Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Das erste Capitel
dazu dienen/ mit zimlicher vorsichtigkeit gegen ihn mich zu halten. Jndem ob-
wol niemand ohne grund mit argwohn zu beschwehren/ hingegen auch noth-
wendig seyn will/ die geister zu prüfen/ ob sie aus GOtt seyen/ daß wir nicht
durch einen falschen schein des guten zu mehrerem schaden gebracht werden.
Mit Visionisten habe ich keine gemeinschafft/ bin auch mit keinem menschen
bekant/ der sich nur derselben rühmete; denn ob ich wohl nicht absolute leug-
nen will/ daß GOtt nicht solte können ausser ordentlicher weise aus heil. ur-
sachen sich einigen seiner freunde noch heut zu tage in gesichten offenbahren/
auch nicht sagen kan/ daß er solches durchaus der letzten kirchen abgesprochen;
so achte ich doch daß man in keiner sache fast gefährlicher anstossen könne/ als
in dieser/ und daß wo sich jemand dessen ausgeben wolte/ er einem solchen
scharffen examini gottseliger lehrer unterworffen werden solte/ daß er seiner
offenbarungen unzweiffentliche und solche characteres vorlegen müste/ auff
welchen ein gewissen völlig beruhen könte; Auff daß nicht der in einen engel
des liechtes verstellte satan eine offne thür zu seinem betrug bekomme. Da-
her ich bekenne/ wann nur von visionen hörte/ allezeit der erste animi motus
eher auff sorge/ daß es ein gefährlicher betrug wäre/ als leichtglaubigkeit
fallen würde. Und wo mir nicht ad convictionem conscientiae satisfaction
geschehe/ würde auffs wenigste mein urtheil suspendiren/ und mich in
die sache nicht mischen/ wo ich sie nicht bloß dahin verwerffen könte. Diese
relation afficiret mich sonderlich/ daß solche person die angebotene gelegenheit
zur arbeit nicht annehmen will/ der ich davor halte/ daß der mensch so sehr zur
arbeit/ und mit deroselben sein eigen brodt zu erwerben/ als einigem andern
Gottesdienst verbunden seye. 1678.

SECTIO LXXII.
Wegen des Separatismi und Jacob Böhmens.

ES hat dessen schreiben zuerst den bericht wegen der ausschaffung N. N.
in sich gefasset/ so aber dinge sind/ der mich nichts anzunehmen/ oder in
einem frembden geschäfft auff ein oder andere seite/ was recht oder un-
recht/ wol oder übel gethan seye/ zu urtheilen habe: weil mir ohne das so vie-
les anvertrauet ist/ worinnen und womit ich zu thun/ und davon meine ver-
antwortung habe/ daß mir billig übrig bleibet/ anderer gerichte oder die ge-
richtete auch zu richten/ und also frembder verantwortung mich auff einige
weise theilhafftig zu machen. Nebens deme werde auch versichern können/
daß des anvertrauten nichts gefährlich jemand anders propaliren werde/
welches zwahr mein hochg. Herr desto leichter glauben wird/ weil ich mich al-
lerdings aus der sache halten soll und werde. Den gewissen autorem des

