Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

SECTIO XLIV.
sehung gegenwärtigen jammers/ nicht aber aus den sprüchen der schrifft/ her-
kommt: so dann werden sie zuweilen verursachet von einigen predigern/ wel-
che solchen tag des HErrn so nahe vorstellen: denen alsdann fromme hertzen
auch ohn vieles untersuchen/ obs in der schrifft gegründet sey oder nicht/ so
viel eher pflegen glauben zuzustellen/ weil wir allezeit dasjenige am leichte-
sten glauben/ was wir am sehnlichsten zu geschehen wünschen. Weil mein
hochg. Hr. Schwager auff die angeführte propheceyungen so ich noch zu er-
füllen bevorstehen achte/ nicht zu antworten beliebet/ so habe auch nichts da-
zu vor dißmahl zu setzen. 1674.

SECTIO XLIV.
Fernere fortsetzung.

MAs anlangt die in etlichen briefen unter uns überlegte materie von der
nähe des jüngsten tages/ halte ich wol daran thun/ nicht viele wort fer-
ner darüber zu verliehren. Wir kommen beyde darinnen überein/ daß
die göttl. schrifft gewiß seye/ daß göttl. verheissungen alle werden erfüllet wer-
den/ oderschon erfüllet seyn/ daß das göttliche wort keinen zweifelhafften son-
dern richtigen verstand habe/ und was dergleichen unwidersprechliche wahr-
heiten mehr sind: so lieben wir auch beyderseits die erscheinung unsers lieb-
sten Erlösers/ auff die wir vertröstet sind/ und deßwegen verlangen/ daß sie/
so bald es göttliche verheissungen zu geben/ erfolgen/ und uns von allem übel
erlösen möge: wir sind auch beyde darinnen eins/ daß der sicherheit ernstlich
widerstanden werden/ und jeglicher sich täglich der zukunfft seines HErrn
(es seye nun der allgemeinen/ oder aber ihm eigenen und besonderen) verse-
hen solle: ob wir dann wohl in der absonderlichen determination nicht eines
sind/ so mag doch solcher unterscheid die übrige einigkeit des Geistes nicht
trennen/ vielweniger die liebe auffheben. Jch halte mich in meinem gewissen
versichert/ daß noch viele und zwahr vortrefliche verheissungen Gottes vorhan-
den seyn/ die noch sollen erfüllet werden/ und warte derselben in gedult/ eben
deßwegen weil GOttes wahrheit unwandelbar ist/ und ergewiß hält/ waß er
zugesagt hat; daß ich mir ein gewissen machte/ zu glauben/ daß GOtt etwaß
versprochen hätte/ welches er nicht auff eher herrlichere als geringere art er-
füllet habe/ oder noch erfüllen werde/ als die verheissungen selbst gelautet:
bete euch deßwegen GOtt/ daß er noch ferner/ wie es seiner weißheit gemäß
ist/ durch solche erfüllungen seinen nahmen heiligen/ sein reich herrlich/ und
seinen willen kräfftig vollbracht werden lassen wolle. Warten andere dessen
nicht/ sondern allein der einigen verheissung der letzten zukunfft/ so lasse ich
sie bey ihren gedancken/ als gewiß/ die sache werde doch geschehen/ und ob

ichs
F f 2

SECTIO XLIV.
ſehung gegenwaͤrtigen jammers/ nicht aber aus den ſpruͤchen der ſchrifft/ her-
kommt: ſo dann werden ſie zuweilen verurſachet von einigen predigern/ wel-
che ſolchen tag des HErrn ſo nahe vorſtellen: denen alsdann fromme hertzen
auch ohn vieles unterſuchen/ obs in der ſchrifft gegruͤndet ſey oder nicht/ ſo
viel eher pflegen glauben zuzuſtellen/ weil wir allezeit dasjenige am leichte-
ſten glauben/ was wir am ſehnlichſten zu geſchehen wuͤnſchen. Weil mein
hochg. Hr. Schwager auff die angefuͤhrte propheceyungen ſo ich noch zu er-
fuͤllen bevorſtehen achte/ nicht zu antworten beliebet/ ſo habe auch nichts da-
zu vor dißmahl zu ſetzen. 1674.

