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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XV.
in dem er auff eine sonderbare art zugegen ist: ja daß wir ihn anbeten sollen
und müssen/ ob wol solche anbetung nicht eben allezeit und nothwendig mit
dem eusserlichen niederknien/ oder niederfallen geschehen muß: indessen hal-
ten wir doch solche ceremonie des kniens oder beugens vor gantzzimlich/ je-
doch gedachter massen nicht gantz nothwendig/ wie dann/ so offt ich das va-
ter unser bete/ ich darinnen die gantze heil. Dreyfaltigkeit wahrhafftig anbe-
te/ ob wol nicht eben allezeit solches kniend geschihet/ sondern die anbetung
auch allein mit demüthiger verehrung in der seelen/ im geist/ und in der
wahrheit
geschehen kan/ so mir auch kein Papist wol läugnen wird: und das
ists/ wenn einige der unsrigen sprechen/ daß man die anbetung in dem heil. A-
bendmahl frey lasse/ nicht ob stünde jemand frey mit glaubiger verehrung in
seiner seele den liebsten Heyland in dem Sacrament anzubeten/ welches je-
der würdiger Communicant thut/ sondern/ daß die eusserliche bezeugung der
anbetung mit niederfallen in dem heil. Abendmahl nicht eben bloß dahin von
allen erfordert/ aber auch von niemand verworffen werden könne oder solle.
Was aber die andern beyde postulata betrifft/ daß der leib Christi auch
ausser dem gebrauch zugegen seye/ und daß das brodt wahrhafftig
in denselben verwandelt werde/
darinnen bestehet der haupt-streit/ und
zwahr sonderlich in diesem letzten/ dann das erste hänget an diesem/ und wo
das brodt in den leib des HErrn verwandelt ist/ kan kein zweiffel mehr seyn/
daß es allezeit der leib des HErrn seye/ verhält sichs aber damit also/ wie
wir Evangelische die gegenwart Christi in dem heil. Abendmahl glauben/ so
wird abermal von selbs erhellen/ daß ausser dem gebrauch der leib CHristi
nicht da seye. Also kommt alle macht des streits auff die frage von der trans-
substantiation.

Diese verwandelung will nun P. Dez pag. 180. erweisen: 1. Daß die
Augspurgische Confession samt deroselben Apologie solche scheine voraus
zu setzen und klährlich zu behaupten. Obs aber unserm P. Dez also
scheinet/ so ists doch nicht in der that also. Denn ob wol die wort des arti-
culs lauten/ sub specie panis unter der gestalt des brodts und weins/
lehret doch die Apologie deutlich/ quod vere exhibeantur cum illis rebus,
quae videntur, pane & vino,
oder wie es in dem teutschen lautet/ mit den sicht-
baren dingen brodt und wein
(darauß erhellet/ daß das wort species o-
der gestalt die sache selbs bedeutet/ wie wir auch in unserer kirche annoch die
redens-art gebrauchen/ unter einer oder zwey gestalten/ ob wir wol wahrhaf-
tig brodt und wein da zuseyn glauben) wann aber die angeführte Grichische leh-
rer das wort verwandeln gebrauchen/ haben die unsrige offt biß daher ge-
gen die Päpstische erwiesen/ daß sie dasselbe gar in anderem/ und uns un-

schäd-
Q 3

SECTIO XV.
in dem er auff eine ſonderbare art zugegen iſt: ja daß wir ihn anbeten ſollen
und muͤſſen/ ob wol ſolche anbetung nicht eben allezeit und nothwendig mit
dem euſſerlichen niederknien/ oder niederfallen geſchehen muß: indeſſen hal-
ten wir doch ſolche ceremonie des kniens oder beugens vor gantzzimlich/ je-
doch gedachter maſſen nicht gantz nothwendig/ wie dann/ ſo offt ich das va-
ter unſer bete/ ich darinnen die gantze heil. Dreyfaltigkeit wahrhafftig anbe-
te/ ob wol nicht eben allezeit ſolches kniend geſchihet/ ſondern die anbetung
auch allein mit demuͤthiger verehrung in der ſeelen/ im geiſt/ und in der
wahrheit
geſchehen kan/ ſo mir auch kein Papiſt wol laͤugnen wird: und das
iſts/ wenn einige der unſrigen ſprechen/ daß man die anbetung in dem heil. A-
bendmahl frey laſſe/ nicht ob ſtuͤnde jemand frey mit glaubiger verehrung in
ſeiner ſeele den liebſten Heyland in dem Sacrament anzubeten/ welches je-
der wuͤrdiger Communicant thut/ ſondern/ daß die euſſerliche bezeugung der
anbetung mit niederfallen in dem heil. Abendmahl nicht eben bloß dahin von
allen erfordert/ aber auch von niemand verworffen werden koͤnne oder ſolle.
Was aber die andern beyde poſtulata betrifft/ daß der leib Chriſti auch
auſſer dem gebrauch zugegen ſeye/ und daß das brodt wahrhafftig
in denſelben verwandelt werde/
darinnen beſtehet der haupt-ſtreit/ und
zwahr ſonderlich in dieſem letzten/ dann das erſte haͤnget an dieſem/ und wo
das brodt in den leib des HErrn verwandelt iſt/ kan kein zweiffel mehr ſeyn/
daß es allezeit der leib des HErrn ſeye/ verhaͤlt ſichs aber damit alſo/ wie
wir Evangeliſche die gegenwart Chriſti in dem heil. Abendmahl glauben/ ſo
wird abermal von ſelbs erhellen/ daß auſſer dem gebrauch der leib CHriſti
nicht da ſeye. Alſo kommt alle macht des ſtreits auff die frage von der trans-
ſubſtantiation.

