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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
SECTIO XIII.
Wie mit leuten die der zauberey verdächtig
umbzugehen.

JCH halte das laster der zauberey/ ob wol von sich selbs eines der er-
schrecklichsten/ hingegen auch der art zuseyn/ daß man die gröste vor-
sichtigkeit gegen die dessen verdächtige zu gebrauchen nöthig habe. Es
ist der erweiß desselben/ wo nicht vergifftungen und andere wirckliche mißhand-
lungen/ davon ein corpus delicti gezeiget werden kan/ darzu kommen/ wol der
allerschwehrste. Und zwar sehe ich nicht/ wie den bekäntnüssen anderer beschul-
digten/ es sey nun auff tortur oder freywillig gethan/ sicherer glauben zugestellet
werden könne. Denn es ist die bekennende oder angeberin selbs schuldig oder
unschuldig/ ist dieses letzte/ sehe ich nicht/ woraus dieselbe eine andere schuldig
machen könte/ als die ja in denen teufflischen versammlungen nie gewesen/ es
wäre denn sache/ daß sie von einer andern hätte wollen zu dergleichen boßheit
verführet werden. Jst aber das angeben von einer wahren zauberin geschehen/
begreiffe abermal nicht/ wie derselben/ als einer sclavin des lügen-geists/ wor-
te von andern glauben verdienen: Und solte nicht zu sorgen seyn/ daß allerdings
des teuffels freude diese seyn werde/ unschuldige leute aus haß in unglück oder
gar lebensgefahr zu bringen/ und dahin seine eigne werckzeuge zu verleiten/ ja
gar auff ihren zusammenkünfften gestallten Christlicher personen zu repraesenti-
r
en/ als wären sie unter ihnen/ also daß diese es selbs glauben/ sie wären mit
denselben umgegangen/ da jene ferne davon gewesen? auffs wenigste ist solches
der art des lügners und mörders nicht ungemäß. Daher ich sorge/ sonderlich
wo es anfängt auff formliche hexen inquisitiones und brennen auszulauffen/ wel-
ches so bald geschiehet/ als man dergleichen denunciationibus schlechterdings
glauben zustellet/ daß alsdann sehr viel unschuldige/ weil sie nachmahl der fol-
ter pein zu falschem bekänntnüs bringt/ verbrannt werden. Wie ich mich von
mehrern exempeln an einem ort an dem Rheinstrom/ da das hexenbrennen über-
hand nahm/ versichert halte/ daß viele unschuldig gestorben. Wie unter an-
dern eine junge braut noch vorigen tag/ ehe sie sterben muste/ ihrem bräutigam
ihre unschuld bezeugte/ und freudig an den todt gieng/ eine von solchem laster
reine seele ihrem Heyland dar zu bringen: wolte auch nicht/ daß ers der Obrig-
keit anzeigen solte/ dann sie nichts anders als nochmalige folter und dannoch den
todt/ weil sie die folter nicht aushalten könte/ zu erwarten hätte: ein anderer
bekandte seinem Sohn/ einem Studioso Theologiae, der meines ermessens noch
jetzt im amt stehen wird/ nicht weniger seine unschuld in solcher sache/ mit bey-

satz/
Das andere Capitel.
SECTIO XIII.
Wie mit leuten die der zauberey verdaͤchtig
umbzugehen.

JCH halte das laſter der zauberey/ ob wol von ſich ſelbs eines der er-
ſchrecklichſten/ hingegen auch der art zuſeyn/ daß man die groͤſte vor-
ſichtigkeit gegen die deſſen verdaͤchtige zu gebrauchen noͤthig habe. Es
iſt der erweiß deſſelben/ wo nicht vergifftungen und andere wirckliche mißhand-
lungen/ davon ein corpus delicti gezeiget werden kan/ darzu kommen/ wol der
allerſchwehrſte. Und zwar ſehe ich nicht/ wie den bekaͤntnuͤſſen anderer beſchul-
digten/ es ſey nun auff tortur oder freywillig gethan/ ſicherer glauben zugeſtellet
werden koͤnne. Denn es iſt die bekennende oder angeberin ſelbs ſchuldig oder
unſchuldig/ iſt dieſes letzte/ ſehe ich nicht/ woraus dieſelbe eine andere ſchuldig
machen koͤnte/ als die ja in denen teuffliſchen verſammlungen nie geweſen/ es
waͤre denn ſache/ daß ſie von einer andern haͤtte wollen zu dergleichen boßheit
verfuͤhret werden. Jſt aber das angeben von einer wahren zauberin geſchehen/
begreiffe abermal nicht/ wie derſelben/ als einer ſclavin des luͤgen-geiſts/ wor-
te von andern glauben verdienen: Und ſolte nicht zu ſorgen ſeyn/ daß allerdings
des teuffels freude dieſe ſeyn werde/ unſchuldige leute aus haß in ungluͤck oder
gar lebensgefahr zu bringen/ und dahin ſeine eigne werckzeuge zu verleiten/ ja
gar auff ihren zuſammenkuͤnfften geſtallten Chriſtlicher perſonen zu repræſenti-
r
en/ als waͤren ſie unter ihnen/ alſo daß dieſe es ſelbs glauben/ ſie waͤren mit
denſelben umgegangen/ da jene ferne davon geweſen? auffs wenigſte iſt ſolches
der art des luͤgners und moͤrders nicht ungemaͤß. Daher ich ſorge/ ſonderlich
wo es anfaͤngt auff formliche hexen inquiſitiones und brennen auszulauffen/ wel-
ches ſo bald geſchiehet/ als man dergleichen denunciationibus ſchlechterdings
glauben zuſtellet/ daß alsdann ſehr viel unſchuldige/ weil ſie nachmahl der fol-
ter pein zu falſchem bekaͤnntnuͤs bringt/ verbrannt werden. Wie ich mich von
mehrern exempeln an einem ort an dem Rheinſtrom/ da das hexenbrennen uͤber-
hand nahm/ verſichert halte/ daß viele unſchuldig geſtorben. Wie unter an-
dern eine junge braut noch vorigen tag/ ehe ſie ſterben muſte/ ihrem braͤutigam
ihre unſchuld bezeugte/ und freudig an den todt gieng/ eine von ſolchem laſter
reine ſeele ihrem Heyland dar zu bringen: wolte auch nicht/ daß ers der Obrig-
keit anzeigen ſolte/ dann ſie nichts anders als nochmalige folter und dannoch den
todt/ weil ſie die folter nicht aushalten koͤnte/ zu erwarten haͤtte: ein anderer
bekandte ſeinem Sohn/ einem Studioſo Theologiæ, der meines ermeſſens noch
jetzt im amt ſtehen wird/ nicht weniger ſeine unſchuld in ſolcher ſache/ mit bey-

