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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
dahero ein guter freund einmal sagte/ wir bekämen durch unsere itzige
kirchen-buß selten einen bußfertigen/ allezeit aber auff sein lebtag
geschändeten bruder oder schwester/
so gar/ daß auch deswegen recht-
bußfertige/ die zu andrer zeit mit grosser erbauung ihre buß auffrichtig wür-
den offentlich bezeuget haben/ nunmehr um dieses anhengenden schimpffs
willen/ so ihnen auch so gar an einigem guten hinderlich seyn kan/ sich dagegen
zuweilen sehr wehren. Jn solchem zustand halte davor/ daß wir prediger
wolthun/ mit unserm exempel solche falsche meinung nicht zu bestärcken/
sondern zu weisen/ daß uns die gründlich-bußfertige so hertzlich
lieb sind/ als die nie gefallene/ und wir darinnen in die fußstapffen unsers
himmlischen Vaters eintreten. Jch halte auch nicht davor/ daß bey der ge-
meinde daraus ein sonderlich ärgernüß entstehen/ oder in demselben durch gu-
ten unterricht leicht so vorgebeuget/ als es abgewendet werden könne. Auch
bedarff der prediger deßwegen dem straff- amt gegen das laster der unzucht
nichts von seinem amt zu unterlassen/ sondern er straffet die sünde/ in dero sei-
ne haußfrau nicht stehet und ermahnet hingegen auch die gefallene dero ex-
empel in der buß zu folgen. Was aber einiger rohen edelleut spottreden an-
langt/ achte ich dieselbe nicht der wichtigkeit zu seyn/ daß um derselben willen
etwas unterlassen werde/ was sonsten Christlicher ordnung nicht
entgegen ist. Ja wolten wir auff alle dieselbe acht geben/ so würden
wir allzu vieles unterlassen müssen/ auch wohl das beste/ worüber jene
manchmahl das grösseste gespött treiben. Dieser der sache bewandnüß
wegen werden wir schwehrlich einige kirchliche constitutiones wi-
der dergleichen ehen oder auch so verehlichter promotion finden: wie ich auch
mich bey meinen Hr. Collegis erkundiget/ so mir zu antworten geben/ daß in
diesen landen es keinem an seinem dienst oder beförderung hinderlich wäre/
der in solcher ehe stünde/ und wurde mir noch erst kürtzlich ein exempel ange-
führt eines der erst vergangen jahr befordert worden/ und nach solchem eine
person so ein jahr vorher ein unehlich kind gehabt/ geheyrathet/ aber deswe-
gen einige ahndung gegen ihn nicht vorgenommen worden. Dieses wäre
das jenige/ was in solcher sache zu antworten gehabt/ der hoffnung/
daß alles freundlich werde auffgenommen werden. Der HErr weise uns
in allen stücken seinen willen mit gnugsamer versicherung/ und bewahre auch
seine kirche vor allen ärgernüssen. 1689.

SECTIO

Das andere Capitel.
dahero ein guter freund einmal ſagte/ wir bekaͤmen durch unſere itzige
kirchen-buß ſelten einen bußfertigen/ allezeit aber auff ſein lebtag
geſchaͤndeten bruder oder ſchweſter/
ſo gar/ daß auch deswegen recht-
bußfertige/ die zu andrer zeit mit groſſer erbauung ihre buß auffrichtig wuͤr-
den offentlich bezeuget haben/ nunmehr um dieſes anhengenden ſchimpffs
willen/ ſo ihnen auch ſo gar an einigem guten hinderlich ſeyn kan/ ſich dagegen
zuweilen ſehr wehren. Jn ſolchem zuſtand halte davor/ daß wir prediger
wolthun/ mit unſerm exempel ſolche falſche meinung nicht zu beſtaͤrcken/
ſondern zu weiſen/ daß uns die gruͤndlich-bußfertige ſo hertzlich
lieb ſind/ als die nie gefallene/ und wir darinnen in die fußſtapffen unſers
himmliſchen Vaters eintreten. Jch halte auch nicht davor/ daß bey der ge-
meinde daraus ein ſonderlich aͤrgernuͤß entſtehen/ oder in demſelben durch gu-
ten unterricht leicht ſo vorgebeuget/ als es abgewendet werden koͤnne. Auch
bedarff der prediger deßwegen dem ſtraff- amt gegen das laſter der unzucht
nichts von ſeinem amt zu unterlaſſen/ ſondern er ſtraffet die ſuͤnde/ in dero ſei-
ne haußfrau nicht ſtehet und ermahnet hingegen auch die gefallene dero ex-
empel in der buß zu folgen. Was aber einiger rohen edelleut ſpottreden an-
langt/ achte ich dieſelbe nicht der wichtigkeit zu ſeyn/ daß um derſelben willen
etwas unterlaſſen werde/ was ſonſten Chriſtlicher ordnung nicht
entgegen iſt. Ja wolten wir auff alle dieſelbe acht geben/ ſo wuͤrden
wir allzu vieles unterlaſſen muͤſſen/ auch wohl das beſte/ woruͤber jene
manchmahl das groͤſſeſte geſpoͤtt treiben. Dieſer der ſache bewandnuͤß
wegen werden wir ſchwehrlich einige kirchliche conſtitutiones wi-
der dergleichen ehen oder auch ſo verehlichter promotion finden: wie ich auch
mich bey meinen Hr. Collegis erkundiget/ ſo mir zu antworten geben/ daß in
dieſen landen es keinem an ſeinem dienſt oder befoͤrderung hinderlich waͤre/
der in ſolcher ehe ſtuͤnde/ und wurde mir noch erſt kuͤrtzlich ein exempel ange-
fuͤhrt eines der erſt vergangen jahr befordert worden/ und nach ſolchem eine
perſon ſo ein jahr vorher ein unehlich kind gehabt/ geheyrathet/ aber deswe-
gen einige ahndung gegen ihn nicht vorgenommen worden. Dieſes waͤre
das jenige/ was in ſolcher ſache zu antworten gehabt/ der hoffnung/
daß alles freundlich werde auffgenommen werden. Der HErr weiſe uns
in allen ſtuͤcken ſeinen willen mit gnugſamer verſicherung/ und bewahre auch
ſeine kirche vor allen aͤrgernuͤſſen. 1689.

