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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. IV. SECTIO XXX.
und wir zu unserm heil an der H. Schrifft gnug haben/ auch unwidersprechlich
viel zweiffelhafftiges und hartlautendes/ über dessen richtigkeit noch gestritten
wird/ in gedachten büchern stehet/ denjenigen mißrathen/ dero maaß sie zu sol-
cher prüfung nicht zureichend achten. Wie man so gar auch einige an sich selbs
unverwerffliche bücher gleichwol gewissen personen/ denen sie nicht dienlich/ miß-
rathen kan.

6. Wie nun Prediger hierinnen nach ihrer treue und erkäntnüß thun/ da-
her ob sie auch darinn fehleten/ ihnen ihre gute absicht und sorge nicht verdacht
werden solle: so bleibet dannoch das urtheil/ ob ihr rath gut und anzunehmen/
oder beyseit zu setzen seye/ den zuhörern selbs frey/ daß sie nach prüfung der an-
führenden gründe schliessen/ ob ihnen ein solches lesen dienlich oder nicht seye.

7. Daher ein blosses verbot solcher bücher zu lesen/ entweder ohne anfüh-
rung gründlicher ursachen/ oder da die zuhörer solche nicht vor gnugsam halten/
gehet über die macht der Prediger/ und riechet nach einer beherrschung der ge-
wissen/ daher sie sich sorgfältig darvor zu hüten haben. Am allerwenigsten aber
kan das verbot die straffe der ausschliessung von der gemeinde androhen/ die ohne
das nicht auff alles gesetzt werden kan/ was auch an sich selbs böse ist/ so viel we-
niger aber gegen dasjenige gelten würde/ was nicht an sich selbs sündlich (wie
zum exempel Talmud/ Alcoran/ Atheistische bücher u. s. f. ohne sünde von eini-
nigen gelesen werden können/) sondern nur von dem Prediger vor gefährlich ge-
halten würde.

Die II. Frage.
Ob ein Evangelischer zuhörer auff eines Ministerii, welches
Joh. Böhmen bücher als schwermerisch verwirfft/ begehren/ sol-
che nicht weiter zu lesen versprechen könne oder müsse?
1.
WJe das predigamt anders nichts nach oben angeführtem zu befehlen hat/
als wo des HErrn befehl selbs zum grunde des ihrigen lieget/ so sind
die zuhörer solchen befehlen ihrer Prediger/ die solche nicht so wol thun/
als an sie nur überbringen/ zu gehorsamen allerdings verbunden/ und gehören
dahin Pauli worte Hebr. 13/ v. 17. Gehorchet euren Lehrern/ und folget ihnen.
2. Wo sie aber nicht macht haben zu befehlen/ sondern allein rathen/
oder wo sie es zwahr unter dem nahmen eines befehls thäten/ so doch an sich
selbs nicht weiter als ein rath gilt/ sollen gleichwol zuhörer auch darinnen so
weit gehorsam leisten/ als sie nichts wider das gewissen forden: einmal ihr amt/
an welches sie gleichwol gewiesen sind/ so viel es seyn kan/ zu ehren/ und keinen
ärger-
o 2

ARTIC. IV. SECTIO XXX.
und wir zu unſerm heil an der H. Schrifft gnug haben/ auch unwiderſprechlich
viel zweiffelhafftiges und hartlautendes/ uͤber deſſen richtigkeit noch geſtritten
wird/ in gedachten buͤchern ſtehet/ denjenigen mißrathen/ dero maaß ſie zu ſol-
cher pruͤfung nicht zureichend achten. Wie man ſo gar auch einige an ſich ſelbs
unverwerffliche buͤcher gleichwol gewiſſen perſonen/ denen ſie nicht dienlich/ miß-
rathen kan.

6. Wie nun Prediger hierinnen nach ihrer treue und erkaͤntnuͤß thun/ da-
her ob ſie auch darinn fehleten/ ihnen ihre gute abſicht und ſorge nicht verdacht
werden ſolle: ſo bleibet dannoch das urtheil/ ob ihr rath gut und anzunehmen/
oder beyſeit zu ſetzen ſeye/ den zuhoͤrern ſelbs frey/ daß ſie nach pruͤfung der an-
fuͤhrenden gruͤnde ſchlieſſen/ ob ihnen ein ſolches leſen dienlich oder nicht ſeye.

7. Daher ein bloſſes verbot ſolcher buͤcher zu leſen/ entweder ohne anfuͤh-
rung gruͤndlicher urſachen/ oder da die zuhoͤrer ſolche nicht vor gnugſam halten/
gehet uͤber die macht der Prediger/ und riechet nach einer beherrſchung der ge-
wiſſen/ daher ſie ſich ſorgfaͤltig darvor zu huͤten haben. Am allerwenigſten aber
kan das verbot die ſtraffe der ausſchlieſſung von der gemeinde androhen/ die ohne
das nicht auff alles geſetzt werden kan/ was auch an ſich ſelbs boͤſe iſt/ ſo viel we-
niger aber gegen dasjenige gelten wuͤrde/ was nicht an ſich ſelbs ſuͤndlich (wie
zum exempel Talmud/ Alcoran/ Atheiſtiſche buͤcher u. ſ. f. ohne ſuͤnde von eini-
nigen geleſen werden koͤnnen/) ſondern nur von dem Prediger vor gefaͤhrlich ge-
halten wuͤrde.

