Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. V. SECT. IV.
verstoß des Predigers/ da diese äuserliche wort ausgeblieben/ nicht zuzurechen/
oder der tauff die aus der einsetzung ihr zukommende krafft des wegen zu ver-
sagen. Deswegen 5. ists gnug/ daß der Prediger aus dem zufall die menschli-
che schwachheit/ die sich auch bey der heiligsten handlung eussert/ erkenne/ sich des-
wegen vor GOtt demüthige/ in allen amts verrichtungen/ so viel fleißiger seine
gedancken beysammen behalte/ hingegen sich der göttlichen erbarmenden gnade
tröste/ und sich nicht durch schwehrmuth einnehmen lasse. Der Herr würcke
darinnen in ihm/ was vor ihm gefällig ist/ beruhige sein Hertz/ und segne sein
amt um Christi willen. Amen.

SECTIO IV.
Ob ein Judenkind wider willen der eltern
zutauffen.

DJe vorgelegte frage/ habe nicht nur allein in der furcht des HErrn fer-
ner erwogen/ sondern auch mit meinen gel. Herrn collegis weiter ü-
berleget: da wir dann der jenigen meinung sind. Daß wir zwar 1.
dem neugeboren kind gern die gnade gönneten/ zu dem Christenthum auf die-
se weise zukommen und hingegen dadurch auß der finsternus seines volcks her-
aus gerissen zu werden: Jn welcher sache GOtt manchmahl allerhand gele-
genheit gebraucht. Jndessen 2. sehen wir noch nicht/ mit was fug solches je-
tzo geschehen könte/ wo der wille deß vaters nicht dabey wäre. Es hebet daß
Evangelium und lehre des heils nicht auff weder die Policey noch die väterli-
che gewalt/ und ist also daß kind annoch in seiner eltern disposition, als lang
es nicht auf andere von GOtt selbs geschickte weise davon befreyet/ und in der
Christen gewalt gebracht wird. Zwar 3. möchte dieses eines starcken schein
haben/ daß der vater sich seines rechten begeben/ in dem er sich selbst samt sei-
nem noch ungeboren kind zu dem Christenthum versprochen/ und also wo er ja
vor sich seinen vorsatz retractiren wolte/ dennoch wegen deß kindes die sache
nicht zurück zu ziehen befugt seye: daher wo er nun seinen verspruch nicht hal-
ten wolte/ ihm dasselbige wohl möchte mit gewalt genommen werden. Aber
wir sehen nicht wie solches hie statt habe. Jndem der vater solches sein kind
nicht nach würcklicher der Christlichen kirche oder Hochgräfl. Herrschafft zu-
solchen ende übergeben und geschencket hat/ sondern es ist allein eine vertrö-
stung davon geschehen/ und zwar mit sich dasselbige der Christlichen kir-
chen zuzuführen/ er hingegen nimmermehr auch nur die gedancken
wird gehabt haben/ dasselbe allein der Christlichen kirchen zu überlassen/ oder
sich seines rechts über dasselbige zu begeben. Da man nun einige hoffnung und
vertröstung gemacht/ ihm etwas zu schencken/ dieselbe schenckung aber noch nicht

voll-
u 2

ARTIC. V. SECT. IV.
verſtoß des Predigers/ da dieſe aͤuſerliche wort ausgeblieben/ nicht zuzurechen/
oder der tauff die aus der einſetzung ihr zukommende krafft des wegen zu ver-
ſagen. Deswegen 5. iſts gnug/ daß der Prediger aus dem zufall die menſchli-
che ſchwachheit/ die ſich auch bey der heiligſten handlung euſſert/ erkenne/ ſich des-
wegen vor GOtt demuͤthige/ in allen amts verrichtungen/ ſo viel fleißiger ſeine
gedancken beyſammen behalte/ hingegen ſich der goͤttlichen erbarmenden gnade
troͤſte/ und ſich nicht durch ſchwehrmuth einnehmen laſſe. Der Herr wuͤrcke
darinnen in ihm/ was vor ihm gefaͤllig iſt/ beruhige ſein Hertz/ und ſegne ſein
amt um Chriſti willen. Amen.