SECTIO
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[438/0454] Das andere Capitel. dahero ein guter freund einmal ſagte/ wir bekaͤmen durch unſere itzige kirchen-buß ſelten einen bußfertigen/ allezeit aber auff ſein lebtag geſchaͤndeten bruder oder ſchweſter/ ſo gar/ daß auch deswegen recht- bußfertige/ die zu andrer zeit mit groſſer erbauung ihre buß auffrichtig wuͤr- den offentlich bezeuget haben/ nunmehr um dieſes anhengenden ſchimpffs willen/ ſo ihnen auch ſo gar an einigem guten hinderlich ſeyn kan/ ſich dagegen zuweilen ſehr wehren. Jn ſolchem zuſtand halte davor/ daß wir prediger wolthun/ mit unſerm exempel ſolche falſche meinung nicht zu beſtaͤrcken/ ſondern zu weiſen/ daß uns die gruͤndlich-bußfertige ſo hertzlich lieb ſind/ als die nie gefallene/ und wir darinnen in die fußſtapffen unſers himmliſchen Vaters eintreten. Jch halte auch nicht davor/ daß bey der ge- meinde daraus ein ſonderlich aͤrgernuͤß entſtehen/ oder in demſelben durch gu- ten unterricht leicht ſo vorgebeuget/ als es abgewendet werden koͤnne. Auch bedarff der prediger deßwegen dem ſtraff- amt gegen das laſter der unzucht nichts von ſeinem amt zu unterlaſſen/ ſondern er ſtraffet die ſuͤnde/ in dero ſei- ne haußfrau nicht ſtehet und ermahnet hingegen auch die gefallene dero ex- empel in der buß zu folgen. Was aber einiger rohen edelleut ſpottreden an- langt/ achte ich dieſelbe nicht der wichtigkeit zu ſeyn/ daß um derſelben willen etwas unterlaſſen werde/ was ſonſten Chriſtlicher ordnung nicht entgegen iſt. Ja wolten wir auff alle dieſelbe acht geben/ ſo wuͤrden wir allzu vieles unterlaſſen muͤſſen/ auch wohl das beſte/ woruͤber jene manchmahl das groͤſſeſte geſpoͤtt treiben. Dieſer der ſache bewandnuͤß wegen werden wir ſchwehrlich einige kirchliche conſtitutiones wi- der dergleichen ehen oder auch ſo verehlichter promotion finden: wie ich auch mich bey meinen Hr. Collegis erkundiget/ ſo mir zu antworten geben/ daß in dieſen landen es keinem an ſeinem dienſt oder befoͤrderung hinderlich waͤre/ der in ſolcher ehe ſtuͤnde/ und wurde mir noch erſt kuͤrtzlich ein exempel ange- fuͤhrt eines der erſt vergangen jahr befordert worden/ und nach ſolchem eine perſon ſo ein jahr vorher ein unehlich kind gehabt/ geheyrathet/ aber deswe- gen einige ahndung gegen ihn nicht vorgenommen worden. Dieſes waͤre das jenige/ was in ſolcher ſache zu antworten gehabt/ der hoffnung/ daß alles freundlich werde auffgenommen werden. Der HErr weiſe uns in allen ſtuͤcken ſeinen willen mit gnugſamer verſicherung/ und bewahre auch ſeine kirche vor allen aͤrgernuͤſſen. 1689. SECTIO

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/454>, abgerufen am 24.04.2024.