Die II. Frage.
Ob ein Evangeliſcher zuhoͤrer auff eines Miniſterii, welches
Joh. Boͤhmen buͤcher als ſchwermeriſch verwirfft/ begehren/ ſol-
che nicht weiter zu leſen verſprechen koͤnne oder muͤſſe?
1.
WJe das predigamt anders nichts nach oben angefuͤhrtem zu befehlen hat/
als wo des HErrn befehl ſelbs zum grunde des ihrigen lieget/ ſo ſind
die zuhoͤrer ſolchen befehlen ihrer Prediger/ die ſolche nicht ſo wol thun/
als an ſie nur uͤberbringen/ zu gehorſamen allerdings verbunden/ und gehoͤren
dahin Pauli worte Hebr. 13/ v. 17. Gehorchet euren Lehrern/ und folget ihnen.
2. Wo ſie aber nicht macht haben zu befehlen/ ſondern allein rathen/
oder wo ſie es zwahr unter dem nahmen eines befehls thaͤten/ ſo doch an ſich
ſelbs nicht weiter als ein rath gilt/ ſollen gleichwol zuhoͤrer auch darinnen ſo
weit gehorſam leiſten/ als ſie nichts wider das gewiſſen forden: einmal ihr amt/
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aͤrger-
o 2
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[107/0907] ARTIC. IV. SECTIO XXX. und wir zu unſerm heil an der H. Schrifft gnug haben/ auch unwiderſprechlich viel zweiffelhafftiges und hartlautendes/ uͤber deſſen richtigkeit noch geſtritten wird/ in gedachten buͤchern ſtehet/ denjenigen mißrathen/ dero maaß ſie zu ſol- cher pruͤfung nicht zureichend achten. Wie man ſo gar auch einige an ſich ſelbs unverwerffliche buͤcher gleichwol gewiſſen perſonen/ denen ſie nicht dienlich/ miß- rathen kan. 6. Wie nun Prediger hierinnen nach ihrer treue und erkaͤntnuͤß thun/ da- her ob ſie auch darinn fehleten/ ihnen ihre gute abſicht und ſorge nicht verdacht werden ſolle: ſo bleibet dannoch das urtheil/ ob ihr rath gut und anzunehmen/ oder beyſeit zu ſetzen ſeye/ den zuhoͤrern ſelbs frey/ daß ſie nach pruͤfung der an- fuͤhrenden gruͤnde ſchlieſſen/ ob ihnen ein ſolches leſen dienlich oder nicht ſeye. 7. Daher ein bloſſes verbot ſolcher buͤcher zu leſen/ entweder ohne anfuͤh- rung gruͤndlicher urſachen/ oder da die zuhoͤrer ſolche nicht vor gnugſam halten/ gehet uͤber die macht der Prediger/ und riechet nach einer beherrſchung der ge- wiſſen/ daher ſie ſich ſorgfaͤltig darvor zu huͤten haben. Am allerwenigſten aber kan das verbot die ſtraffe der ausſchlieſſung von der gemeinde androhen/ die ohne das nicht auff alles geſetzt werden kan/ was auch an ſich ſelbs boͤſe iſt/ ſo viel we- niger aber gegen dasjenige gelten wuͤrde/ was nicht an ſich ſelbs ſuͤndlich (wie zum exempel Talmud/ Alcoran/ Atheiſtiſche buͤcher u. ſ. f. ohne ſuͤnde von eini- nigen geleſen werden koͤnnen/) ſondern nur von dem Prediger vor gefaͤhrlich ge- halten wuͤrde. Die II. Frage. Ob ein Evangeliſcher zuhoͤrer auff eines Miniſterii, welches Joh. Boͤhmen buͤcher als ſchwermeriſch verwirfft/ begehren/ ſol- che nicht weiter zu leſen verſprechen koͤnne oder muͤſſe? 1. WJe das predigamt anders nichts nach oben angefuͤhrtem zu befehlen hat/ als wo des HErrn befehl ſelbs zum grunde des ihrigen lieget/ ſo ſind die zuhoͤrer ſolchen befehlen ihrer Prediger/ die ſolche nicht ſo wol thun/ als an ſie nur uͤberbringen/ zu gehorſamen allerdings verbunden/ und gehoͤren dahin Pauli worte Hebr. 13/ v. 17. Gehorchet euren Lehrern/ und folget ihnen. 2. Wo ſie aber nicht macht haben zu befehlen/ ſondern allein rathen/ oder wo ſie es zwahr unter dem nahmen eines befehls thaͤten/ ſo doch an ſich ſelbs nicht weiter als ein rath gilt/ ſollen gleichwol zuhoͤrer auch darinnen ſo weit gehorſam leiſten/ als ſie nichts wider das gewiſſen forden: einmal ihr amt/ an welches ſie gleichwol gewieſen ſind/ ſo viel es ſeyn kan/ zu ehren/ und keinen aͤrger- o 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/907>, abgerufen am 28.03.2024.