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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
sches anklebet/ in dem achten/ was er aus der krafft des geistes und der wie-
dergebuhrt ist/ hat und thut. Jndessen ists einer.
9. Jst sonderlich zu mercken/ daß in keiner eintzigen version, auch in der
grund-sprache nicht stehen solle/ was c. 7/ 25. gefunden wird/ das wort Nun:
wol aber im anfang c. 8. welches wort die meiste schwehrigkeit mir gemacht
hat/ daß Paulus als ein wiedergebohrner dennoch sagen solte: Mit dem
fleisch dem gesetze der sünden. etc. Antw. Jch begreiffe die absicht dieses
einwurffs nicht recht: sonderlich was das wort Nun seyn solle: denn wo der
jenige/ der den einwurff gemacht/ dadurch verstanden hat/ daß es heisse/ jetzt
oder zu der zeit/ so hat er unsers Lutheri sinn in der übersetzung nicht ver-
standen: denn es heisset ihm nun dieses orts so viel als deswegen/ und ist
also ein bindungs- und folge-wörtlein. Einige versiones darüber auffzusu-
chen/ achte nicht nöthig. Jn dem Grichischen aber stehet an beyden orten c.
7/ 25. 8/ 1. das wörtlein ara. Daß also jene letzte wort des 7. capitels der
schluß der gantzen materie ist/ wie es eine bewandnüß habe mit dem zustande
der wiedergebohrnen/ sofern sie nach dem fleisch/ das sie noch an sich haben/
betrachtet werden: darauff c. 8/ 1. der Apostel fortfähret/ und zeiget/ wie sie
solches doch nicht von der seligkeit ausschliessen könne. Es darff aber dieses
keine schwehrigkeit nicht machen/ daß Paulus als ein wiedergebohrner sage/
er diene mit dem fleisch dem gesetz der sünde: dann solches kommt freylich Pau-
lo zu/ nicht als einem wiedergebohrnen/ sondern als einem der zwahr wieder-
gebohren seye/ aber solches orts betrachtet werde/ nach dem noch anklebenden
fleisch: damit alle vermeinte schwehrigkeit gehoben ist etc.
SECTIO XXIV.
Frage.
Weil wir alle mit einander die erste gnade GOt-
tes verstossen/ ob ich nicht sagen kan/ daß Gott der allwissen-
de/ bey demjenigen/ dem er neue gnade gibet/ nachdem er vorher si-
het/ daß er die gnade endlich nicht allezeit werde muthwillig von sich
stossen/ daß er dann etwas des unsrigen angesehen habe? und wie ich
solches nennen solle; gutes kan es nicht heissen/ weil nichts gutes in
uns wohnet/ ob ich dann nicht sagen kan/ daß bey solchem men-
schen GOtt der HErr weniger böses sihet/ und ihm
also vor andern mehr gnade thut?

§. 1.

JN der beantwortung muß darauff gesehen werden/ daß weder einer seit

eini-
Das erſte Capitel.
ſches anklebet/ in dem achten/ was er aus der krafft des geiſtes und der wie-
dergebuhrt iſt/ hat und thut. Jndeſſen iſts einer.
9. Jſt ſonderlich zu mercken/ daß in keiner eintzigen verſion, auch in der
grund-ſprache nicht ſtehen ſolle/ was c. 7/ 25. gefunden wird/ das wort Nun:
wol aber im anfang c. 8. welches wort die meiſte ſchwehrigkeit mir gemacht
hat/ daß Paulus als ein wiedergebohrner dennoch ſagen ſolte: Mit dem
fleiſch dem geſetze der ſuͤnden. etc. Antw. Jch begreiffe die abſicht dieſes
einwurffs nicht recht: ſonderlich was das wort Nun ſeyn ſolle: denn wo der
jenige/ der den einwurff gemacht/ dadurch verſtanden hat/ daß es heiſſe/ jetzt
oder zu der zeit/ ſo hat er unſers Lutheri ſinn in der uͤberſetzung nicht ver-
ſtanden: denn es heiſſet ihm nun dieſes orts ſo viel als deswegen/ und iſt
alſo ein bindungs- und folge-woͤrtlein. Einige verſiones daruͤber auffzuſu-
chen/ achte nicht noͤthig. Jn dem Grichiſchen aber ſtehet an beyden orten c.
7/ 25. 8/ 1. das woͤrtlein ἄρα. Daß alſo jene letzte wort des 7. capitels der
ſchluß der gantzen materie iſt/ wie es eine bewandnuͤß habe mit dem zuſtande
der wiedergebohrnen/ ſofern ſie nach dem fleiſch/ das ſie noch an ſich haben/
betrachtet werden: darauff c. 8/ 1. der Apoſtel fortfaͤhret/ und zeiget/ wie ſie
ſolches doch nicht von der ſeligkeit ausſchlieſſen koͤnne. Es darff aber dieſes
keine ſchwehrigkeit nicht machen/ daß Paulus als ein wiedergebohrner ſage/
er diene mit dem fleiſch dem geſetz der ſuͤnde: dann ſolches kommt freylich Pau-
lo zu/ nicht als einem wiedergebohrnen/ ſondern als einem der zwahr wieder-
gebohren ſeye/ aber ſolches orts betrachtet werde/ nach dem noch anklebenden
fleiſch: damit alle vermeinte ſchwehrigkeit gehoben iſt ꝛc.
SECTIO XXIV.
Frage.
Weil wir alle mit einander die erſte gnade GOt-
tes verſtoſſen/ ob ich nicht ſagen kan/ daß Gott der allwiſſen-
de/ bey demjenigen/ dem er neue gnade gibet/ nachdem er vorher ſi-
het/ daß er die gnade endlich nicht allezeit werde muthwillig von ſich
ſtoſſen/ daß er dann etwas des unſrigen angeſehen habe? und wie ich
ſolches nennen ſolle; gutes kan es nicht heiſſen/ weil nichts gutes in
uns wohnet/ ob ich dann nicht ſagen kan/ daß bey ſolchem men-
ſchen GOtt der HErr weniger boͤſes ſihet/ und ihm
alſo vor andern mehr gnade thut?