SECTIO IV.
Ob ein Judenkind wider willen der eltern
zutauffen.

DJe vorgelegte frage/ habe nicht nur allein in der furcht des HErrn fer-
ner erwogen/ ſondern auch mit meinen gel. Herrn collegis weiter uͤ-
berleget: da wir dann der jenigen meinung ſind. Daß wir zwar 1.
dem neugeboren kind gern die gnade goͤnneten/ zu dem Chriſtenthum auf die-
ſe weiſe zukommen und hingegen dadurch auß der finſternus ſeines volcks her-
aus geriſſen zu werden: Jn welcher ſache GOtt manchmahl allerhand gele-
genheit gebraucht. Jndeſſen 2. ſehen wir noch nicht/ mit was fug ſolches je-
tzo geſchehen koͤnte/ wo der wille deß vaters nicht dabey waͤre. Es hebet daß
Evangelium und lehre des heils nicht auff weder die Policey noch die vaͤterli-
che gewalt/ und iſt alſo daß kind annoch in ſeiner eltern diſpoſition, als lang
es nicht auf andere von GOtt ſelbs geſchickte weiſe davon befreyet/ und in der
Chriſten gewalt gebracht wird. Zwar 3. moͤchte dieſes eines ſtarcken ſchein
haben/ daß der vater ſich ſeines rechten begeben/ in dem er ſich ſelbſt ſamt ſei-
nem noch ungeboren kind zu dem Chriſtenthum verſprochen/ und alſo wo er ja
vor ſich ſeinen vorſatz retractiren wolte/ dennoch wegen deß kindes die ſache
nicht zuruͤck zu ziehen befugt ſeye: daher wo er nun ſeinen verſpruch nicht hal-
ten wolte/ ihm daſſelbige wohl moͤchte mit gewalt genommen werden. Aber
wir ſehen nicht wie ſolches hie ſtatt habe. Jndem der vater ſolches ſein kind
nicht nach wuͤrcklicher der Chriſtlichen kirche oder Hochgraͤfl. Herrſchafft zu-
ſolchen ende uͤbergeben und geſchencket hat/ ſondern es iſt allein eine vertroͤ-
ſtung davon geſchehen/ und zwar mit ſich daſſelbige der Chriſtlichen kir-
chen zuzufuͤhren/ er hingegen nimmermehr auch nur die gedancken
wird gehabt haben/ daſſelbe allein der Chriſtlichen kirchen zu uͤberlaſſen/ oder
ſich ſeines rechts uͤber daſſelbige zu begeben. Da man nun einige hoffnung und
vertroͤſtung gemacht/ ihm etwas zu ſchencken/ dieſelbe ſchenckung aber noch nicht

