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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO LXI.
lehre auch ohne irrthum ist/ so ist ein solcher hauffe auch eine wahre sichtbare
kirche. Es kan aber geschehen/ und ist auch geschehen (wie zu den zeiten Eliä
1. Kön. 19/ 14. 18.) daß kein solcher hauffe sichtbar in der welt ist/ bey deme
man in lehr und Gottesdienst nicht irrthum findet. Jedoch auch um solche
zeit ist die wahre allgemeine kirch nicht untergangen/ sondern dazu gehören
alle dieselbe rechtglaubige/ welche auch in der verderbten und irrenden kir-
chen in ihrer einfalt bey der göttlichen wahrheit bleiben/ und sich der irrthum
ihrer kirchen/ in derer eusserlichen gemeinschafft sie leben müssen/ nicht theil-
hafftig machen.
6. Die Römische kirche hat nicht nur können abfallen/ wie sonsten Pauli
vermahnung an sie gantz vergebens wäre/ wo Rom. 11/ 20. 21. derselbe die
Römer warnet/ daß sie nicht stoltz werden sollen/ daß GOtt sie nicht auch/ wie
vor dem die natürliche zweige/ nemlich die Juden/ aushaue aus dem zahmen
ölbaum Christo/ sondern sie hat auch wircklich geirret/ irret noch/ und hat sich
durch das Tridentische Concilium so tieff in den irrthum gesencket/ daß we-
nig hoffnung übrig/ daß sie aus dem irrthum sich künfftig befreyen werde. Es
sind ihr auch die irrthum bißher deutlich gezeigt und erwiesen worden.
7. Gleichwie aber von den zeiten des seligen mannes Lutheri Christus
selbs in der verderbten sichtbaren Römischen kirchen viele erhalten hat/
theils die junge getauffte kinder/ theils die einfältige fromme hertzen/ die an
den irrthumen ein mißfallen gehabt/ und sie nicht haben ändern können/ in-
dessen mit glaubiger einfalt nach der empfangenen gnade ihrem GOTT in
seufftzen gedienet/ theils solche bekenner/ die auch mitten unter dem Pabst-
thum öffentlich dem Pabst widersprochen/ deren es zu allen zeiten viele ge-
geben/ wie davon der Catalogus testium veritatis zeugnüß gibet/ einige auch
deswegen von den Päbsten am leben gestraffet worden sind/ und ihr zeugnüß
mit ihrem blut versiegelt: also ist damals die wahre Catholische Christliche
kirche in solchen glaubigen seelen so in der Römischen/ Griechischen und der-
gleichen kirchen eusserlicher gemeinschafft GOtt einfältig gedienet/ so dann
in den öffentlichen gemeinden der Waldenser und Hußiten/ die sich von dem
Pabstthum abgesondert/ bestanden und erhalten worden Wie jetzo die wah-
re sichtbare kirche durch GOttes gnade bey uns Evangelischen/ krafft des
göttlichen worts/ dessen lehre bey uns rein ist/ bestehet/ unterdessen neben uns
zu der rechten allgemeinen Catholischen kirchen/ die unsichtbar ist/ als glie-
der derselben/ gehören alle diejenige glaubige hertzen/ welche auch in den irrig-
glaubigen kirchen von GOtt gleichwol bey ihrer einfalt ohne gemeinschafft
solcher irrthum erhalten werden.
2. Obs
M m
SECTIO LXI.
lehre auch ohne irrthum iſt/ ſo iſt ein ſolcher hauffe auch eine wahre ſichtbare
kirche. Es kan aber geſchehen/ und iſt auch geſchehen (wie zu den zeiten Eliaͤ
1. Koͤn. 19/ 14. 18.) daß kein ſolcher hauffe ſichtbar in der welt iſt/ bey deme
man in lehr und Gottesdienſt nicht irrthum findet. Jedoch auch um ſolche
zeit iſt die wahre allgemeine kirch nicht untergangen/ ſondern dazu gehoͤren
alle dieſelbe rechtglaubige/ welche auch in der verderbten und irrenden kir-
chen in ihrer einfalt bey der goͤttlichen wahrheit bleiben/ und ſich der irrthum
ihrer kirchen/ in derer euſſerlichen gemeinſchafft ſie leben muͤſſen/ nicht theil-
hafftig machen.
6. Die Roͤmiſche kirche hat nicht nur koͤnnen abfallen/ wie ſonſten Pauli
vermahnung an ſie gantz vergebens waͤre/ wo Rom. 11/ 20. 21. derſelbe die
Roͤmer warnet/ daß ſie nicht ſtoltz werden ſollen/ daß GOtt ſie nicht auch/ wie
vor dem die natuͤrliche zweige/ nemlich die Juden/ aushaue aus dem zahmen
oͤlbaum Chriſto/ ſondern ſie hat auch wircklich geirret/ irret noch/ und hat ſich
durch das Tridentiſche Concilium ſo tieff in den irrthum geſencket/ daß we-
nig hoffnung uͤbrig/ daß ſie aus dem irrthum ſich kuͤnfftig befreyen werde. Es
ſind ihr auch die irrthum bißher deutlich gezeigt und erwieſen worden.
