Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. und vergebung der sünden zusammen setzet/ sie voneinander trennen dörffte/ undalso um des ministerii ehre willen die göttliche zu verletzen: es wird auch hoffent- lich kein gottseliger Prediger solche macht ihm selbs zumessen und GOtt gleich werden wollen. Bleibet nun aber dieser satz fest/ daß kein unbußfertiger von der absolution einige krafft empfange als lang er in solchem stande stehet/ so wird des ministerii ehr im geringsten dardurch nicht vermehret/ da er die bedingung nicht dazu setzet/ sondern absolute redet: dann dabey bleibeits/ der beichtende er- langet dasjenige nicht/ was ihm die absolution zusagt/ wo nicht solche bedingung/ nemlich der buß und glaubens/ bey ihm erfüllet ist. Was vor ehre soll ich aber darinnen suchen/ daß ich etwas absolute aussprechen dörffe/ da der ver- stand doch conditionat bliebe? Ja solte nicht dieses vielmehr zur ehre des mi- nisterii dienen/ daß dasselbe/ weil die absolution unter der unbedingten formul leicht übel verstanden würde/ und die sich also dardurch in sicherheit betrögen dermaleins klagen könten/ daß man dardurch an ihrem gericht ursach seye/ sei- ne reden lieber also einrichtete/ daß zwar niemand an dem nöthigen trost abgang hätte/ hingegen auch keiner anders als muthwillig sich daraus verführen könte. Welche auffrichtigkeit gewißlich eine mehrere ehre dem ministerio giebet/ als daß sie dessen würde einiger massen schwächen solte. 4. Nechst dem insgesamt ist die regel der wahrheit einer lehre nicht die ehre dieses oder jenes standes/ ob nemlich diese dardurch befordert oder geschmälert würde/ sondern göttliches wort/ und wohin uns dasselbe anweiset/ so dann welches daraus folget/ weil uns das göttliche wort immer dahin führet/ was die göttliche ehre mehr erhebet oder niederdrucket: wie dann was wahrhafftig/ und nach göttlicher ordnung/ die ehre Gottes befördert/ nothwendig eine göttliche wahrheit seyn muß/ nichts aber vor eine solche erkant werden darff/ was jene wahrhafftig schmälerte. Die III. Frage. Ob man wol der fidei carbonariae könne beschuldiget wer- den/ und es einerley mit der Papisten/ credo quod Ecclesia cre- dit, seye/ wo ein Prediger seiner gewesener Praeceptorum collegia hochhalte/ und dieser schuldig seye mit verwerffung des von ihnen ge- fasten/ solche seine orthodoxos, accuratos und satis fidos Praecepto- res zuverwerffen/ zubeschimpffen und zuverdammen? 1. VOn einer fide carbonaria kan hier nicht gedacht werden: dann dieselbe heist sich
Das andere Capitel. und vergebung der ſuͤnden zuſammen ſetzet/ ſie voneinander trennen doͤrffte/ undalſo um des miniſterii ehre willen die goͤttliche zu verletzen: es wird auch hoffent- lich kein gottſeliger Prediger ſolche macht ihm ſelbs zumeſſen und GOtt gleich werden wollen. Bleibet nun aber dieſer ſatz feſt/ daß kein unbußfertiger von der abſolution einige krafft empfange als lang er in ſolchem ſtande ſtehet/ ſo wird des miniſterii ehr im geringſten dardurch nicht vermehret/ da er die bedingung nicht dazu ſetzet/ ſondern abſolutè redet: dann dabey bleibeits/ der beichtende er- langet dasjenige nicht/ was ihm die abſolution zuſagt/ wo nicht ſolche bedingung/ nemlich der buß und glaubens/ bey ihm erfuͤllet iſt. Was vor ehre ſoll ich aber darinnen ſuchen/ daß ich etwas abſolutè ausſprechen doͤrffe/ da der ver- ſtand doch conditionat bliebe? Ja ſolte nicht dieſes vielmehr zur ehre des mi- niſterii dienen/ daß daſſelbe/ weil die abſolution unter der unbedingten formul leicht uͤbel verſtanden wuͤrde/ und die ſich alſo dardurch in ſicherheit betroͤgen dermaleins klagen koͤnten/ daß man dardurch an ihrem gericht urſach ſeye/ ſei- ne reden lieber alſo einrichtete/ daß zwar niemand an dem noͤthigen troſt abgang haͤtte/ hingegen auch keiner anders als muthwillig ſich daraus verfuͤhren koͤnte. Welche auffrichtigkeit gewißlich eine mehrere ehre dem miniſterio giebet/ als daß ſie deſſen wuͤrde einiger maſſen ſchwaͤchen ſolte. 4. Nechſt dem insgeſamt iſt die regel der wahrheit einer lehre nicht die ehre dieſes oder jenes ſtandes/ ob nemlich dieſe dardurch befordert oder geſchmaͤlert wuͤrde/ ſondern goͤttliches wort/ und wohin uns daſſelbe anweiſet/ ſo dann welches daraus folget/ weil uns das goͤttliche wort immer dahin fuͤhret/ was die goͤttliche ehre mehr erhebet oder niederdrucket: wie dann was wahrhafftig/ und nach goͤttlicher ordnung/ die ehre Gottes befoͤrdert/ nothwendig eine goͤttliche wahrheit ſeyn muß/ nichts aber vor eine ſolche erkant werden darff/ was jene wahrhafftig ſchmaͤlerte. Die III. Frage. Ob man wol der fidei carbonariæ koͤnne beſchuldiget wer- den/ und es einerley mit der Papiſten/ credo quod Eccleſia cre- dit, ſeye/ wo ein Prediger ſeiner geweſener Præceptorum collegia hochhalte/ und dieſer ſchuldig ſeye mit verwerffung des von ihnen ge- faſten/ ſolche ſeine orthodoxos, accuratos und ſatis fidos Præcepto- res zuverwerffen/ zubeſchimpffen und zuverdammen? 1. VOn einer fide carbonaria kan hier nicht gedacht werden: dann dieſelbe heiſt ſich
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Das andere Capitel.