voll-
u 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0955" n="155"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC. V. SECT.</hi> IV.</hi></hi></fw><lb/>
ver&#x017F;toß des Predigers/ da die&#x017F;e a&#x0364;u&#x017F;erliche wort ausgeblieben/ nicht zuzurechen/<lb/>
oder der tauff die aus der ein&#x017F;etzung ihr zukommende krafft des wegen zu ver-<lb/>
&#x017F;agen. Deswegen 5. i&#x017F;ts gnug/ daß der Prediger aus dem zufall die men&#x017F;chli-<lb/>
che &#x017F;chwachheit/ die &#x017F;ich auch bey der heilig&#x017F;ten handlung eu&#x017F;&#x017F;ert/ erkenne/ &#x017F;ich des-<lb/>
wegen vor GOtt demu&#x0364;thige/ in allen amts verrichtungen/ &#x017F;o viel fleißiger &#x017F;eine<lb/>
gedancken bey&#x017F;ammen behalte/ hingegen &#x017F;ich der go&#x0364;ttlichen erbarmenden gnade<lb/>
tro&#x0364;&#x017F;te/ und &#x017F;ich nicht durch &#x017F;chwehrmuth einnehmen la&#x017F;&#x017F;e. Der Herr wu&#x0364;rcke<lb/>
darinnen in ihm/ was vor ihm gefa&#x0364;llig i&#x017F;t/ beruhige &#x017F;ein Hertz/ und &#x017F;egne &#x017F;ein<lb/>
amt um Chri&#x017F;ti willen. Amen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> IV.</hi><lb/>
Ob ein Judenkind wider willen der eltern<lb/>
zutauffen.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>Je vorgelegte frage/ habe nicht nur allein in der furcht des HErrn fer-<lb/>
ner erwogen/ &#x017F;ondern auch mit meinen gel. Herrn <hi rendition="#aq">collegis</hi> weiter u&#x0364;-<lb/>
berleget: da wir dann der jenigen meinung &#x017F;ind. Daß wir zwar 1.<lb/>
dem neugeboren kind gern die gnade go&#x0364;nneten/ zu dem Chri&#x017F;tenthum auf die-<lb/>
&#x017F;e wei&#x017F;e zukommen und hingegen dadurch auß der fin&#x017F;ternus &#x017F;eines volcks her-<lb/>
aus geri&#x017F;&#x017F;en zu werden: Jn welcher &#x017F;ache GOtt manchmahl allerhand gele-<lb/>
genheit gebraucht. Jnde&#x017F;&#x017F;en 2. &#x017F;ehen wir noch nicht/ mit was fug &#x017F;olches je-<lb/>
tzo ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nte/ wo der wille deß vaters nicht dabey wa&#x0364;re. Es hebet daß<lb/>
Evangelium und lehre des heils nicht auff weder die Policey noch die va&#x0364;terli-<lb/>
che gewalt/ und i&#x017F;t al&#x017F;o daß kind annoch in &#x017F;einer eltern <hi rendition="#aq">di&#x017F;po&#x017F;ition,</hi> als lang<lb/>
es nicht auf andere von GOtt &#x017F;elbs ge&#x017F;chickte wei&#x017F;e davon befreyet/ und in der<lb/>
Chri&#x017F;ten gewalt gebracht wird. Zwar 3. mo&#x0364;chte die&#x017F;es eines &#x017F;tarcken &#x017F;chein<lb/>
haben/ daß der vater &#x017F;ich &#x017F;eines rechten begeben/ in dem er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;amt &#x017F;ei-<lb/>
nem noch ungeboren kind zu dem Chri&#x017F;tenthum ver&#x017F;prochen/ und al&#x017F;o wo er ja<lb/>
vor &#x017F;ich &#x017F;einen vor&#x017F;atz <hi rendition="#aq">retractiren</hi> wolte/ dennoch wegen deß kindes die &#x017F;ache<lb/>
nicht zuru&#x0364;ck zu ziehen befugt &#x017F;eye: daher wo er nun &#x017F;einen ver&#x017F;pruch nicht hal-<lb/>
ten wolte/ ihm da&#x017F;&#x017F;elbige wohl mo&#x0364;chte mit gewalt genommen werden. Aber<lb/>
wir &#x017F;ehen nicht wie &#x017F;olches hie &#x017F;tatt habe. Jndem der vater &#x017F;olches &#x017F;ein kind<lb/>
nicht nach wu&#x0364;rcklicher der Chri&#x017F;tlichen kirche oder Hochgra&#x0364;fl. Herr&#x017F;chafft zu-<lb/>
&#x017F;olchen ende u&#x0364;bergeben und ge&#x017F;chencket hat/ &#x017F;ondern es i&#x017F;t allein eine vertro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;tung davon ge&#x017F;chehen/ und zwar mit &#x017F;ich da&#x017F;&#x017F;elbige der Chri&#x017F;tlichen kir-<lb/>
