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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. III. SECTIO VII.
SECTIO VII.
An einen prediger über unterschiedliche
puncten das amt be-
treffend.

ZUm fordersten habe nun freundlich zu dancken vor die biß daher ge-
gen mich bey behaltene und aus allen schreiben hervorleuchtende
hertzliche liebe und vertrauen/ sonderlich aber daraus fliessende
Christliche wünsche/ und versicherung brüderlicher vorbitte: dero ich so
viel mehr vor andern bedarff/ als nicht allein meine stelle an sich selbs
vor vielen andern wichtig ist/ sondern insgesamt mein zustand/ da über
mich der HERR nach seinem heil. rath verhenget hat/ daß viele aus eig-
ner schuld mich ihnen selbs zum anstoß gesetzet haben/ an dem sie sich ge-
fährlich stossen/ nicht anders als gefährlich erkannt werden kan: massen
eine mehr als gemeine weißheit darzu erfordert wird/ in gegenwärtigen
umständen/ was in jeden stücken der göttliche wille seye/ also zuerken-
nen/ daß man weder einer seits etwas der göttlichen wahrheit begebe/ noch
anderseits wo man durch weichen mehr gewinnen könte/ mit härtigkeit
und eigensinn gegen die liebe sündige/ und damit nicht weniger schaden thue:
insgesamt daß sich nicht fleischliche affecten in den eyffer GOTTES ein-
mischen/ noch auch fleischliche weißheit und gesuch menschlicher tage sich
unter dem schein Christlicher klugheit unvermerckt einschleiche. Dahero
Christliche mittbrüder ein angenehmes werck der liebe thun/ wo sie mir
sonderlich diese gnade erbitten helffen/ damit ich weder meine seele selbs
in so viel müßlichen dingen verletze/ noch dem werck des HERREN auff
eine oder andere seyte einen anstoß setze/ vielmehr nach meinem maaß
dasselbige befördere: und bleibe ich also demselben darvor hertzlich verbun-
den/ mit freundlicher bitte/ darmit immer anzuhalten/ und solches so viel
inbrünstiger/ in dem je nachdem mir gnade von GOTT wieder-
fähret/ und ich mich dasselbige recht oder nicht recht gebrauche/
dessen schade oder nutzen so viele mitbrüder auch betrifft. Hinge-
gen versichre/ daß auch meines theils nicht säumig bin/ der jenigen treu-
lich zugedencken/ dero kundschafft in Christo mir zukommet. Nechst dem be-
zeuge auch billig meine freude/ und dancke mit ihme dem geber alles guten/ ü-
ber dasjenige/ was derselbe seines hauses und amts wegen meldet/ daß es
nemlich in beyden bißher nicht an göttlicher gnade gemanglet habe. Und
zwahr was jenes anlangt/ ists allerdings eine der sonderbarsten wolthaten/

die
ARTIC. III. SECTIO VII.
SECTIO VII.
An einen prediger uͤber unterſchiedliche
puncten das amt be-
treffend.

ZUm forderſten habe nun freundlich zu dancken vor die biß daher ge-
gen mich bey behaltene und aus allen ſchreiben hervorleuchtende
hertzliche liebe und vertrauen/ ſonderlich aber daraus flieſſende
Chriſtliche wuͤnſche/ und verſicherung bruͤderlicher vorbitte: dero ich ſo
viel mehr vor andern bedarff/ als nicht allein meine ſtelle an ſich ſelbs
vor vielen andern wichtig iſt/ ſondern insgeſamt mein zuſtand/ da uͤber
mich der HERR nach ſeinem heil. rath verhenget hat/ daß viele aus eig-
ner ſchuld mich ihnen ſelbs zum anſtoß geſetzet haben/ an dem ſie ſich ge-
faͤhrlich ſtoſſen/ nicht anders als gefaͤhrlich erkannt werden kan: maſſen
eine mehr als gemeine weißheit darzu erfordert wird/ in gegenwaͤrtigen
umſtaͤnden/ was in jeden ſtuͤcken der goͤttliche wille ſeye/ alſo zuerken-
nen/ daß man weder einer ſeits etwas der goͤttlichen wahrheit begebe/ noch
anderſeits wo man durch weichen mehr gewinnen koͤnte/ mit haͤrtigkeit
und eigenſinn gegen die liebe ſuͤndige/ und damit nicht weniger ſchaden thue:
insgeſamt daß ſich nicht fleiſchliche affecten in den eyffer GOTTES ein-
miſchen/ noch auch fleiſchliche weißheit und geſuch menſchlicher tage ſich
unter dem ſchein Chriſtlicher klugheit unvermerckt einſchleiche. Dahero
Chriſtliche mittbruͤder ein angenehmes werck der liebe thun/ wo ſie mir
ſonderlich dieſe gnade erbitten helffen/ damit ich weder meine ſeele ſelbs
in ſo viel muͤßlichen dingen verletze/ noch dem werck des HERREN auff
eine oder andere ſeyte einen anſtoß ſetze/ vielmehr nach meinem maaß
daſſelbige befoͤrdere: und bleibe ich alſo demſelben darvor hertzlich verbun-
den/ mit freundlicher bitte/ darmit immer anzuhalten/ und ſolches ſo viel
inbruͤnſtiger/ in dem je nachdem mir gnade von GOTT wieder-
faͤhret/ und ich mich daſſelbige recht oder nicht recht gebrauche/
deſſen ſchade oder nutzen ſo viele mitbruͤder auch betrifft. Hinge-
gen verſichre/ daß auch meines theils nicht ſaͤumig bin/ der jenigen treu-
lich zugedencken/ dero kundſchafft in Chriſto mir zukommet. Nechſt dem be-
zeuge auch billig meine freude/ und dancke mit ihme dem geber alles guten/ uͤ-
ber dasjenige/ was derſelbe ſeines hauſes und amts wegen meldet/ daß es
nemlich in beyden bißher nicht an goͤttlicher gnade gemanglet habe. Und
zwahr was jenes anlangt/ iſts allerdings eine der ſonderbarſten wolthaten/