allhier

Das erſte Capitel
dazu dienen/ mit zimlicher vorſichtigkeit gegen ihn mich zu halten. Jndem ob-
wol niemand ohne grund mit argwohn zu beſchwehren/ hingegen auch noth-
wendig ſeyn will/ die geiſter zu pruͤfen/ ob ſie aus GOtt ſeyen/ daß wir nicht
durch einen falſchen ſchein des guten zu mehrerem ſchaden gebracht werden.
Mit Viſioniſten habe ich keine gemeinſchafft/ bin auch mit keinem menſchen
bekant/ der ſich nur derſelben ruͤhmete; denn ob ich wohl nicht abſolute leug-
nen will/ daß GOtt nicht ſolte koͤnnen auſſer ordentlicher weiſe aus heil. ur-
ſachen ſich einigen ſeiner freunde noch heut zu tage in geſichten offenbahren/
auch nicht ſagen kan/ daß er ſolches durchaus der letzten kirchen abgeſprochen;
ſo achte ich doch daß man in keiner ſache faſt gefaͤhrlicher anſtoſſen koͤnne/ als
in dieſer/ und daß wo ſich jemand deſſen ausgeben wolte/ er einem ſolchen
ſcharffen examini gottſeliger lehrer unterworffen werden ſolte/ daß er ſeiner
offenbarungen unzweiffentliche und ſolche characteres vorlegen muͤſte/ auff
welchen ein gewiſſen voͤllig beruhen koͤnte; Auff daß nicht der in einen engel
des liechtes verſtellte ſatan eine offne thuͤr zu ſeinem betrug bekomme. Da-
her ich bekenne/ wann nur von viſionen hoͤrte/ allezeit der erſte animi motus
eher auff ſorge/ daß es ein gefaͤhrlicher betrug waͤre/ als leichtglaubigkeit
fallen wuͤrde. Und wo mir nicht ad convictionem conſcientiæ ſatisfaction
geſchehe/ wuͤrde auffs wenigſte mein urtheil ſuſpendiren/ und mich in
die ſache nicht miſchen/ wo ich ſie nicht bloß dahin verwerffen koͤnte. Dieſe
relation afficiret mich ſonderlich/ daß ſolche perſon die angebotene gelegenheit
zur arbeit nicht annehmen will/ der ich davor halte/ daß der menſch ſo ſehr zur
arbeit/ und mit deroſelben ſein eigen brodt zu erwerben/ als einigem andern
Gottesdienſt verbunden ſeye. 1678.

SECTIO LXXII.
Wegen des Separatiſmi und Jacob Boͤhmens.

ES hat deſſen ſchreiben zuerſt den bericht wegen der ausſchaffung N. N.
in ſich gefaſſet/ ſo aber dinge ſind/ der mich nichts anzunehmen/ oder in
einem frembden geſchaͤfft auff ein oder andere ſeite/ was recht oder un-
recht/ wol oder uͤbel gethan ſeye/ zu urtheilen habe: weil mir ohne das ſo vie-
les anvertrauet iſt/ worinnen und womit ich zu thun/ und davon meine ver-
antwortung habe/ daß mir billig uͤbrig bleibet/ anderer gerichte oder die ge-
richtete auch zu richten/ und alſo frembder verantwortung mich auff einige
weiſe theilhafftig zu machen. Nebens deme werde auch verſichern koͤnnen/
daß des anvertrauten nichts gefaͤhrlich jemand anders propaliren werde/
welches zwahr mein hochg. Herr deſto leichter glauben wird/ weil ich mich al-
lerdings aus der ſache halten ſoll und werde. Den gewiſſen autorem des