§. 1.

JN der beantwortung muß darauff geſehen werden/ daß weder einer ſeit

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[170/0186] Das erſte Capitel. ſches anklebet/ in dem achten/ was er aus der krafft des geiſtes und der wie- dergebuhrt iſt/ hat und thut. Jndeſſen iſts einer. 9. Jſt ſonderlich zu mercken/ daß in keiner eintzigen verſion, auch in der grund-ſprache nicht ſtehen ſolle/ was c. 7/ 25. gefunden wird/ das wort Nun: wol aber im anfang c. 8. welches wort die meiſte ſchwehrigkeit mir gemacht hat/ daß Paulus als ein wiedergebohrner dennoch ſagen ſolte: Mit dem fleiſch dem geſetze der ſuͤnden. etc. Antw. Jch begreiffe die abſicht dieſes einwurffs nicht recht: ſonderlich was das wort Nun ſeyn ſolle: denn wo der jenige/ der den einwurff gemacht/ dadurch verſtanden hat/ daß es heiſſe/ jetzt oder zu der zeit/ ſo hat er unſers Lutheri ſinn in der uͤberſetzung nicht ver- ſtanden: denn es heiſſet ihm nun dieſes orts ſo viel als deswegen/ und iſt alſo ein bindungs- und folge-woͤrtlein. Einige verſiones daruͤber auffzuſu- chen/ achte nicht noͤthig. Jn dem Grichiſchen aber ſtehet an beyden orten c. 7/ 25. 8/ 1. das woͤrtlein ἄρα. Daß alſo jene letzte wort des 7. capitels der ſchluß der gantzen materie iſt/ wie es eine bewandnuͤß habe mit dem zuſtande der wiedergebohrnen/ ſofern ſie nach dem fleiſch/ das ſie noch an ſich haben/ betrachtet werden: darauff c. 8/ 1. der Apoſtel fortfaͤhret/ und zeiget/ wie ſie ſolches doch nicht von der ſeligkeit ausſchlieſſen koͤnne. Es darff aber dieſes keine ſchwehrigkeit nicht machen/ daß Paulus als ein wiedergebohrner ſage/ er diene mit dem fleiſch dem geſetz der ſuͤnde: dann ſolches kommt freylich Pau- lo zu/ nicht als einem wiedergebohrnen/ ſondern als einem der zwahr wieder- gebohren ſeye/ aber ſolches orts betrachtet werde/ nach dem noch anklebenden fleiſch: damit alle vermeinte ſchwehrigkeit gehoben iſt ꝛc. SECTIO XXIV. Frage. Weil wir alle mit einander die erſte gnade GOt- tes verſtoſſen/ ob ich nicht ſagen kan/ daß Gott der allwiſſen- de/ bey demjenigen/ dem er neue gnade gibet/ nachdem er vorher ſi- het/ daß er die gnade endlich nicht allezeit werde muthwillig von ſich ſtoſſen/ daß er dann etwas des unſrigen angeſehen habe? und wie ich ſolches nennen ſolle; gutes kan es nicht heiſſen/ weil nichts gutes in uns wohnet/ ob ich dann nicht ſagen kan/ daß bey ſolchem men- ſchen GOtt der HErr weniger boͤſes ſihet/ und ihm alſo vor andern mehr gnade thut? §. 1. JN der beantwortung muß darauff geſehen werden/ daß weder einer ſeit eini-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/186>, abgerufen am 28.03.2024.