noch sehe/ daß es eine dem amt unanständige neurung gehalten werden könte. 4. Das einige bedencken möchte seyn wegen der zeit/ ob nicht die abendstunde/ sonderlich winters/ da es ziemlich in die nacht gehet/ wegen allerley ungelegenheit der finsterniß bedencken machen möchte: und stelle ich zu ferner überlegung in der furcht des HErrn/ ob nicht/ wo darüber klage oder übels nachreden gehöret wür- de/ rathsamer wäre/ lieber die stunde vor als nach der abend-mahlzeit winters darzu zu wehlen. Der HErr aber/ der mit dem guten ist/ zeige in allem seinen willen/ und was das beste seye/ segne alles christliche vornehmen reichlich/ und lasse nicht zu/ daß jemand auch unwissend sich dem guten widersetze/ um seiner ehre willen. 1700.
SECTIO XX. Ob die hauß-visitationen der Prediger unrecht zu achten seyen?
ES fraget sich von den geistlichen hauß-visitationen/ ob die angeführte gründe dieselbe gnugsam widerlegen/ und sie deswegen zu unterlassen wären; 1. Christi bekäntnuß und Exempel Joh. 18/ 20. streitet aller- dings nicht dagegen/ wo man neben der öffentlichen predigt auch in den häusern eben dieselbe lehre treibet. Jndem der HErr nicht allein in dem tempel/ in den schulen/ auff freyem felde und bey vielen/ sondern auch in häusern und bey weni- gen zu lehren pflegte Luc. 10/ 39. Ja er legte seinen jüngern absonderlich aus/ was er in gleichnüssen andern dunckler vorgetragen hatte/ Marc. 4/ 10. Er sagte ihnen dinge im finsternuß und in das ohr/ das ist auff eine mehr geheime weise/ die sie aber nachmal im liecht und auff den dächern predigen solten Matth. 10/ 27. Wenn also der HErr sagt Joh. 18/ 20. Jch habe nichts im verbor- gen geredet; so werden alle unsere lehrer damit einig seyn/ daß er sage/ er habe nichts im verborgen geredet/ daß er nicht auch öffentlich geprediget/ und dessen keine scheu zu tragen habe: also nichts anders im verborgenen/ anders öffentlich/ sondern allezeit einerley. Also macht unser treffliche ausleger D. Schmidius die paraphrasin. Et in occulto qvoqve aliud qvid locutus nihil sum. Auch der be- rühmte Gerhardus Harm. c. 187. Sciendum Christum hic loqvi de ipso genere doctrinae, qvae non fuit qvibusdam in occulto solum proposita, sicut Eleusi- ria sacra, sed publice omnibus, qvi audire modo voluerunt inculcata. Qvam- vis enim Christus qvandoqve privatim sine arbitris cum Apostolis locutus fuerit, tamen non fuit aliud genus, nec alia qvaedam, ut ita loqvar, substan- tialia doctrinae, qvam qvae publice fuerunt etiam aliis exposita. Von dem es fast mit einerley worten auch D. Nifanias entlehnet/ wie auch Prucknerus. Fla-
cius
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ARTIC. IV. SECT. XX.
noch ſehe/ daß es eine dem amt unanſtaͤndige neurung gehalten werden koͤnte. 4. Das einige bedencken moͤchte ſeyn wegen der zeit/ ob nicht die abendſtunde/ ſonderlich winters/ da es ziemlich in die nacht gehet/ wegen allerley ungelegenheit der finſterniß bedencken machen moͤchte: und ſtelle ich zu ferner uͤberlegung in der furcht des HErrn/ ob nicht/ wo daruͤber klage oder uͤbels nachreden gehoͤret wuͤr- de/ rathſamer waͤre/ lieber die ſtunde vor als nach der abend-mahlzeit winters darzu zu wehlen. Der HErr aber/ der mit dem guten iſt/ zeige in allem ſeinen willen/ und was das beſte ſeye/ ſegne alles chriſtliche vornehmen reichlich/ und laſſe nicht zu/ daß jemand auch unwiſſend ſich dem guten widerſetze/ um ſeiner ehre willen. 1700.
SECTIO XX. Ob die hauß-viſitationen der Prediger unrecht zu achten ſeyen?
