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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO V.
SECTIO V.
Uber den spruch 1. Cor. 11/ 4. von bedeckung
des haupts.

JCh komme auff die frage aus 1. Cor. 11/ 4. da mich aber deucht/ es re-
de in solchem gantzen ort der liebe Apostel (wie endlich v. 14. er sich selbst
darauff beziehet) nicht so wol was eigentlich Gottes befehl an uns seye/
als was aus der natürlichen ehrbarkeit oder ehrerbietung herkomme. Daher
wüßte ich nicht/ ob wir ein mehrers aus solchen stellen zu ziehen/ als dieses/
daß sichs zieme/ vor GOttes angesicht in den geistlichen handlungen auff kei-
ne andere art zu erscheinen/ als welche unsere ehrerbietung vor Gott/ so dann
wie er jegliches geschlecht von einander unterschieden hat/ andeutet. Nach-
dem aber in solchen dingen die gewohnheiten der völcker unterschieden/
ja gar in einigen stücken einander entgegen sind/ so muß aus demjenigen
wie jegliche eusserliche ceremonie jedes orts genommen wird/ geurtheilet
werden/ was sich in sacris schicke oder nicht. Also was vor eine ehrerbietung
nach jegliches landes sitten auch gegen die grösseste gebrauchet wird/ dero mö-
gen wir uns wol vor GOtt auch gebrauchen. Sonderlich aber was bey
manns-personen ein zeichen der gewalt und freyheit ist/ gegen das weibliche
geschlecht/ kommt abermal denselben aus des Apostels lehr zu/ den weibern
aber was der unterthänigkeit kennzeichen ist. Nun war es zu den zeiten Pau-
li ein zeichen der freyheit und macht/ mit unbedecktem haupt/ ausser dem wo
die noth ein anderes erfoderte/ zuseyn/ hingegen die vor andern erschienen/
welchen sie unterthan waren/ erschienen mit bedecktem haupt/ oder auch an-
gesicht: Deßwegen wil Paulus/ daß die männer die authorität ihres ge-
schlechts/ und Christi in sich/ darinnen erhalten sollen/ daß sie diesem zu eh-
ren sich nicht in solcher wichtigen sache bedecken/ hingegen die weiber sich des-
sen nicht anmasseten/ was das ansehen haben würde/ ob wolten sie sich ihrer
unterthänigkeit entschütten. Es ist nach unseren heutigem lands-sitten et-
licher massen geändert/ daß nemlich eine mehrere authorität geachtet wird
mit bedecktem als entblößtem haupt zu stehen. Daher weil hinwieder das
entblössete haupt ein zeugnüß einer demuth vor einem grösseren ist/ wolte ich
keins unter beyden vor unrecht achten/ wer mit entblössetem haupt predigte/
aus der ehrerbietung/ die er vor der gegenwart GOttes trüge/ wie sich sol-
ches sonderlich schicket im gebet/ wo ich achte/ daß die zeugnüssen der demuth
das vornehmste sind/ hinwieder aber mit bedecktem haupt predigte zu ehren
des HErren/ in dessen nahmen er zu der gemeinde redet/ hätte ich auch nichts
dagegen zu sprechen. Hie zu lande wüßte ich nicht/ ob es bey jemand unter uns
gebräuchl. wäre/ mit einem mit einem hut bedecktem haupt zupredigen/ sondern

man
SECTIO V.
SECTIO V.
Uber den ſpruch 1. Cor. 11/ 4. von bedeckung
des haupts.

JCh komme auff die frage aus 1. Cor. 11/ 4. da mich aber deucht/ es re-
de in ſolchem gantzen ort der liebe Apoſtel (wie endlich v. 14. er ſich ſelbſt
darauff beziehet) nicht ſo wol was eigentlich Gottes befehl an uns ſeye/
als was aus der natuͤrlichen ehrbarkeit oder ehrerbietung herkomme. Daher
wuͤßte ich nicht/ ob wir ein mehrers aus ſolchen ſtellen zu ziehen/ als dieſes/
daß ſichs zieme/ vor GOttes angeſicht in den geiſtlichen handlungen auff kei-
ne andere art zu erſcheinen/ als welche unſere ehrerbietung vor Gott/ ſo dann
wie er jegliches geſchlecht von einander unterſchieden hat/ andeutet. Nach-
dem aber in ſolchen dingen die gewohnheiten der voͤlcker unterſchieden/
ja gar in einigen ſtuͤcken einander entgegen ſind/ ſo muß aus demjenigen
wie jegliche euſſerliche ceremonie jedes orts genommen wird/ geurtheilet
werden/ was ſich in ſacris ſchicke oder nicht. Alſo was vor eine ehrerbietung
nach jegliches landes ſitten auch gegen die groͤſſeſte gebrauchet wird/ dero moͤ-
gen wir uns wol vor GOtt auch gebrauchen. Sonderlich aber was bey
manns-perſonen ein zeichen der gewalt und freyheit iſt/ gegen das weibliche
geſchlecht/ kommt abermal denſelben aus des Apoſtels lehr zu/ den weibern
aber was der unterthaͤnigkeit kennzeichen iſt. Nun war es zu den zeiten Pau-
li ein zeichen der freyheit und macht/ mit unbedecktem haupt/ auſſer dem wo
die noth ein anderes erfoderte/ zuſeyn/ hingegen die vor andern erſchienen/
welchen ſie unterthan waren/ erſchienen mit bedecktem haupt/ oder auch an-
geſicht: Deßwegen wil Paulus/ daß die maͤnner die authoritaͤt ihres ge-
ſchlechts/ und Chriſti in ſich/ darinnen erhalten ſollen/ daß ſie dieſem zu eh-
ren ſich nicht in ſolcher wichtigen ſache bedecken/ hingegen die weiber ſich deſ-
ſen nicht anmaſſeten/ was das anſehen haben wuͤrde/ ob wolten ſie ſich ihrer
unterthaͤnigkeit entſchuͤtten. Es iſt nach unſeren heutigem lands-ſitten et-
licher maſſen geaͤndert/ daß nemlich eine mehrere authoritaͤt geachtet wird
mit bedecktem als entbloͤßtem haupt zu ſtehen. Daher weil hinwieder das
entbloͤſſete haupt ein zeugnuͤß einer demuth vor einem groͤſſeren iſt/ wolte ich
keins unter beyden vor unrecht achten/ wer mit entbloͤſſetem haupt predigte/
aus der ehrerbietung/ die er vor der gegenwart GOttes truͤge/ wie ſich ſol-
ches ſonderlich ſchicket im gebet/ wo ich achte/ daß die zeugnuͤſſen der demuth
das vornehmſte ſind/ hinwieder aber mit bedecktem haupt predigte zu ehren
des HErren/ in deſſen nahmen er zu der gemeinde redet/ haͤtte ich auch nichts
dagegen zu ſprechen. Hie zu lande wuͤßte ich nicht/ ob es bey jemand unter uns
gebraͤuchl. waͤꝛe/ mit einem mit einem hut bedecktem haupt zupredigẽ/ ſondern