Dieſe verwandelung will nun P. Dez pag. 180. erweiſen: 1. Daß die
Augſpurgiſche Confeſſion ſamt deroſelben Apologie ſolche ſcheine voraus
zu ſetzen und klaͤhrlich zu behaupten. Obs aber unſerm P. Dez alſo
ſcheinet/ ſo iſts doch nicht in der that alſo. Denn ob wol die wort des arti-
culs lauten/ ſub ſpecie panis unter der geſtalt des brodts und weins/
lehret doch die Apologie deutlich/ quod vere exhibeantur cum illis rebus,
quæ videntur, pane & vino,
oder wie es in dem teutſchen lautet/ mit den ſicht-
baren dingen brodt und wein
(darauß erhellet/ daß das wort ſpecies o-
der geſtalt die ſache ſelbs bedeutet/ wie wir auch in unſerer kirche annoch die
redens-art gebrauchen/ unter einer oder zwey geſtalten/ ob wir wol wahrhaf-
tig bꝛodt und wein da zuſeyn glaubẽ) wann abeꝛ die angefuͤhꝛte Grichiſche leh-
rer das wort verwandeln gebrauchen/ haben die unſrige offt biß daher ge-
gen die Paͤpſtiſche erwieſen/ daß ſie daſſelbe gar in anderem/ und uns un-

ſchaͤd-
Q 3
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[125/0141] SECTIO XV. in dem er auff eine ſonderbare art zugegen iſt: ja daß wir ihn anbeten ſollen und muͤſſen/ ob wol ſolche anbetung nicht eben allezeit und nothwendig mit dem euſſerlichen niederknien/ oder niederfallen geſchehen muß: indeſſen hal- ten wir doch ſolche ceremonie des kniens oder beugens vor gantzzimlich/ je- doch gedachter maſſen nicht gantz nothwendig/ wie dann/ ſo offt ich das va- ter unſer bete/ ich darinnen die gantze heil. Dreyfaltigkeit wahrhafftig anbe- te/ ob wol nicht eben allezeit ſolches kniend geſchihet/ ſondern die anbetung auch allein mit demuͤthiger verehrung in der ſeelen/ im geiſt/ und in der wahrheit geſchehen kan/ ſo mir auch kein Papiſt wol laͤugnen wird: und das iſts/ wenn einige der unſrigen ſprechen/ daß man die anbetung in dem heil. A- bendmahl frey laſſe/ nicht ob ſtuͤnde jemand frey mit glaubiger verehrung in ſeiner ſeele den liebſten Heyland in dem Sacrament anzubeten/ welches je- der wuͤrdiger Communicant thut/ ſondern/ daß die euſſerliche bezeugung der anbetung mit niederfallen in dem heil. Abendmahl nicht eben bloß dahin von allen erfordert/ aber auch von niemand verworffen werden koͤnne oder ſolle. Was aber die andern beyde poſtulata betrifft/ daß der leib Chriſti auch auſſer dem gebrauch zugegen ſeye/ und daß das brodt wahrhafftig in denſelben verwandelt werde/ darinnen beſtehet der haupt-ſtreit/ und zwahr ſonderlich in dieſem letzten/ dann das erſte haͤnget an dieſem/ und wo das brodt in den leib des HErrn verwandelt iſt/ kan kein zweiffel mehr ſeyn/ daß es allezeit der leib des HErrn ſeye/ verhaͤlt ſichs aber damit alſo/ wie wir Evangeliſche die gegenwart Chriſti in dem heil. Abendmahl glauben/ ſo wird abermal von ſelbs erhellen/ daß auſſer dem gebrauch der leib CHriſti nicht da ſeye. Alſo kommt alle macht des ſtreits auff die frage von der trans- ſubſtantiation. Dieſe verwandelung will nun P. Dez pag. 180. erweiſen: 1. Daß die Augſpurgiſche Confeſſion ſamt deroſelben Apologie ſolche ſcheine voraus zu ſetzen und klaͤhrlich zu behaupten. Obs aber unſerm P. Dez alſo ſcheinet/ ſo iſts doch nicht in der that alſo. Denn ob wol die wort des arti- culs lauten/ ſub ſpecie panis unter der geſtalt des brodts und weins/ lehret doch die Apologie deutlich/ quod vere exhibeantur cum illis rebus, quæ videntur, pane & vino, oder wie es in dem teutſchen lautet/ mit den ſicht- baren dingen brodt und wein (darauß erhellet/ daß das wort ſpecies o- der geſtalt die ſache ſelbs bedeutet/ wie wir auch in unſerer kirche annoch die redens-art gebrauchen/ unter einer oder zwey geſtalten/ ob wir wol wahrhaf- tig bꝛodt und wein da zuſeyn glaubẽ) wann abeꝛ die angefuͤhꝛte Grichiſche leh- rer das wort verwandeln gebrauchen/ haben die unſrige offt biß daher ge- gen die Paͤpſtiſche erwieſen/ daß ſie daſſelbe gar in anderem/ und uns un- ſchaͤd- Q 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/141>, abgerufen am 24.04.2024.