und vergebung der ſuͤnden zuſammen ſetzet/ ſie voneinander trennen doͤrffte/ und
alſo um des miniſterii ehre willen die goͤttliche zu verletzen: es wird auch hoffent-
lich kein gottſeliger Prediger ſolche macht ihm ſelbs zumeſſen und GOtt gleich
werden wollen. Bleibet nun aber dieſer ſatz feſt/ daß kein unbußfertiger von
der abſolution einige krafft empfange als lang er in ſolchem ſtande ſtehet/ ſo wird
des miniſterii ehr im geringſten dardurch nicht vermehret/ da er die bedingung
nicht dazu ſetzet/ ſondern abſolutè redet: dann dabey bleibeits/ der beichtende er-
langet dasjenige nicht/ was ihm die abſolution zuſagt/ wo nicht ſolche bedingung/
nemlich der buß und glaubens/ bey ihm erfuͤllet iſt. Was vor ehre ſoll ich
aber darinnen ſuchen/ daß ich etwas abſolutè ausſprechen doͤrffe/ da der ver-
ſtand doch conditionat bliebe? Ja ſolte nicht dieſes vielmehr zur ehre des mi-
niſterii dienen/ daß daſſelbe/ weil die abſolution unter der unbedingten formul
leicht uͤbel verſtanden wuͤrde/ und die ſich alſo dardurch in ſicherheit betroͤgen
dermaleins klagen koͤnten/ daß man dardurch an ihrem gericht urſach ſeye/ ſei-
ne reden lieber alſo einrichtete/ daß zwar niemand an dem noͤthigen troſt abgang
haͤtte/ hingegen auch keiner anders als muthwillig ſich daraus verfuͤhren koͤnte.
Welche auffrichtigkeit gewißlich eine mehrere ehre dem miniſterio giebet/ als
daß ſie deſſen wuͤrde einiger maſſen ſchwaͤchen ſolte. 4. Nechſt dem insgeſamt
iſt die regel der wahrheit einer lehre nicht die ehre dieſes oder jenes ſtandes/ ob
nemlich dieſe dardurch befordert oder geſchmaͤlert wuͤrde/ ſondern goͤttliches
wort/ und wohin uns daſſelbe anweiſet/ ſo dann welches daraus folget/ weil
uns das goͤttliche wort immer dahin fuͤhret/ was die goͤttliche ehre mehr erhebet
oder niederdrucket: wie dann was wahrhafftig/ und nach goͤttlicher ordnung/
die ehre Gottes befoͤrdert/ nothwendig eine goͤttliche wahrheit ſeyn muß/ nichts
aber vor eine ſolche erkant werden darff/ was jene wahrhafftig ſchmaͤlerte.
Die III. Frage.
Ob man wol der fidei carbonariæ koͤnne beſchuldiget wer-
den/ und es einerley mit der Papiſten/ credo quod Eccleſia cre-
dit, ſeye/ wo ein Prediger ſeiner geweſener Præceptorum collegia
hochhalte/ und dieſer ſchuldig ſeye mit verwerffung des von ihnen ge-
faſten/ ſolche ſeine orthodoxos, accuratos und ſatis fidos Præcepto-
res zuverwerffen/ zubeſchimpffen und
zuverdammen?
1.
VOn einer fide carbonaria kan hier nicht gedacht werden: dann dieſelbe heiſt
eigentlich/ glauben was die kirche glaubet/ und doch nicht wiſſen was
dieſelbe glaube/ daher ſie allein fides implicita iſt: da ich aber nicht zweiffle/ der
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <http://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1010>, abgerufen am 16.01.2021. |