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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Des 1. Capitels.
Folget:
Freundliche und gründliche untersuchung des un-
vorgreiflichen bedenckens: Ob die Evangelische kirche
mit recht Babel und Antichristisch zu schelten/ und
davon auszugehen seye?

§. I.

ES wird billig beyderseits zum grund behalten/ was der verfasser des
bedenckens wohl n. 1. 2. 3. erinnert/ daß es eine schwehre sünde vor Gott
und menschen seye/ wo gantze kirchen und particular-personen/ andere
unschuldiger weiß vor Babel und Anti-christisch ausruffen/ als womit gött-
liche wahrheit und die liebe des nechsten schrecklich verletzet/ schwache geär-
gert/ zu verführungen anlaß gegeben/ und der feinde des HErrn lästerung
vermehret wird. Jst also ja vonnöthen/ daß die frage/ wem solcher nahme
Babels und des Antichristenthums zukomme/ nicht obenhin/ sondern mit
gottseliger untersuchung aus der schrifft/ als dem einigen und gewissen wort
GOttes/ fleißig erwogen/ nichts unbedächtlich ausgesprochen/ und vor al-
len dingen mit inniglicher demuth in erkäntnüß unsers eigenen unvermögens
und nothwendigen göttlichen beystands/ der himmlische Vater durch JEsum
Christum den Fürsten der wahrheit um die gnade/ liecht und regierung seines
H. Geistes angeruffen/ folglich alles mit der fleißigsten wahrnehmung dessen
uns vorgeschriebener worte/ und was er uns aus denselben zu erkennen gebe/
auch stäter vorstellung/ daß wir alles in gegenwart des H. Geistes der in die
tieffe unsers hertzens sihet/ und darinnen alle unsere absichten/ warum es uns
in allem zu thun seye/ und wie wir seiner gnade/ da sie in uns wircken will/ platz
geben oder widerstreben/ erkennet/ meditiren und schreiben verrichtet werde.
Ach so heilige er uns auch dißmahl in seiner wahrheit/ sein wort ist die wahr-
heit/ Amen.

§. II. Der haupt-grund des verfassers in der frage von Babel wird her-
genommen aus der betrachtung der alten stadt und thurns Babel/ davon 1. Mos.
10. und 11. gelesen wird. Es geschihet aber solches ohne solchen erweiß oder an-
zeige/ welche einem der wahrheit begierigen gewissen ein genüge thäte/ daß
der H. Geist/ da er um die letzte zeiten eines geistlichen Babels gedencket/ auff
jenen ersten zustand des alten Babels sehe. Weßwegen bey weitem nicht
gnug ist/ einige puncten des zustands des damaligen Babels auffzuzeichnen/
wie n. 12. geschihet/ und solche darnach dargeben zu wollen/ daß sie die anzei-
ge seyn/ was heut zu tag vor das geistliche Babel zu halten.

§. III.
Y y
Des 1. Capitels.
Folget:
Freundliche und gruͤndliche unterſuchung des un-
vorgreiflichen bedenckens: Ob die Evangeliſche kirche
mit recht Babel und Antichriſtiſch zu ſchelten/ und
davon auszugehen ſeye?

§. I.

ES wird billig beyderſeits zum grund behalten/ was der verfaſſer des
bedenckens wohl n. 1. 2. 3. erinnert/ daß es eine ſchwehre ſuͤnde vor Gott
und menſchen ſeye/ wo gantze kirchen und particular-perſonen/ andere
unſchuldiger weiß vor Babel und Anti-chriſtiſch ausruffen/ als womit goͤtt-
liche wahrheit und die liebe des nechſten ſchrecklich verletzet/ ſchwache geaͤr-
gert/ zu verfuͤhrungen anlaß gegeben/ und der feinde des HErrn laͤſterung
vermehret wird. Jſt alſo ja vonnoͤthen/ daß die frage/ wem ſolcher nahme
Babels und des Antichriſtenthums zukomme/ nicht obenhin/ ſondern mit
gottſeliger unterſuchung aus der ſchrifft/ als dem einigen und gewiſſen wort
GOttes/ fleißig erwogen/ nichts unbedaͤchtlich ausgeſprochen/ und vor al-
len dingen mit inniglicher demuth in erkaͤntnuͤß unſers eigenen unvermoͤgens
und nothwendigen goͤttlichen beyſtands/ der himmliſche Vater durch JEſum
Chriſtum den Fuͤrſten der wahrheit um die gnade/ liecht und regierung ſeines
H. Geiſtes angeruffen/ folglich alles mit der fleißigſten wahrnehmung deſſen
uns vorgeſchriebener worte/ und was er uns aus denſelben zu erkennen gebe/
auch ſtaͤter vorſtellung/ daß wir alles in gegenwart des H. Geiſtes der in die
tieffe unſers hertzens ſihet/ und darinnen alle unſere abſichten/ warum es uns
in allem zu thun ſeye/ und wie wir ſeineꝛ gnade/ da ſie in uns wircken will/ platz
geben oder widerſtreben/ erkennet/ meditiren und ſchreiben verrichtet werde.
Ach ſo heilige er uns auch dißmahl in ſeiner wahrheit/ ſein wort iſt die wahr-
heit/ Amen.