man
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[15/0031] SECTIO V. SECTIO V. Uber den ſpruch 1. Cor. 11/ 4. von bedeckung des haupts. JCh komme auff die frage aus 1. Cor. 11/ 4. da mich aber deucht/ es re- de in ſolchem gantzen ort der liebe Apoſtel (wie endlich v. 14. er ſich ſelbſt darauff beziehet) nicht ſo wol was eigentlich Gottes befehl an uns ſeye/ als was aus der natuͤrlichen ehrbarkeit oder ehrerbietung herkomme. Daher wuͤßte ich nicht/ ob wir ein mehrers aus ſolchen ſtellen zu ziehen/ als dieſes/ daß ſichs zieme/ vor GOttes angeſicht in den geiſtlichen handlungen auff kei- ne andere art zu erſcheinen/ als welche unſere ehrerbietung vor Gott/ ſo dann wie er jegliches geſchlecht von einander unterſchieden hat/ andeutet. Nach- dem aber in ſolchen dingen die gewohnheiten der voͤlcker unterſchieden/ ja gar in einigen ſtuͤcken einander entgegen ſind/ ſo muß aus demjenigen wie jegliche euſſerliche ceremonie jedes orts genommen wird/ geurtheilet werden/ was ſich in ſacris ſchicke oder nicht. Alſo was vor eine ehrerbietung nach jegliches landes ſitten auch gegen die groͤſſeſte gebrauchet wird/ dero moͤ- gen wir uns wol vor GOtt auch gebrauchen. Sonderlich aber was bey manns-perſonen ein zeichen der gewalt und freyheit iſt/ gegen das weibliche geſchlecht/ kommt abermal denſelben aus des Apoſtels lehr zu/ den weibern aber was der unterthaͤnigkeit kennzeichen iſt. Nun war es zu den zeiten Pau- li ein zeichen der freyheit und macht/ mit unbedecktem haupt/ auſſer dem wo die noth ein anderes erfoderte/ zuſeyn/ hingegen die vor andern erſchienen/ welchen ſie unterthan waren/ erſchienen mit bedecktem haupt/ oder auch an- geſicht: Deßwegen wil Paulus/ daß die maͤnner die authoritaͤt ihres ge- ſchlechts/ und Chriſti in ſich/ darinnen erhalten ſollen/ daß ſie dieſem zu eh- ren ſich nicht in ſolcher wichtigen ſache bedecken/ hingegen die weiber ſich deſ- ſen nicht anmaſſeten/ was das anſehen haben wuͤrde/ ob wolten ſie ſich ihrer unterthaͤnigkeit entſchuͤtten. Es iſt nach unſeren heutigem lands-ſitten et- licher maſſen geaͤndert/ daß nemlich eine mehrere authoritaͤt geachtet wird mit bedecktem als entbloͤßtem haupt zu ſtehen. Daher weil hinwieder das entbloͤſſete haupt ein zeugnuͤß einer demuth vor einem groͤſſeren iſt/ wolte ich keins unter beyden vor unrecht achten/ wer mit entbloͤſſetem haupt predigte/ aus der ehrerbietung/ die er vor der gegenwart GOttes truͤge/ wie ſich ſol- ches ſonderlich ſchicket im gebet/ wo ich achte/ daß die zeugnuͤſſen der demuth das vornehmſte ſind/ hinwieder aber mit bedecktem haupt predigte zu ehren des HErren/ in deſſen nahmen er zu der gemeinde redet/ haͤtte ich auch nichts dagegen zu ſprechen. Hie zu lande wuͤßte ich nicht/ ob es bey jemand unter uns gebraͤuchl. waͤꝛe/ mit einem mit einem hut bedecktem haupt zupredigẽ/ ſondern man

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/31>, abgerufen am 19.04.2024.