SECTIO XLIV.
Fernere fortſetzung.

MAs anlangt die in etlichẽ briefen unteꝛ uns uͤberlegte materie von der
naͤhe des juͤngſtẽ tages/ halte ich wol daran thun/ nicht viele wort fer-
ner daruͤber zu verliehren. Wir kommen beyde darinnen uͤberein/ daß
die goͤttl. ſchrifft gewiß ſeye/ daß goͤttl. verheiſſungen alle werden erfuͤllet wer-
den/ oderſchon erfuͤllet ſeyn/ daß das goͤttliche wort keinen zweifelhafften ſon-
dern richtigen verſtand habe/ und was dergleichen unwiderſprechliche wahr-
heiten mehr ſind: ſo lieben wir auch beyderſeits die erſcheinung unſers lieb-
ſten Erloͤſers/ auff die wir vertroͤſtet ſind/ und deßwegen verlangen/ daß ſie/
ſo bald es goͤttliche verheiſſungen zu geben/ erfolgen/ und uns von allem uͤbel
erloͤſen moͤge: wir ſind auch beyde darinnen eins/ daß der ſicherheit ernſtlich
widerſtanden werden/ und jeglicher ſich taͤglich der zukunfft ſeines HErrn
(es ſeye nun der allgemeinen/ oder aber ihm eigenen und beſonderen) verſe-
hen ſolle: ob wir dann wohl in der abſonderlichen determination nicht eines
ſind/ ſo mag doch ſolcher unterſcheid die uͤbrige einigkeit des Geiſtes nicht
trennen/ vielweniger die liebe auffheben. Jch halte mich in meinem gewiſſen
verſichert/ daß noch viele uñ zwahr vortrefliche verheiſſungen Gottes vorhan-
den ſeyn/ die noch ſollen erfuͤllet werden/ und warte derſelben in gedult/ eben
deßwegen weil GOttes wahrheit unwandelbar iſt/ und ergewiß haͤlt/ waß er
zugeſagt hat; daß ich mir ein gewiſſen machte/ zu glauben/ daß GOtt etwaß
verſprochen haͤtte/ welches er nicht auff eher herrlichere als geringere art er-
fuͤllet habe/ oder noch erfuͤllen werde/ als die verheiſſungen ſelbſt gelautet:
bete euch deßwegen GOtt/ daß er noch ferner/ wie es ſeiner weißheit gemaͤß
iſt/ durch ſolche erfuͤllungen ſeinen nahmen heiligen/ ſein reich herrlich/ und
ſeinen willen kraͤfftig vollbracht werden laſſen wolle. Warten andere deſſen
nicht/ ſondern allein der einigen verheiſſung der letzten zukunfft/ ſo laſſe ich
ſie bey ihren gedancken/ als gewiß/ die ſache werde doch geſchehen/ und ob

