Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.

gebot auch den Reformirten predigern gegeben ist/ daß sie sich nicht unterste-
hen sollen/ unserer kirchen vor ihre lehr und glauben diejenige absurda beyzu-
messen/ welche sie aus unsrer lehr zufolgen meinen/ wir aber denselben aus-
drücklich widersprechen. Dazu kommt/ daß denjenigen die consensum fun-
damentalem und tolerantiam Ecclesistiacam unter beyden theilen nicht er-
kennen/ verboten wird/ andre die also gesinnet sind deswegen zurichten/ zu-
verkleinern/ vor heuchler/ Calixtiner, Syncretisten zuschelten. Endlich daß
ein prediger verbunden wird/ wo ein vater sein kind ohne exorcismum tauf-
fen lassen will und solches fordert/ ihm darinn gefugt werde. Diese dinge
alle/ wo sie in der furcht des HERRN und nach der wahrheit
angesehen werden/ verletzen das gewissen nicht. Was das erste
anlangt wegen der nahmen/ dienen dieselbe eigentlich allein zu diesem ende/
daß man wisse/ von wem man rede/ darzu der nahme/ den man sich selbs gi-
bet/ im fall er nicht auff andere art den andern praejudiciret/ nicht unbillig
gebraucht wird. Jch habe mit fleiß beygesetzt/ im fall der nahme nicht gleich
in sich einiges praejudicium fassen möchte: daher uns bedencklich/ der Römi-
schen kirche den titul der Catholischen/ den sie sich selbs nimmet/ zuzustehen/
weil solches ein alter und der rechtglaubigen kirchen im gegensatz aller andern
beygelegter titul ist/ den sie auch in solcher absicht/ alle übrige hauffen da-
durch vor ketzerisch und schismatisch zu erklähren/ gebrauchen/ und damit
prangen/ daher wo man ihnen solchen beyleget/ sich dessen als einer bekänt-
nüß ihrer richtigkeit rühmen: indem wir ihnen daher nicht weichen/ noch
auffs wenigste ohne gnugsame unsre verwahrung vor solcher folge/ den titul
beylegen können/ hingegen sie Päpstische und Römische mit gutem fug von
demjenigen nennen/ den sie selbs vor das haupt ihrer kirchen angeben. Wie
aber der nahme Reformirt an sich keine praejudiz unsrer kirchen in sich fasset/
können wir ja den jenigen ihnen willig ertheilen/ welche denselben selbs ge-
brauchen. Das andre betreffend/ halte ichs vor die höchste billigkeit/ keinem
etwas vor seine lehr beyzumessen/ dem er selbs öffentlich widerspricht. Da-
mit aber wird der wahrheit nichts begeben/ noch aller gebrauch der conse-
quenzen auffgehoben. Sondern es bleibet noch derselbe/ daß man gegen-
theil das jenige vorhalte/ was aus dero lehr folge/ aber nur darzu/ daß sie die
folge in der forcht des HErren fleißig erwegen/ und weil sie das folgende
selbs verwerffen/ eben daraus schliessen/ es müsse mit ihren sätzen nicht richtig
seyn/ weil jenes daraus folge/ da aber aus dem/ was eigentlich wahr ist/ auch
nichts anders als wahres folgen kan. Jedoch stets mit der verwahrung/
daß man ihnen solche lehren nicht wider ihren willen aufftringen wolle. Jn
dem dritten wird von keinem erfordert/ solchen consensum und tolerantiam
zu statuiren/ oder auch seine erkäntnüß davon zu verleugnen/ sondern allein

an-

Das andere Capitel.

gebot auch den Reformirten predigern gegeben iſt/ daß ſie ſich nicht unterſte-
hen ſollen/ unſerer kirchen vor ihre lehr und glauben diejenige abſurda beyzu-
meſſen/ welche ſie aus unſrer lehr zufolgen meinen/ wir aber denſelben aus-
druͤcklich widerſprechen. Dazu kom̃t/ daß denjenigen die conſenſum fun-
damentalem und tolerantiam Eccleſiſtiacam unter beyden theilen nicht er-
kennen/ verboten wird/ andre die alſo geſinnet ſind deswegen zurichten/ zu-
verkleinern/ vor heuchler/ Calixtiner, Syncretiſten zuſchelten. Endlich daß
ein prediger verbunden wird/ wo ein vater ſein kind ohne exorciſmum tauf-
fen laſſen will und ſolches fordert/ ihm darinn gefugt werde. Dieſe dinge
alle/ wo ſie in der furcht des HERRN und nach der wahrheit
angeſehen werden/ verletzen das gewiſſen nicht. Was das erſte
anlangt wegen der nahmen/ dienen dieſelbe eigentlich allein zu dieſem ende/
daß man wiſſe/ von wem man rede/ darzu der nahme/ den man ſich ſelbs gi-
bet/ im fall er nicht auff andere art den andern præjudiciret/ nicht unbillig
gebraucht wird. Jch habe mit fleiß beygeſetzt/ im fall der nahme nicht gleich
in ſich einiges præjudicium faſſen moͤchte: daher uns bedencklich/ der Roͤmi-
ſchen kirche den titul der Catholiſchen/ den ſie ſich ſelbs nimmet/ zuzuſtehen/
weil ſolches ein alter und der rechtglaubigen kirchen im gegenſatz aller andern
beygelegter titul iſt/ den ſie auch in ſolcher abſicht/ alle uͤbrige hauffen da-
durch vor ketzeriſch und ſchiſmatiſch zu erklaͤhren/ gebrauchen/ und damit
prangen/ daher wo man ihnen ſolchen beyleget/ ſich deſſen als einer bekaͤnt-
nuͤß ihrer richtigkeit ruͤhmen: indem wir ihnen daher nicht weichen/ noch
auffs wenigſte ohne gnugſame unſre verwahrung vor ſolcher folge/ den titul
beylegen koͤnnen/ hingegen ſie Paͤpſtiſche und Roͤmiſche mit gutem fug von
demjenigen nennen/ den ſie ſelbs vor das haupt ihrer kirchen angeben. Wie
aber der nahme Reformirt an ſich keine præjudiz unſrer kirchen in ſich faſſet/
koͤnnen wir ja den jenigen ihnen willig ertheilen/ welche denſelben ſelbs ge-
brauchen. Das andre betreffend/ halte ichs vor die hoͤchſte billigkeit/ keinem
etwas vor ſeine lehr beyzumeſſen/ dem er ſelbs oͤffentlich widerſpricht. Da-
mit aber wird der wahrheit nichts begeben/ noch aller gebrauch der conſe-
quenzen auffgehoben. Sondern es bleibet noch derſelbe/ daß man gegen-
theil das jenige vorhalte/ was aus dero lehr folge/ aber nur darzu/ daß ſie die
folge in der forcht des HErren fleißig erwegen/ und weil ſie das folgende
ſelbs verwerffen/ eben daraus ſchlieſſen/ es muͤſſe mit ihren ſaͤtzen nicht richtig
ſeyn/ weil jenes daraus folge/ da aber aus dem/ was eigentlich wahr iſt/ auch
nichts anders als wahres folgen kan. Jedoch ſtets mit der verwahrung/
daß man ihnen ſolche lehren nicht wider ihren willen aufftringen wolle. Jn
dem dritten wird von keinem erfordert/ ſolchen conſenſum und tolerantiam
zu ſtatuiren/ oder auch ſeine erkaͤntnuͤß davon zu verleugnen/ ſondern allein