chen zuzufu&#x0364;hren/ er hingegen nimmermehr auch nur die gedancken<lb/>
wird gehabt haben/ da&#x017F;&#x017F;elbe allein der Chri&#x017F;tlichen kirchen zu u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en/ oder<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;eines rechts u&#x0364;ber da&#x017F;&#x017F;elbige zu begeben. Da man nun einige hoffnung und<lb/>
vertro&#x0364;&#x017F;tung gemacht/ ihm etwas zu &#x017F;chencken/ die&#x017F;elbe &#x017F;chenckung aber noch nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">u 2</fw><fw place="bottom" type="catch">voll-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0955] ARTIC. V. SECT. IV. verſtoß des Predigers/ da dieſe aͤuſerliche wort ausgeblieben/ nicht zuzurechen/ oder der tauff die aus der einſetzung ihr zukommende krafft des wegen zu ver- ſagen. Deswegen 5. iſts gnug/ daß der Prediger aus dem zufall die menſchli- che ſchwachheit/ die ſich auch bey der heiligſten handlung euſſert/ erkenne/ ſich des- wegen vor GOtt demuͤthige/ in allen amts verrichtungen/ ſo viel fleißiger ſeine gedancken beyſammen behalte/ hingegen ſich der goͤttlichen erbarmenden gnade troͤſte/ und ſich nicht durch ſchwehrmuth einnehmen laſſe. Der Herr wuͤrcke darinnen in ihm/ was vor ihm gefaͤllig iſt/ beruhige ſein Hertz/ und ſegne ſein amt um Chriſti willen. Amen. SECTIO IV. Ob ein Judenkind wider willen der eltern zutauffen. DJe vorgelegte frage/ habe nicht nur allein in der furcht des HErrn fer- ner erwogen/ ſondern auch mit meinen gel. Herrn collegis weiter uͤ- berleget: da wir dann der jenigen meinung ſind. Daß wir zwar 1. dem neugeboren kind gern die gnade goͤnneten/ zu dem Chriſtenthum auf die- ſe weiſe zukommen und hingegen dadurch auß der finſternus ſeines volcks her- aus geriſſen zu werden: Jn welcher ſache GOtt manchmahl allerhand gele- genheit gebraucht. Jndeſſen 2. ſehen wir noch nicht/ mit was fug ſolches je- tzo geſchehen koͤnte/ wo der wille deß vaters nicht dabey waͤre. Es hebet daß Evangelium und lehre des heils nicht auff weder die Policey noch die vaͤterli- che gewalt/ und iſt alſo daß kind annoch in ſeiner eltern diſpoſition, als lang es nicht auf andere von GOtt ſelbs geſchickte weiſe davon befreyet/ und in der Chriſten gewalt gebracht wird. Zwar 3. moͤchte dieſes eines ſtarcken ſchein haben/ daß der vater ſich ſeines rechten begeben/ in dem er ſich ſelbſt ſamt ſei- nem noch ungeboren kind zu dem Chriſtenthum verſprochen/ und alſo wo er ja vor ſich ſeinen vorſatz retractiren wolte/ dennoch wegen deß kindes die ſache nicht zuruͤck zu ziehen befugt ſeye: daher wo er nun ſeinen verſpruch nicht hal- ten wolte/ ihm daſſelbige wohl moͤchte mit gewalt genommen werden. Aber wir ſehen nicht wie ſolches hie ſtatt habe. Jndem der vater ſolches ſein kind nicht nach wuͤrcklicher der Chriſtlichen kirche oder Hochgraͤfl. Herrſchafft zu- ſolchen ende uͤbergeben und geſchencket hat/ ſondern es iſt allein eine vertroͤ- ſtung davon geſchehen/ und zwar mit ſich daſſelbige der Chriſtlichen kir- chen zuzufuͤhren/ er hingegen nimmermehr auch nur die gedancken wird gehabt haben/ daſſelbe allein der Chriſtlichen kirchen zu uͤberlaſſen/ oder ſich ſeines rechts uͤber daſſelbige zu begeben. Da man nun einige hoffnung und vertroͤſtung gemacht/ ihm etwas zu ſchencken/ dieſelbe ſchenckung aber noch nicht voll- u 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/955
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/955>, abgerufen am 28.03.2024.