ichs
F f 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0243" n="227"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XLIV.</hi></hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;ehung gegenwa&#x0364;rtigen jammers/ nicht aber aus den &#x017F;pru&#x0364;chen der &#x017F;chrifft/ her-<lb/>
kommt: &#x017F;o dann werden &#x017F;ie zuweilen verur&#x017F;achet von einigen predigern/ wel-<lb/>
che &#x017F;olchen tag des HErrn &#x017F;o nahe vor&#x017F;tellen: denen alsdann fromme hertzen<lb/>
auch ohn vieles unter&#x017F;uchen/ obs in der &#x017F;chrifft gegru&#x0364;ndet &#x017F;ey oder nicht/ &#x017F;o<lb/>
viel eher pflegen glauben zuzu&#x017F;tellen/ weil wir allezeit dasjenige am leichte-<lb/>
&#x017F;ten glauben/ was wir am &#x017F;ehnlich&#x017F;ten zu ge&#x017F;chehen wu&#x0364;n&#x017F;chen. Weil mein<lb/>
hochg. Hr. Schwager auff die angefu&#x0364;hrte propheceyungen &#x017F;o ich noch zu er-<lb/>
fu&#x0364;llen bevor&#x017F;tehen achte/ nicht zu antworten beliebet/ &#x017F;o habe auch nichts da-<lb/>
zu vor dißmahl zu &#x017F;etzen. 1674.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XLIV.</hi></hi><lb/>
Fernere fort&#x017F;etzung.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">M</hi>As anlangt die in etliche&#x0303; briefen unte&#xA75B; uns u&#x0364;berlegte materie von der<lb/>
na&#x0364;he des ju&#x0364;ng&#x017F;te&#x0303; tages/ halte ich wol daran thun/ nicht viele wort fer-<lb/>
ner daru&#x0364;ber zu verliehren. Wir kommen beyde darinnen u&#x0364;berein/ daß<lb/>
die go&#x0364;ttl. &#x017F;chrifft gewiß &#x017F;eye/ daß go&#x0364;ttl. verhei&#x017F;&#x017F;ungen alle werden erfu&#x0364;llet wer-<lb/>
den/ oder&#x017F;chon erfu&#x0364;llet &#x017F;eyn/ daß das go&#x0364;ttliche wort keinen zweifelhafften &#x017F;on-<lb/>
dern richtigen ver&#x017F;tand habe/ und was dergleichen unwider&#x017F;prechliche wahr-<lb/>
heiten mehr &#x017F;ind: &#x017F;o lieben wir auch beyder&#x017F;eits die er&#x017F;cheinung un&#x017F;ers lieb-<lb/>
&#x017F;ten Erlo&#x0364;&#x017F;ers/ auff die wir vertro&#x0364;&#x017F;tet &#x017F;ind/ und deßwegen verlangen/ daß &#x017F;ie/<lb/>
&#x017F;o bald es go&#x0364;ttliche verhei&#x017F;&#x017F;ungen zu geben/ erfolgen/ und uns von allem u&#x0364;bel<lb/>
erlo&#x0364;&#x017F;en mo&#x0364;ge: wir &#x017F;ind auch beyde darinnen eins/ daß der &#x017F;icherheit ern&#x017F;tlich<lb/>
wider&#x017F;tanden werden/ und jeglicher &#x017F;ich ta&#x0364;glich der zukunfft &#x017F;eines HErrn<lb/>
(es &#x017F;eye nun der allgemeinen/ oder aber ihm eigenen und be&#x017F;onderen) ver&#x017F;e-<lb/>
hen &#x017F;olle: ob wir dann wohl in der ab&#x017F;onderlichen <hi rendition="#aq">determinati</hi>on nicht eines<lb/>
&#x017F;ind/ &#x017F;o mag doch &#x017F;olcher unter&#x017F;cheid die u&#x0364;brige einigkeit des Gei&#x017F;tes nicht<lb/>
trennen/ vielweniger die liebe auffheben. Jch halte mich in meinem gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ver&#x017F;ichert/ daß noch viele un&#x0303; zwahr vortrefliche verhei&#x017F;&#x017F;ungen Gottes vorhan-<lb/>
den &#x017F;eyn/ die noch &#x017F;ollen erfu&#x0364;llet werden/ und warte der&#x017F;elben in gedult/ eben<lb/>
deßwegen weil GOttes wahrheit unwandelbar i&#x017F;t/ und ergewiß ha&#x0364;lt/ waß er<lb/>
zuge&#x017F;agt hat; daß ich mir ein gewi&#x017F;&#x017F;en machte/ zu glauben/ daß GOtt etwaß<lb/>
ver&#x017F;prochen ha&#x0364;tte/ welches er nicht auff eher herrlichere als geringere art er-<lb/>
fu&#x0364;llet habe/ oder noch erfu&#x0364;llen werde/ als die verhei&#x017F;&#x017F;ungen &#x017F;elb&#x017F;t gelautet:<lb/>