an-

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[600/0616] Das andere Capitel. gebot auch den Reformirten predigern gegeben iſt/ daß ſie ſich nicht unterſte- hen ſollen/ unſerer kirchen vor ihre lehr und glauben diejenige abſurda beyzu- meſſen/ welche ſie aus unſrer lehr zufolgen meinen/ wir aber denſelben aus- druͤcklich widerſprechen. Dazu kom̃t/ daß denjenigen die conſenſum fun- damentalem und tolerantiam Eccleſiſtiacam unter beyden theilen nicht er- kennen/ verboten wird/ andre die alſo geſinnet ſind deswegen zurichten/ zu- verkleinern/ vor heuchler/ Calixtiner, Syncretiſten zuſchelten. Endlich daß ein prediger verbunden wird/ wo ein vater ſein kind ohne exorciſmum tauf- fen laſſen will und ſolches fordert/ ihm darinn gefugt werde. Dieſe dinge alle/ wo ſie in der furcht des HERRN und nach der wahrheit angeſehen werden/ verletzen das gewiſſen nicht. Was das erſte anlangt wegen der nahmen/ dienen dieſelbe eigentlich allein zu dieſem ende/ daß man wiſſe/ von wem man rede/ darzu der nahme/ den man ſich ſelbs gi- bet/ im fall er nicht auff andere art den andern præjudiciret/ nicht unbillig gebraucht wird. Jch habe mit fleiß beygeſetzt/ im fall der nahme nicht gleich in ſich einiges præjudicium faſſen moͤchte: daher uns bedencklich/ der Roͤmi- ſchen kirche den titul der Catholiſchen/ den ſie ſich ſelbs nimmet/ zuzuſtehen/ weil ſolches ein alter und der rechtglaubigen kirchen im gegenſatz aller andern beygelegter titul iſt/ den ſie auch in ſolcher abſicht/ alle uͤbrige hauffen da- durch vor ketzeriſch und ſchiſmatiſch zu erklaͤhren/ gebrauchen/ und damit prangen/ daher wo man ihnen ſolchen beyleget/ ſich deſſen als einer bekaͤnt- nuͤß ihrer richtigkeit ruͤhmen: indem wir ihnen daher nicht weichen/ noch auffs wenigſte ohne gnugſame unſre verwahrung vor ſolcher folge/ den titul beylegen koͤnnen/ hingegen ſie Paͤpſtiſche und Roͤmiſche mit gutem fug von demjenigen nennen/ den ſie ſelbs vor das haupt ihrer kirchen angeben. Wie aber der nahme Reformirt an ſich keine præjudiz unſrer kirchen in ſich faſſet/ koͤnnen wir ja den jenigen ihnen willig ertheilen/ welche denſelben ſelbs ge- brauchen. Das andre betreffend/ halte ichs vor die hoͤchſte billigkeit/ keinem etwas vor ſeine lehr beyzumeſſen/ dem er ſelbs oͤffentlich widerſpricht. Da- mit aber wird der wahrheit nichts begeben/ noch aller gebrauch der conſe- quenzen auffgehoben. Sondern es bleibet noch derſelbe/ daß man gegen- theil das jenige vorhalte/ was aus dero lehr folge/ aber nur darzu/ daß ſie die folge in der forcht des HErren fleißig erwegen/ und weil ſie das folgende ſelbs verwerffen/ eben daraus ſchlieſſen/ es muͤſſe mit ihren ſaͤtzen nicht richtig ſeyn/ weil jenes daraus folge/ da aber aus dem/ was eigentlich wahr iſt/ auch nichts anders als wahres folgen kan. Jedoch ſtets mit der verwahrung/ daß man ihnen ſolche lehren nicht wider ihren willen aufftringen wolle. Jn dem dritten wird von keinem erfordert/ ſolchen conſenſum und tolerantiam zu ſtatuiren/ oder auch ſeine erkaͤntnuͤß davon zu verleugnen/ ſondern allein an-

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Zitationshilfe:	Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/616>, abgerufen am 25.04.2024.

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