ſatz/
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[228/1028] Das andere Capitel. SECTIO XIII. Wie mit leuten die der zauberey verdaͤchtig umbzugehen. JCH halte das laſter der zauberey/ ob wol von ſich ſelbs eines der er- ſchrecklichſten/ hingegen auch der art zuſeyn/ daß man die groͤſte vor- ſichtigkeit gegen die deſſen verdaͤchtige zu gebrauchen noͤthig habe. Es iſt der erweiß deſſelben/ wo nicht vergifftungen und andere wirckliche mißhand- lungen/ davon ein corpus delicti gezeiget werden kan/ darzu kommen/ wol der allerſchwehrſte. Und zwar ſehe ich nicht/ wie den bekaͤntnuͤſſen anderer beſchul- digten/ es ſey nun auff tortur oder freywillig gethan/ ſicherer glauben zugeſtellet werden koͤnne. Denn es iſt die bekennende oder angeberin ſelbs ſchuldig oder unſchuldig/ iſt dieſes letzte/ ſehe ich nicht/ woraus dieſelbe eine andere ſchuldig machen koͤnte/ als die ja in denen teuffliſchen verſammlungen nie geweſen/ es waͤre denn ſache/ daß ſie von einer andern haͤtte wollen zu dergleichen boßheit verfuͤhret werden. Jſt aber das angeben von einer wahren zauberin geſchehen/ begreiffe abermal nicht/ wie derſelben/ als einer ſclavin des luͤgen-geiſts/ wor- te von andern glauben verdienen: Und ſolte nicht zu ſorgen ſeyn/ daß allerdings des teuffels freude dieſe ſeyn werde/ unſchuldige leute aus haß in ungluͤck oder gar lebensgefahr zu bringen/ und dahin ſeine eigne werckzeuge zu verleiten/ ja gar auff ihren zuſammenkuͤnfften geſtallten Chriſtlicher perſonen zu repræſenti- ren/ als waͤren ſie unter ihnen/ alſo daß dieſe es ſelbs glauben/ ſie waͤren mit denſelben umgegangen/ da jene ferne davon geweſen? auffs wenigſte iſt ſolches der art des luͤgners und moͤrders nicht ungemaͤß. Daher ich ſorge/ ſonderlich wo es anfaͤngt auff formliche hexen inquiſitiones und brennen auszulauffen/ wel- ches ſo bald geſchiehet/ als man dergleichen denunciationibus ſchlechterdings glauben zuſtellet/ daß alsdann ſehr viel unſchuldige/ weil ſie nachmahl der fol- ter pein zu falſchem bekaͤnntnuͤs bringt/ verbrannt werden. Wie ich mich von mehrern exempeln an einem ort an dem Rheinſtrom/ da das hexenbrennen uͤber- hand nahm/ verſichert halte/ daß viele unſchuldig geſtorben. Wie unter an- dern eine junge braut noch vorigen tag/ ehe ſie ſterben muſte/ ihrem braͤutigam ihre unſchuld bezeugte/ und freudig an den todt gieng/ eine von ſolchem laſter reine ſeele ihrem Heyland dar zu bringen: wolte auch nicht/ daß ers der Obrig- keit anzeigen ſolte/ dann ſie nichts anders als nochmalige folter und dannoch den todt/ weil ſie die folter nicht aushalten koͤnte/ zu erwarten haͤtte: ein anderer bekandte ſeinem Sohn/ einem Studioſo Theologiæ, der meines ermeſſens noch jetzt im amt ſtehen wird/ nicht weniger ſeine unſchuld in ſolcher ſache/ mit bey- ſatz/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1028>, abgerufen am 28.03.2024.