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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
und andern gutes exempel gegeben hatten/ dazu schicken/ auch selbs zum gehör
desselben kommen solten/ selbs so wol ihrer praefectus wegen/ als auff die ihrige
acht zu geben/ und hernach selbs zu fragen. Jst auch wol einigen guten hertzen
zugesprochen worden/ bey denen man leicht etwas auszurichten geschafft/ daß sie
andern mit guten exempeln vorgehen/ und sie also dadurch reitzen möchten.
2. Habe ich unterschiedliche jahr in allen sonntäglichen Evangelien (welches
auch von einigen andern Predigern in der morgens frühpredigt geschehen) den ca-
techismum/ und zwar in jeglichem das pensum, daß nachmittag vorkommen solte/
pro exordio tractiret/ damit sind manche/ die es morgens frühe gehört/ begierig
worden/ um bessers verstandes willen/ solches nachmittags wiederum zu hören:
welche eltern und haußväter auch das ihrige bey den kindern und gesinde thun wol-
ten/ hatten gelegenheit die ihrige vorhin aus dem morgensfrühe angehörten zu
examiniren/ damit sie alsodann so viel besser bestehen könten/ darauff sie auch so
viel lieber hineingegangen sind.
3. Daß bey der confirmation jedes nechstmals communicandi (so bey uns
privatim nach einem examine geschiehet) von jeden solchen der verspruch mit
handgeben gefordert/ auch die erinnerung denen eltern gethan wird/ sie dahin an-
zuhalten/ daß sie noch eine geraume zeit/ sowohl zu ihrer erbauung/ als anderer
guten exempel/ nicht nur in der kinderlehr sondern expresse unter dem hauffen der
examinandorum sich einfinden solten.
4. Jn den nachmittags-predigten wird gerad dasjenige pensum von dem
Prediger auff der cantzel tractiret/ was nach derselben soll examiniret werden/
daher die leute sobald einen ziemlichen praegustum bekommen.
5. Es wird gedult getragen mit jegliches schwachheit/ daß weder wer gar
nicht antworten kan/ oder unrecht antwortet/ sonderlich beschämet/ sondern allein
der fehler auffs freundlichste corrigiret wird. Ja wo unterschiedliche etwa zu-
gleich mit ja und nein antworten/ gezeigt/ wie etwa beydes in gewisser maß möch-
te gesagt/ oder doch das eine entschuldigt werden könne. Daß man also denen re-
sponsis
hilfft so gut man kan/ und zwar was nicht recht gelautet/ bessert/ aber
niemand dabey beschimpffet/ man sehe dann einen gar groben unfleiß: wodurch
GOtt gnade gegeben/ daß ziemlich viele des gesindes (denn wir sonsten keine vim
coactivam
haben/ sondern nur volentes herbey bringen können) von selbsten her-
bey kommet; weil niemand schüchter gemacht wird/ indem er wo er recht antwor-
tet/ etwas lob haben kan/ wo er aber fehlet/ solcher fehler kaum wargenommen/
und gleich gebessert wird.
6. Weilen nun in allen kirchen einerley pensa tractiret werden/ (wiewol/
wie anfangs gedacht/ in allen kirchen nicht zu gleicher stunde) können aus einigen
kirchen etzliche noch in der andern das zweytemahl herzukommen/ und eadem hören.
7. Jn
Das andere Capitel.
und andern gutes exempel gegeben hatten/ dazu ſchicken/ auch ſelbs zum gehoͤr
deſſelben kommen ſolten/ ſelbs ſo wol ihrer præfectus wegen/ als auff die ihrige
acht zu geben/ und hernach ſelbs zu fragen. Jſt auch wol einigen guten hertzen
zugeſprochen worden/ bey denen man leicht etwas auszurichten geſchafft/ daß ſie
andern mit guten exempeln vorgehen/ und ſie alſo dadurch reitzen moͤchten.
2. Habe ich unterſchiedliche jahr in allen ſonntaͤglichen Evangelien (welches
auch von einigen andern Predigern in der morgens fruͤhpredigt geſchehen) den ca-
techiſmum/ und zwar in jeglichem das penſum, daß nachmittag vorkommen ſolte/
pro exordio tractiret/ damit ſind manche/ die es morgens fruͤhe gehoͤrt/ begierig
worden/ um beſſers verſtandes willen/ ſolches nachmittags wiederum zu hoͤren:
welche eltern und haußvaͤter auch das ihrige bey den kindern und geſinde thun wol-
ten/ hatten gelegenheit die ihrige vorhin aus dem morgensfruͤhe angehoͤrten zu
examiniren/ damit ſie alſodann ſo viel beſſer beſtehen koͤnten/ darauff ſie auch ſo
viel lieber hineingegangen ſind.
3. Daß bey der confirmation jedes nechſtmals communicandi (ſo bey uns
privatim nach einem examine geſchiehet) von jeden ſolchen der verſpruch mit
handgeben gefordert/ auch die erinnerung denen eltern gethan wird/ ſie dahin an-
zuhalten/ daß ſie noch eine geraume zeit/ ſowohl zu ihrer erbauung/ als anderer
guten exempel/ nicht nur in der kinderlehr ſondern expreſſe unter dem hauffen der
examinandorum ſich einfinden ſolten.