§. II. Der haupt-grund des verfaſſers in der frage von Babel wird her-
genom̃en aus der betrachtung der altẽ ſtadt uñ thurns Babel/ davon 1. Moſ.
10. und 11. geleſen wird. Es geſchihet aber ſolches ohne ſolchen erweiß oder an-
zeige/ welche einem der wahrheit begierigen gewiſſen ein genuͤge thaͤte/ daß
der H. Geiſt/ da er um die letzte zeiten eines geiſtlichen Babels gedencket/ auff
jenen erſten zuſtand des alten Babels ſehe. Weßwegen bey weitem nicht
gnug iſt/ einige puncten des zuſtands des damaligen Babels auffzuzeichnen/
wie n. 12. geſchihet/ und ſolche darnach dargeben zu wollen/ daß ſie die anzei-
ge ſeyn/ was heut zu tag vor das geiſtliche Babel zu halten.

§. III.
Y y
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[353/0369] Des 1. Capitels. Folget: Freundliche und gruͤndliche unterſuchung des un- vorgreiflichen bedenckens: Ob die Evangeliſche kirche mit recht Babel und Antichriſtiſch zu ſchelten/ und davon auszugehen ſeye? §. I. ES wird billig beyderſeits zum grund behalten/ was der verfaſſer des bedenckens wohl n. 1. 2. 3. erinnert/ daß es eine ſchwehre ſuͤnde vor Gott und menſchen ſeye/ wo gantze kirchen und particular-perſonen/ andere unſchuldiger weiß vor Babel und Anti-chriſtiſch ausruffen/ als womit goͤtt- liche wahrheit und die liebe des nechſten ſchrecklich verletzet/ ſchwache geaͤr- gert/ zu verfuͤhrungen anlaß gegeben/ und der feinde des HErrn laͤſterung vermehret wird. Jſt alſo ja vonnoͤthen/ daß die frage/ wem ſolcher nahme Babels und des Antichriſtenthums zukomme/ nicht obenhin/ ſondern mit gottſeliger unterſuchung aus der ſchrifft/ als dem einigen und gewiſſen wort GOttes/ fleißig erwogen/ nichts unbedaͤchtlich ausgeſprochen/ und vor al- len dingen mit inniglicher demuth in erkaͤntnuͤß unſers eigenen unvermoͤgens und nothwendigen goͤttlichen beyſtands/ der himmliſche Vater durch JEſum Chriſtum den Fuͤrſten der wahrheit um die gnade/ liecht und regierung ſeines H. Geiſtes angeruffen/ folglich alles mit der fleißigſten wahrnehmung deſſen uns vorgeſchriebener worte/ und was er uns aus denſelben zu erkennen gebe/ auch ſtaͤter vorſtellung/ daß wir alles in gegenwart des H. Geiſtes der in die tieffe unſers hertzens ſihet/ und darinnen alle unſere abſichten/ warum es uns in allem zu thun ſeye/ und wie wir ſeineꝛ gnade/ da ſie in uns wircken will/ platz geben oder widerſtreben/ erkennet/ meditiren und ſchreiben verrichtet werde. Ach ſo heilige er uns auch dißmahl in ſeiner wahrheit/ ſein wort iſt die wahr- heit/ Amen. §. II. Der haupt-grund des verfaſſers in der frage von Babel wird her- genom̃en aus der betrachtung der altẽ ſtadt uñ thurns Babel/ davon 1. Moſ. 10. und 11. geleſen wird. Es geſchihet aber ſolches ohne ſolchen erweiß oder an- zeige/ welche einem der wahrheit begierigen gewiſſen ein genuͤge thaͤte/ daß der H. Geiſt/ da er um die letzte zeiten eines geiſtlichen Babels gedencket/ auff jenen erſten zuſtand des alten Babels ſehe. Weßwegen bey weitem nicht gnug iſt/ einige puncten des zuſtands des damaligen Babels auffzuzeichnen/ wie n. 12. geſchihet/ und ſolche darnach dargeben zu wollen/ daß ſie die anzei- ge ſeyn/ was heut zu tag vor das geiſtliche Babel zu halten. §. III. Y y

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/369>, abgerufen am 18.04.2024.