allhier
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0336" n="320"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das er&#x017F;te Capitel</hi></fw><lb/>
dazu dienen/ mit zimlicher vor&#x017F;ichtigkeit gegen ihn mich zu halten. Jndem ob-<lb/>
wol niemand ohne grund mit argwohn zu be&#x017F;chwehren/ hingegen auch noth-<lb/>
wendig &#x017F;eyn will/ die gei&#x017F;ter zu pru&#x0364;fen/ ob &#x017F;ie aus GOtt &#x017F;eyen/ daß wir nicht<lb/>
durch einen fal&#x017F;chen &#x017F;chein des guten zu mehrerem &#x017F;chaden gebracht werden.<lb/>
Mit <hi rendition="#aq">Vi&#x017F;ioni&#x017F;ten</hi> habe ich keine gemein&#x017F;chafft/ bin auch mit keinem men&#x017F;chen<lb/>
bekant/ der &#x017F;ich nur der&#x017F;elben ru&#x0364;hmete; denn ob ich wohl nicht <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olute</hi> leug-<lb/>
nen will/ daß GOtt nicht &#x017F;olte ko&#x0364;nnen au&#x017F;&#x017F;er ordentlicher wei&#x017F;e aus heil. ur-<lb/>
&#x017F;achen &#x017F;ich einigen &#x017F;einer freunde noch heut zu tage in ge&#x017F;ichten offenbahren/<lb/>
auch nicht &#x017F;agen kan/ daß er &#x017F;olches durchaus der letzten kirchen abge&#x017F;prochen;<lb/>
&#x017F;o achte ich doch daß man in keiner &#x017F;ache fa&#x017F;t gefa&#x0364;hrlicher an&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nne/ als<lb/>
in die&#x017F;er/ und daß wo &#x017F;ich jemand de&#x017F;&#x017F;en ausgeben wolte/ er einem &#x017F;olchen<lb/>
&#x017F;charffen <hi rendition="#aq">examini</hi> gott&#x017F;eliger lehrer unterworffen werden &#x017F;olte/ daß er &#x017F;einer<lb/>
offenbarungen unzweiffentliche und &#x017F;olche <hi rendition="#aq">characteres</hi> vorlegen mu&#x0364;&#x017F;te/ auff<lb/>
welchen ein gewi&#x017F;&#x017F;en vo&#x0364;llig beruhen ko&#x0364;nte; Auff daß nicht der in einen engel<lb/>
des liechtes ver&#x017F;tellte &#x017F;atan eine offne thu&#x0364;r zu &#x017F;einem betrug bekomme. Da-<lb/>
her ich bekenne/ wann nur von <hi rendition="#aq">vi&#x017F;ionen</hi> ho&#x0364;rte/ allezeit der er&#x017F;te <hi rendition="#aq">animi motus</hi><lb/>
eher auff &#x017F;orge/ daß es ein gefa&#x0364;hrlicher betrug wa&#x0364;re/ als leichtglaubigkeit<lb/>
fallen wu&#x0364;rde. Und wo mir nicht <hi rendition="#aq">ad convictionem con&#x017F;cientiæ &#x017F;atisfaction</hi><lb/>
ge&#x017F;chehe/ wu&#x0364;rde auffs wenig&#x017F;te mein urtheil <hi rendition="#aq">&#x017F;u&#x017F;pendi</hi>ren/ und mich in<lb/>
die &#x017F;ache nicht mi&#x017F;chen/ wo ich &#x017F;ie nicht bloß dahin verwerffen ko&#x0364;nte. Die&#x017F;e<lb/><hi rendition="#aq">relation affici</hi>ret mich &#x017F;onderlich/ daß &#x017F;olche per&#x017F;on die angebotene gelegenheit<lb/>
zur arbeit nicht annehmen will/ der ich davor halte/ daß der men&#x017F;ch &#x017F;o &#x017F;ehr zur<lb/>
arbeit/ und mit dero&#x017F;elben &#x017F;ein eigen brodt zu erwerben/ als einigem andern<lb/>
Gottesdien&#x017F;t verbunden &#x017F;eye. 1678.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO LXXII</hi>.</hi> </hi><lb/> <hi rendition="#fr">Wegen des</hi> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Separati&#x017F;mi</hi> </hi> <hi rendition="#fr">und Jacob Bo&#x0364;hmens.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>S hat de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chreiben zuer&#x017F;t den bericht wegen der aus&#x017F;chaffung <hi rendition="#aq">N. N.</hi><lb/>
in &#x017F;ich gefa&#x017F;&#x017F;et/ &#x017F;o aber dinge &#x017F;ind/ der mich nichts anzunehmen/ oder in<lb/>
einem frembden ge&#x017F;cha&#x0364;fft auff ein oder andere &#x017F;eite/ was recht oder un-<lb/>
recht/ wol oder u&#x0364;bel gethan &#x017F;eye/ zu urtheilen habe: weil mir ohne das &#x017F;o vie-<lb/>
