart einiger zeugen verrichtet
werden muͤſſen/ nicht aber ex ſua natura an den cætum ordinarium eccleſia-
ſticum
gebunden ſind.

3. Alſo moͤgen nicht nur zuweilen einige urſachen ſeyn/ welche erlaubt ma-
chen/ daß ſolche actus privatim (wo es ohne uͤberſchreitung der kirchlichen con-
ſtitution
en und alſo mit erlaubniß derer/ welche darinnen zu diſpenſiren haben/
geſchiehet/) moͤgen verrichtet werden/ ſondern es koͤnnen zuweilen ſolche um-
ſtaͤnde und bewandniſſen der oͤffentlichen verſammlungen ſeyn/ daß auch eine
gottſelige perſon dergleichen ihrer erbauung wegen lieber in einem privat-cætu
verrichtet ſehe/ und wo ſie ſolche erlaubnuͤß haben kan/ ſolche ohne ſuͤnde ſu-
chen/ und ſich ihrer gebrauchen moͤchte. Wie ich etwa ſelbs geſehen/ daß in
einigern wenigen verſammlungen von gottſeligen hertzen dergleichen actus mit
ſolcher andacht celebriret worden/ als man in dem oͤffentlichen ſtrepitu einer in
unordnung ſtehender groͤſſerer gemeinde/ da lauter ſtoͤhrungen ſind/ nicht haͤtte
zu verrichten hoffnung haben koͤnnen.

4. Wie alſo die ſache aus der zahl der mitteldinge iſt/ ſo hat man allemal
auff zweck/ ort/ zeit/ urſach und andere dergleichen umſtaͤnde zu ſehen/ welche
die ſache bald gut bald boͤſe machen koͤnnen. Sonderlich aber was eine aus
hochmuth und anderer verachtung herruͤhrende ſingularitaͤt iſt/ kan nicht anders
als ſuͤndlich erkannt werden mit allem deme/ was daraus geſchiehet/ und an-
deren aus andern abſichten moͤchte erlaubt und gut ſeyn.

5. So
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[119/0919] ARTIC. IV. SECT. XXXIII. SECTIO XXXIII. Von oͤffentlichen und privat-copulationen und tauffen. JCh habe nur in anteceſſum etwas weniges von den vorgeſtellten materien meine meinung hier anzeigen wollen/ ſo darinnen beſtehet. Daß 1. insgemein die oͤffentliche copulationes und tauffen vor billig und ziem- lich halte/ als ein ſtuͤck einer feinen ordnung/ ſo auch gute erbauung giebet/ wo alles recht hergehet. Daher man ſich dahin zu beſtreben/ daß dergleichen ord- nungen gemacht werden/ und daruͤber auch billig zu halten hat. 2. Jedoch ſind ſie nicht bloß de necesſitate, als davon wir keinen goͤttli- chen befehl haben/ noch dergleichen rationes, die eine ſolche nothwendigkeit erhaͤrteten: ſonderlich was die copulationes anlangt/ welche ohne das neben dem geiſtlichen/ ſo mit darinnen iſt/ auch einigerley maſſen eines contractus civilis bekraͤfftigung ſind/ und alſo zwar in gegenwart einiger zeugen verrichtet werden muͤſſen/ nicht aber ex ſua natura an den cætum ordinarium eccleſia- ſticum gebunden ſind. 3. Alſo moͤgen nicht nur zuweilen einige urſachen ſeyn/ welche erlaubt ma- chen/ daß ſolche actus privatim (wo es ohne uͤberſchreitung der kirchlichen con- ſtitutionen und alſo mit erlaubniß derer/ welche darinnen zu diſpenſiren haben/ geſchiehet/) moͤgen verrichtet werden/ ſondern es koͤnnen zuweilen ſolche um- ſtaͤnde und bewandniſſen der oͤffentlichen verſammlungen ſeyn/ daß auch eine gottſelige perſon dergleichen ihrer erbauung wegen lieber in einem privat-cætu verrichtet ſehe/ und wo ſie ſolche erlaubnuͤß haben kan/ ſolche ohne ſuͤnde ſu- chen/ und ſich ihrer gebrauchen moͤchte. Wie ich etwa ſelbs geſehen/ daß in einigern wenigen verſammlungen von gottſeligen hertzen dergleichen actus mit ſolcher andacht celebriret worden/ als man in dem oͤffentlichen ſtrepitu einer in unordnung ſtehender groͤſſerer gemeinde/ da lauter ſtoͤhrungen ſind/ nicht haͤtte zu verrichten hoffnung haben koͤnnen. 4. Wie alſo die ſache aus der zahl der mitteldinge iſt/ ſo hat man allemal auff zweck/ ort/ zeit/ urſach und andere dergleichen umſtaͤnde zu ſehen/ welche die ſache bald gut bald boͤſe machen koͤnnen. Sonderlich aber was eine aus hochmuth und anderer verachtung herruͤhrende ſingularitaͤt iſt/ kan nicht anders als ſuͤndlich erkannt werden mit allem deme/ was daraus geſchiehet/ und an- deren aus andern abſichten moͤchte erlaubt und gut ſeyn. 5. So

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/919>, abgerufen am 29.03.2024.