ES fraget ſich von den geiſtlichen hauß-viſitationen/ ob die angefuͤhrte gruͤnde dieſelbe gnugſam widerlegen/ und ſie deswegen zu unterlaſſen waͤren; 1. Chriſti bekaͤntnuß und Exempel Joh. 18/ 20. ſtreitet aller- dings nicht dagegen/ wo man neben der oͤffentlichen predigt auch in den haͤuſern eben dieſelbe lehre treibet. Jndem der HErr nicht allein in dem tempel/ in den ſchulen/ auff freyem felde und bey vielen/ ſondern auch in haͤuſern und bey weni- gen zu lehren pflegte Luc. 10/ 39. Ja er legte ſeinen juͤngern abſonderlich aus/ was er in gleichnuͤſſen andern dunckler vorgetragen hatte/ Marc. 4/ 10. Er ſagte ihnen dinge im finſternuß und in das ohr/ das iſt auff eine mehr geheime weiſe/ die ſie aber nachmal im liecht und auff den daͤchern predigen ſolten Matth. 10/ 27. Wenn alſo der HErr ſagt Joh. 18/ 20. Jch habe nichts im verbor- gen geredet; ſo werden alle unſere lehrer damit einig ſeyn/ daß er ſage/ er habe nichts im verborgen geredet/ daß er nicht auch oͤffentlich geprediget/ und deſſen keine ſcheu zu tragen habe: alſo nichts anders im verborgenen/ anders oͤffentlich/ ſondern allezeit einerley. Alſo macht unſer treffliche ausleger D. Schmidius die παϱάφρασιν. Et in occulto qvoqve aliud qvid locutus nihil ſum. Auch der be- ruͤhmte Gerhardus Harm. c. 187. Sciendum Chriſtum hic loqvi de ipſo genere doctrinæ, qvæ non fuit qvibusdam in occulto ſolum propoſita, ſicut Eleuſi- ria ſacra, ſed publice omnibus, qvi audire modo voluerunt inculcata. Qvam- vis enim Chriſtus qvandoqve privatim ſine arbitris cum Apoſtolis locutus fuerit, tamen non fuit aliud genus, nec alia qvædam, ut ita loqvar, ſubſtan- tialia doctrinæ, qvàm qvæ publicè fuerunt etiam aliis expoſita. Von dem es faſt mit einerley worten auch D. Nifanias entlehnet/ wie auch Prucknerus. Fla-
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ARTIC. IV. SECT. XX.
noch ſehe/ daß es eine dem amt unanſtaͤndige neurung gehalten werden koͤnte.
4. Das einige bedencken moͤchte ſeyn wegen der zeit/ ob nicht die abendſtunde/
ſonderlich winters/ da es ziemlich in die nacht gehet/ wegen allerley ungelegenheit
der finſterniß bedencken machen moͤchte: und ſtelle ich zu ferner uͤberlegung in der
furcht des HErrn/ ob nicht/ wo daruͤber klage oder uͤbels nachreden gehoͤret wuͤr-
de/ rathſamer waͤre/ lieber die ſtunde vor als nach der abend-mahlzeit winters
darzu zu wehlen. Der HErr aber/ der mit dem guten iſt/ zeige in allem ſeinen
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laſſe nicht zu/ daß jemand auch unwiſſend ſich dem guten widerſetze/ um ſeiner
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Ob die hauß-viſitationen der Prediger unrecht
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ES fraget ſich von den geiſtlichen hauß-viſitationen/ ob die angefuͤhrte
gruͤnde dieſelbe gnugſam widerlegen/ und ſie deswegen zu unterlaſſen
waͤren; 1. Chriſti bekaͤntnuß und Exempel Joh. 18/ 20. ſtreitet aller-
dings nicht dagegen/ wo man neben der oͤffentlichen predigt auch in den haͤuſern
eben dieſelbe lehre treibet. Jndem der HErr nicht allein in dem tempel/ in den
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gen zu lehren pflegte Luc. 10/ 39. Ja er legte ſeinen juͤngern abſonderlich aus/
was er in gleichnuͤſſen andern dunckler vorgetragen hatte/ Marc. 4/ 10. Er ſagte
ihnen dinge im finſternuß und in das ohr/ das iſt auff eine mehr geheime
weiſe/ die ſie aber nachmal im liecht und auff den daͤchern predigen ſolten Matth.
10/ 27. Wenn alſo der HErr ſagt Joh. 18/ 20. Jch habe nichts im verbor-
gen geredet; ſo werden alle unſere lehrer damit einig ſeyn/ daß er ſage/ er habe
nichts im verborgen geredet/ daß er nicht auch oͤffentlich geprediget/ und deſſen
keine ſcheu zu tragen habe: alſo nichts anders im verborgenen/ anders oͤffentlich/
ſondern allezeit einerley. Alſo macht unſer treffliche ausleger D. Schmidius die
παϱάφρασιν. Et in occulto qvoqve aliud qvid locutus nihil ſum. Auch der be-
ruͤhmte Gerhardus Harm. c. 187. Sciendum Chriſtum hic loqvi de ipſo genere
doctrinæ, qvæ non fuit qvibusdam in occulto ſolum propoſita, ſicut Eleuſi-
ria ſacra, ſed publice omnibus, qvi audire modo voluerunt inculcata. Qvam-
vis enim Chriſtus qvandoqve privatim ſine arbitris cum Apoſtolis locutus
fuerit, tamen non fuit aliud genus, nec alia qvædam, ut ita loqvar, ſubſtan-
tialia doctrinæ, qvàm qvæ publicè fuerunt etiam aliis expoſita. Von dem es
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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/875>, abgerufen am 25.04.2024.
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