die
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[623/0639] ARTIC. III. SECTIO VII. SECTIO VII. An einen prediger uͤber unterſchiedliche puncten das amt be- treffend. ZUm forderſten habe nun freundlich zu dancken vor die biß daher ge- gen mich bey behaltene und aus allen ſchreiben hervorleuchtende hertzliche liebe und vertrauen/ ſonderlich aber daraus flieſſende Chriſtliche wuͤnſche/ und verſicherung bruͤderlicher vorbitte: dero ich ſo viel mehr vor andern bedarff/ als nicht allein meine ſtelle an ſich ſelbs vor vielen andern wichtig iſt/ ſondern insgeſamt mein zuſtand/ da uͤber mich der HERR nach ſeinem heil. rath verhenget hat/ daß viele aus eig- ner ſchuld mich ihnen ſelbs zum anſtoß geſetzet haben/ an dem ſie ſich ge- faͤhrlich ſtoſſen/ nicht anders als gefaͤhrlich erkannt werden kan: maſſen eine mehr als gemeine weißheit darzu erfordert wird/ in gegenwaͤrtigen umſtaͤnden/ was in jeden ſtuͤcken der goͤttliche wille ſeye/ alſo zuerken- nen/ daß man weder einer ſeits etwas der goͤttlichen wahrheit begebe/ noch anderſeits wo man durch weichen mehr gewinnen koͤnte/ mit haͤrtigkeit und eigenſinn gegen die liebe ſuͤndige/ und damit nicht weniger ſchaden thue: insgeſamt daß ſich nicht fleiſchliche affecten in den eyffer GOTTES ein- miſchen/ noch auch fleiſchliche weißheit und geſuch menſchlicher tage ſich unter dem ſchein Chriſtlicher klugheit unvermerckt einſchleiche. Dahero Chriſtliche mittbruͤder ein angenehmes werck der liebe thun/ wo ſie mir ſonderlich dieſe gnade erbitten helffen/ damit ich weder meine ſeele ſelbs in ſo viel muͤßlichen dingen verletze/ noch dem werck des HERREN auff eine oder andere ſeyte einen anſtoß ſetze/ vielmehr nach meinem maaß daſſelbige befoͤrdere: und bleibe ich alſo demſelben darvor hertzlich verbun- den/ mit freundlicher bitte/ darmit immer anzuhalten/ und ſolches ſo viel inbruͤnſtiger/ in dem je nachdem mir gnade von GOTT wieder- faͤhret/ und ich mich daſſelbige recht oder nicht recht gebrauche/ deſſen ſchade oder nutzen ſo viele mitbruͤder auch betrifft. Hinge- gen verſichre/ daß auch meines theils nicht ſaͤumig bin/ der jenigen treu- lich zugedencken/ dero kundſchafft in Chriſto mir zukommet. Nechſt dem be- zeuge auch billig meine freude/ und dancke mit ihme dem geber alles guten/ uͤ- ber dasjenige/ was derſelbe ſeines hauſes und amts wegen meldet/ daß es nemlich in beyden bißher nicht an goͤttlicher gnade gemanglet habe. Und zwahr was jenes anlangt/ iſts allerdings eine der ſonderbarſten wolthaten/ die

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/639>, abgerufen am 28.03.2024.