7. Gleichwie aber von den zeiten des ſeligen mannes Lutheri Chriſtus
ſelbs in der verderbten ſichtbaren Roͤmiſchen kirchen viele erhalten hat/
theils die junge getauffte kinder/ theils die einfaͤltige fromme hertzen/ die an
den irrthumen ein mißfallen gehabt/ und ſie nicht haben aͤndern koͤnnen/ in-
deſſen mit glaubiger einfalt nach der empfangenen gnade ihrem GOTT in
ſeufftzen gedienet/ theils ſolche bekenner/ die auch mitten unter dem Pabſt-
thum oͤffentlich dem Pabſt widerſprochen/ deren es zu allen zeiten viele ge-
geben/ wie davon der Catalogus teſtium veritatis zeugnuͤß gibet/ einige auch
deswegen von den Paͤbſten am leben geſtraffet worden ſind/ und ihr zeugnuͤß
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kirche in ſolchen glaubigen ſeelen ſo in der Roͤmiſchen/ Griechiſchen und der-
gleichen kirchen euſſerlicher gemeinſchafft GOtt einfaͤltig gedienet/ ſo dann
in den oͤffentlichen gemeinden der Waldenſer und Hußiten/ die ſich von dem
Pabſtthum abgeſondert/ beſtanden und erhalten worden Wie jetzo die wah-
re ſichtbare kirche durch GOttes gnade bey uns Evangeliſchen/ krafft des
goͤttlichen worts/ deſſen lehre bey uns rein iſt/ beſtehet/ unterdeſſen neben uns
zu der rechten allgemeinen Catholiſchen kirchen/ die unſichtbar iſt/ als glie-
der derſelben/ gehoͤren alle diejenige glaubige hertzen/ welche auch in den irrig-
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ſolcher irrthum erhalten werden.
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[273/0289] SECTIO LXI. lehre auch ohne irrthum iſt/ ſo iſt ein ſolcher hauffe auch eine wahre ſichtbare kirche. Es kan aber geſchehen/ und iſt auch geſchehen (wie zu den zeiten Eliaͤ 1. Koͤn. 19/ 14. 18.) daß kein ſolcher hauffe ſichtbar in der welt iſt/ bey deme man in lehr und Gottesdienſt nicht irrthum findet. Jedoch auch um ſolche zeit iſt die wahre allgemeine kirch nicht untergangen/ ſondern dazu gehoͤren alle dieſelbe rechtglaubige/ welche auch in der verderbten und irrenden kir- chen in ihrer einfalt bey der goͤttlichen wahrheit bleiben/ und ſich der irrthum ihrer kirchen/ in derer euſſerlichen gemeinſchafft ſie leben muͤſſen/ nicht theil- hafftig machen. 6. Die Roͤmiſche kirche hat nicht nur koͤnnen abfallen/ wie ſonſten Pauli vermahnung an ſie gantz vergebens waͤre/ wo Rom. 11/ 20. 21. derſelbe die Roͤmer warnet/ daß ſie nicht ſtoltz werden ſollen/ daß GOtt ſie nicht auch/ wie vor dem die natuͤrliche zweige/ nemlich die Juden/ aushaue aus dem zahmen oͤlbaum Chriſto/ ſondern ſie hat auch wircklich geirret/ irret noch/ und hat ſich durch das Tridentiſche Concilium ſo tieff in den irrthum geſencket/ daß we- nig hoffnung uͤbrig/ daß ſie aus dem irrthum ſich kuͤnfftig befreyen werde. Es ſind ihr auch die irrthum bißher deutlich gezeigt und erwieſen worden. 7. Gleichwie aber von den zeiten des ſeligen mannes Lutheri Chriſtus ſelbs in der verderbten ſichtbaren Roͤmiſchen kirchen viele erhalten hat/ theils die junge getauffte kinder/ theils die einfaͤltige fromme hertzen/ die an den irrthumen ein mißfallen gehabt/ und ſie nicht haben aͤndern koͤnnen/ in- deſſen mit glaubiger einfalt nach der empfangenen gnade ihrem GOTT in ſeufftzen gedienet/ theils ſolche bekenner/ die auch mitten unter dem Pabſt- thum oͤffentlich dem Pabſt widerſprochen/ deren es zu allen zeiten viele ge- geben/ wie davon der Catalogus teſtium veritatis zeugnuͤß gibet/ einige auch deswegen von den Paͤbſten am leben geſtraffet worden ſind/ und ihr zeugnuͤß mit ihrem blut verſiegelt: alſo iſt damals die wahre Catholiſche Chriſtliche kirche in ſolchen glaubigen ſeelen ſo in der Roͤmiſchen/ Griechiſchen und der- gleichen kirchen euſſerlicher gemeinſchafft GOtt einfaͤltig gedienet/ ſo dann in den oͤffentlichen gemeinden der Waldenſer und Hußiten/ die ſich von dem Pabſtthum abgeſondert/ beſtanden und erhalten worden Wie jetzo die wah- re ſichtbare kirche durch GOttes gnade bey uns Evangeliſchen/ krafft des goͤttlichen worts/ deſſen lehre bey uns rein iſt/ beſtehet/ unterdeſſen neben uns zu der rechten allgemeinen Catholiſchen kirchen/ die unſichtbar iſt/ als glie- der derſelben/ gehoͤren alle diejenige glaubige hertzen/ welche auch in den irrig- glaubigen kirchen von GOtt gleichwol bey ihrer einfalt ohne gemeinſchafft ſolcher irrthum erhalten werden. 2. Obs M m

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/289>, abgerufen am 18.04.2024.