4. Jn den nachmittags-predigten wird gerad dasjenige penſum von dem
Prediger auff der cantzel tractiret/ was nach derſelben ſoll examiniret werden/
daher die leute ſobald einen ziemlichen præguſtum bekommen.
5. Es wird gedult getragen mit jegliches ſchwachheit/ daß weder wer gar
nicht antworten kan/ oder unrecht antwortet/ ſonderlich beſchaͤmet/ ſondern allein
der fehler auffs freundlichſte corrigiret wird. Ja wo unterſchiedliche etwa zu-
gleich mit ja und nein antworten/ gezeigt/ wie etwa beydes in gewiſſer maß moͤch-
te geſagt/ oder doch das eine entſchuldigt werden koͤnne. Daß man alſo denen re-
ſponſis
hilfft ſo gut man kan/ und zwar was nicht recht gelautet/ beſſert/ aber
niemand dabey beſchimpffet/ man ſehe dann einen gar groben unfleiß: wodurch
GOtt gnade gegeben/ daß ziemlich viele des geſindes (denn wir ſonſten keine vim
coactivam
haben/ ſondern nur volentes herbey bringen koͤnnen) von ſelbſten her-
bey kommet; weil niemand ſchuͤchter gemacht wird/ indem er wo er recht antwor-
tet/ etwas lob haben kan/ wo er aber fehlet/ ſolcher fehler kaum wargenommen/
und gleich gebeſſert wird.
6. Weilen nun in allen kirchen einerley penſa tractiret werden/ (wiewol/
wie anfangs gedacht/ in allen kirchen nicht zu gleicher ſtunde) koͤnnen aus einigen
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7. Jn
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[60/0860] Das andere Capitel. und andern gutes exempel gegeben hatten/ dazu ſchicken/ auch ſelbs zum gehoͤr deſſelben kommen ſolten/ ſelbs ſo wol ihrer præfectus wegen/ als auff die ihrige acht zu geben/ und hernach ſelbs zu fragen. Jſt auch wol einigen guten hertzen zugeſprochen worden/ bey denen man leicht etwas auszurichten geſchafft/ daß ſie andern mit guten exempeln vorgehen/ und ſie alſo dadurch reitzen moͤchten. 2. Habe ich unterſchiedliche jahr in allen ſonntaͤglichen Evangelien (welches auch von einigen andern Predigern in der morgens fruͤhpredigt geſchehen) den ca- techiſmum/ und zwar in jeglichem das penſum, daß nachmittag vorkommen ſolte/ pro exordio tractiret/ damit ſind manche/ die es morgens fruͤhe gehoͤrt/ begierig worden/ um beſſers verſtandes willen/ ſolches nachmittags wiederum zu hoͤren: welche eltern und haußvaͤter auch das ihrige bey den kindern und geſinde thun wol- ten/ hatten gelegenheit die ihrige vorhin aus dem morgensfruͤhe angehoͤrten zu examiniren/ damit ſie alſodann ſo viel beſſer beſtehen koͤnten/ darauff ſie auch ſo viel lieber hineingegangen ſind. 3. Daß bey der confirmation jedes nechſtmals communicandi (ſo bey uns privatim nach einem examine geſchiehet) von jeden ſolchen der verſpruch mit handgeben gefordert/ auch die erinnerung denen eltern gethan wird/ ſie dahin an- zuhalten/ daß ſie noch eine geraume zeit/ ſowohl zu ihrer erbauung/ als anderer guten exempel/ nicht nur in der kinderlehr ſondern expreſſe unter dem hauffen der examinandorum ſich einfinden ſolten. 4. Jn den nachmittags-predigten wird gerad dasjenige penſum von dem Prediger auff der cantzel tractiret/ was nach derſelben ſoll examiniret werden/ daher die leute ſobald einen ziemlichen præguſtum bekommen. 5. Es wird gedult getragen mit jegliches ſchwachheit/ daß weder wer gar nicht antworten kan/ oder unrecht antwortet/ ſonderlich beſchaͤmet/ ſondern allein der fehler auffs freundlichſte corrigiret wird. Ja wo unterſchiedliche etwa zu- gleich mit ja und nein antworten/ gezeigt/ wie etwa beydes in gewiſſer maß moͤch- te geſagt/ oder doch das eine entſchuldigt werden koͤnne. Daß man alſo denen re- ſponſis hilfft ſo gut man kan/ und zwar was nicht recht gelautet/ beſſert/ aber niemand dabey beſchimpffet/ man ſehe dann einen gar groben unfleiß: wodurch GOtt gnade gegeben/ daß ziemlich viele des geſindes (denn wir ſonſten keine vim coactivam haben/ ſondern nur volentes herbey bringen koͤnnen) von ſelbſten her- bey kommet; weil niemand ſchuͤchter gemacht wird/ indem er wo er recht antwor- tet/ etwas lob haben kan/ wo er aber fehlet/ ſolcher fehler kaum wargenommen/ und gleich gebeſſert wird. 6. Weilen nun in allen kirchen einerley penſa tractiret werden/ (wiewol/ wie anfangs gedacht/ in allen kirchen nicht zu gleicher ſtunde) koͤnnen aus einigen kirchen etzliche noch in der andern das zweytemahl herzukom̃en/ und eadem hoͤren. 7. Jn

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/860>, abgerufen am 25.04.2024.