bete euch deßwegen GOtt/ daß er noch ferner/ wie es &#x017F;einer weißheit gema&#x0364;ß<lb/>
i&#x017F;t/ durch &#x017F;olche erfu&#x0364;llungen &#x017F;einen nahmen heiligen/ &#x017F;ein reich herrlich/ und<lb/>
&#x017F;einen willen kra&#x0364;fftig vollbracht werden la&#x017F;&#x017F;en wolle. Warten andere de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht/ &#x017F;ondern allein der einigen verhei&#x017F;&#x017F;ung der letzten zukunfft/ &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;e ich<lb/>
&#x017F;ie bey ihren gedancken/ als gewiß/ die &#x017F;ache werde doch ge&#x017F;chehen/ und ob<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F f 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ichs</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0243] SECTIO XLIV. ſehung gegenwaͤrtigen jammers/ nicht aber aus den ſpruͤchen der ſchrifft/ her- kommt: ſo dann werden ſie zuweilen verurſachet von einigen predigern/ wel- che ſolchen tag des HErrn ſo nahe vorſtellen: denen alsdann fromme hertzen auch ohn vieles unterſuchen/ obs in der ſchrifft gegruͤndet ſey oder nicht/ ſo viel eher pflegen glauben zuzuſtellen/ weil wir allezeit dasjenige am leichte- ſten glauben/ was wir am ſehnlichſten zu geſchehen wuͤnſchen. Weil mein hochg. Hr. Schwager auff die angefuͤhrte propheceyungen ſo ich noch zu er- fuͤllen bevorſtehen achte/ nicht zu antworten beliebet/ ſo habe auch nichts da- zu vor dißmahl zu ſetzen. 1674. SECTIO XLIV. Fernere fortſetzung. MAs anlangt die in etlichẽ briefen unteꝛ uns uͤberlegte materie von der naͤhe des juͤngſtẽ tages/ halte ich wol daran thun/ nicht viele wort fer- ner daruͤber zu verliehren. Wir kommen beyde darinnen uͤberein/ daß die goͤttl. ſchrifft gewiß ſeye/ daß goͤttl. verheiſſungen alle werden erfuͤllet wer- den/ oderſchon erfuͤllet ſeyn/ daß das goͤttliche wort keinen zweifelhafften ſon- dern richtigen verſtand habe/ und was dergleichen unwiderſprechliche wahr- heiten mehr ſind: ſo lieben wir auch beyderſeits die erſcheinung unſers lieb- ſten Erloͤſers/ auff die wir vertroͤſtet ſind/ und deßwegen verlangen/ daß ſie/ ſo bald es goͤttliche verheiſſungen zu geben/ erfolgen/ und uns von allem uͤbel erloͤſen moͤge: wir ſind auch beyde darinnen eins/ daß der ſicherheit ernſtlich widerſtanden werden/ und jeglicher ſich taͤglich der zukunfft ſeines HErrn (es ſeye nun der allgemeinen/ oder aber ihm eigenen und beſonderen) verſe- hen ſolle: ob wir dann wohl in der abſonderlichen determination nicht eines ſind/ ſo mag doch ſolcher unterſcheid die uͤbrige einigkeit des Geiſtes nicht trennen/ vielweniger die liebe auffheben. Jch halte mich in meinem gewiſſen verſichert/ daß noch viele uñ zwahr vortrefliche verheiſſungen Gottes vorhan- den ſeyn/ die noch ſollen erfuͤllet werden/ und warte derſelben in gedult/ eben deßwegen weil GOttes wahrheit unwandelbar iſt/ und ergewiß haͤlt/ waß er zugeſagt hat; daß ich mir ein gewiſſen machte/ zu glauben/ daß GOtt etwaß verſprochen haͤtte/ welches er nicht auff eher herrlichere als geringere art er- fuͤllet habe/ oder noch erfuͤllen werde/ als die verheiſſungen ſelbſt gelautet: bete euch deßwegen GOtt/ daß er noch ferner/ wie es ſeiner weißheit gemaͤß iſt/ durch ſolche erfuͤllungen ſeinen nahmen heiligen/ ſein reich herrlich/ und ſeinen willen kraͤfftig vollbracht werden laſſen wolle. Warten andere deſſen nicht/ ſondern allein der einigen verheiſſung der letzten zukunfft/ ſo laſſe ich ſie bey ihren gedancken/ als gewiß/ die ſache werde doch geſchehen/ und ob ichs F f 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/243
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/243>, abgerufen am 28.03.2024.