les anvertrauet i&#x017F;t/ worinnen und womit ich zu thun/ und davon meine ver-<lb/>
antwortung habe/ daß mir billig u&#x0364;brig bleibet/ anderer gerichte oder die ge-<lb/>
richtete auch zu richten/ und al&#x017F;o frembder verantwortung mich auff einige<lb/>
wei&#x017F;e theilhafftig zu machen. Nebens deme werde auch ver&#x017F;ichern ko&#x0364;nnen/<lb/>
daß des anvertrauten nichts gefa&#x0364;hrlich jemand anders <hi rendition="#aq">propali</hi>ren werde/<lb/>
welches zwahr mein hochg. Herr de&#x017F;to leichter glauben wird/ weil ich mich al-<lb/>
lerdings aus der &#x017F;ache halten &#x017F;oll und werde. Den gewi&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">autorem</hi> des<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">allhier</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0336] Das erſte Capitel dazu dienen/ mit zimlicher vorſichtigkeit gegen ihn mich zu halten. Jndem ob- wol niemand ohne grund mit argwohn zu beſchwehren/ hingegen auch noth- wendig ſeyn will/ die geiſter zu pruͤfen/ ob ſie aus GOtt ſeyen/ daß wir nicht durch einen falſchen ſchein des guten zu mehrerem ſchaden gebracht werden. Mit Viſioniſten habe ich keine gemeinſchafft/ bin auch mit keinem menſchen bekant/ der ſich nur derſelben ruͤhmete; denn ob ich wohl nicht abſolute leug- nen will/ daß GOtt nicht ſolte koͤnnen auſſer ordentlicher weiſe aus heil. ur- ſachen ſich einigen ſeiner freunde noch heut zu tage in geſichten offenbahren/ auch nicht ſagen kan/ daß er ſolches durchaus der letzten kirchen abgeſprochen; ſo achte ich doch daß man in keiner ſache faſt gefaͤhrlicher anſtoſſen koͤnne/ als in dieſer/ und daß wo ſich jemand deſſen ausgeben wolte/ er einem ſolchen ſcharffen examini gottſeliger lehrer unterworffen werden ſolte/ daß er ſeiner offenbarungen unzweiffentliche und ſolche characteres vorlegen muͤſte/ auff welchen ein gewiſſen voͤllig beruhen koͤnte; Auff daß nicht der in einen engel des liechtes verſtellte ſatan eine offne thuͤr zu ſeinem betrug bekomme. Da- her ich bekenne/ wann nur von viſionen hoͤrte/ allezeit der erſte animi motus eher auff ſorge/ daß es ein gefaͤhrlicher betrug waͤre/ als leichtglaubigkeit fallen wuͤrde. Und wo mir nicht ad convictionem conſcientiæ ſatisfaction geſchehe/ wuͤrde auffs wenigſte mein urtheil ſuſpendiren/ und mich in die ſache nicht miſchen/ wo ich ſie nicht bloß dahin verwerffen koͤnte. Dieſe relation afficiret mich ſonderlich/ daß ſolche perſon die angebotene gelegenheit zur arbeit nicht annehmen will/ der ich davor halte/ daß der menſch ſo ſehr zur arbeit/ und mit deroſelben ſein eigen brodt zu erwerben/ als einigem andern Gottesdienſt verbunden ſeye. 1678. SECTIO LXXII. Wegen des Separatiſmi und Jacob Boͤhmens. ES hat deſſen ſchreiben zuerſt den bericht wegen der ausſchaffung N. N. in ſich gefaſſet/ ſo aber dinge ſind/ der mich nichts anzunehmen/ oder in einem frembden geſchaͤfft auff ein oder andere ſeite/ was recht oder un- recht/ wol oder uͤbel gethan ſeye/ zu urtheilen habe: weil mir ohne das ſo vie- les anvertrauet iſt/ worinnen und womit ich zu thun/ und davon meine ver- antwortung habe/ daß mir billig uͤbrig bleibet/ anderer gerichte oder die ge- richtete auch zu richten/ und alſo frembder verantwortung mich auff einige weiſe theilhafftig zu machen. Nebens deme werde auch verſichern koͤnnen/ daß des anvertrauten nichts gefaͤhrlich jemand anders propaliren werde/ welches zwahr mein hochg. Herr deſto leichter glauben wird/ weil ich mich al- lerdings aus der ſache halten ſoll und werde. Den gewiſſen autorem des allhier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/336
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/336>, abgerufen am 28.03.2024.