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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XXIV.
exempel zu gleichem übel verleitet werden. Ruffet denn nun Christus
Matth. 18. so ernstlich das wehe aus über diejenigen/ durch welche einer
seiner geringsten geärgert wird/ und ist man offt schuldig um verhütung des
ärgernüsses das zu thun/ worzu man sonst an und für sich selbs nicht ver-
bunden wäre/ und was mittel-dinge sind: wie vielmehr hat man dann dasje-
nige nicht aus der acht zu lassen/ worzu man ohne das aus Gottes befehl
mit höchstdringenden ursachen verbunden wird/ und also/ welches an sich
nöthig ist/ da wir sehen/ daß wir auch noch durch unterlassung hefftiges är-
gernüß stifften würden. Da also nicht nur die liebe/ die wir gegen GOtt/
sondern auch die wir gegen den nechsten haben sollen/ uns die nothwendig-
keit dieses wercks zu erkennen geben solte. Aus welchem allem schließlich
erhellet/ daß also freilich des heiligen Abendmahls sich zu gebrauchen/ nicht
in unserm willen stehe/ sondern Gottes befehl/ desselben nutz und zweck/ war-
um es eingesetzt; so dann die schuldige einigkeit der kirchen-glieder/ oder
aus dem gegentheil entspringendes ärgernüß es allerdings nöthig mache/
und deßwegen niemand in dem stande/ wo man dessen kan theilhafftig wer-
den/ sich desselben ohne gefahr der seligkeit zu enthalten vermag.

Die andere Frage.
Ob wir dadurch von dem gebrauch des heiligen Abendmahls ent-
schuldiget werden/ weil wir sonst der übrigen göttlichen mittel
uns gebrauchen; sonderlich das göttliche wort fleissig hören/
und die heilige
absolution/ wie dieselbe öffentlich allen bußferti-
gen insgemein gesprochen wird/ annehmen?

OB schon sattsam erwiesen/ wie nothwendig das werck an und für sich
selbs ist/ so würde es doch nicht genug seyn/ wo nicht auch einige hinder-
nüssen aus dem weg geräumet werden/ um welcher willen ein und andere
sich dieses nöthigen mittels ihrer seligkeit enthalten/ und derenthalben ge-
nug meinen entschuldiget zu seyn. Unter denselben mag wohl dieses die erste
seyn: wenn einige damit gedencken sich zu vertheidigen/ daß GOtt ohne das
heilige Abendmahl auch die übrige mittel eingesetzt habe/ sonderlich sein hei-
liges wort/ aus dessen anhörung/ und daraus annehmenden trost und abso-
luti
on sie wohl alles haben könten/ was zu ihrer seligkeit vonnöthen seye; und
möchte also die unterlassung des einigen mittels/ welches durch andere er-
setzt werde/ ihnen nichtes schaden. Vorausgesetzt dessen/ daß wirhier re-
den/ wie bey der ersten frage bemercket worden/ von denen/ die da das heili-
ge Abendmahl haben können/ so beantworten wir die frage mit runden nein.
Essollen zwahr die übrige mittel/ göttliches wort und die absolution des

heili-
P 2

ARTIC. I. SECTIO XXIV.
exempel zu gleichem uͤbel verleitet werden. Ruffet denn nun Chriſtus
Matth. 18. ſo ernſtlich das wehe aus uͤber diejenigen/ durch welche einer
ſeiner geringſten geaͤrgert wird/ und iſt man offt ſchuldig um verhuͤtung des
aͤrgernuͤſſes das zu thun/ worzu man ſonſt an und fuͤr ſich ſelbs nicht ver-
bunden waͤre/ und was mittel-dinge ſind: wie vielmehr hat man dann dasje-
nige nicht aus der acht zu laſſen/ worzu man ohne das aus Gottes befehl
mit hoͤchſtdringenden urſachen verbunden wird/ und alſo/ welches an ſich
noͤthig iſt/ da wir ſehen/ daß wir auch noch durch unterlaſſung hefftiges aͤr-
gernuͤß ſtifften wuͤrden. Da alſo nicht nur die liebe/ die wir gegen GOtt/
ſondern auch die wir gegen den nechſten haben ſollen/ uns die nothwendig-
keit dieſes wercks zu erkennen geben ſolte. Aus welchem allem ſchließlich
erhellet/ daß alſo freilich des heiligen Abendmahls ſich zu gebrauchen/ nicht
in unſerm willen ſtehe/ ſondern Gottes befehl/ deſſelben nutz und zweck/ war-
um es eingeſetzt; ſo dann die ſchuldige einigkeit der kirchen-glieder/ oder
aus dem gegentheil entſpringendes aͤrgernuͤß es allerdings noͤthig mache/
und deßwegen niemand in dem ſtande/ wo man deſſen kan theilhafftig wer-
den/ ſich deſſelben ohne gefahr der ſeligkeit zu enthalten vermag.

Die andere Frage.
Ob wir dadurch von dem gebrauch des heiligen Abendmahls ent-
ſchuldiget werden/ weil wir ſonſt der uͤbrigen goͤttlichen mittel
uns gebrauchen; ſonderlich das goͤttliche wort fleiſſig hoͤren/
und die heilige
abſolution/ wie dieſelbe oͤffentlich allen bußferti-
gen insgemein geſprochen wird/ annehmen?

OB ſchon ſattſam erwieſen/ wie nothwendig das werck an und fuͤr ſich
ſelbs iſt/ ſo wuͤrde es doch nicht genug ſeyn/ wo nicht auch einige hinder-
nuͤſſen aus dem weg geraͤumet werden/ um welcher willen ein und andere
ſich dieſes noͤthigen mittels ihrer ſeligkeit enthalten/ und derenthalben ge-
nug meinen entſchuldiget zu ſeyn. Unter denſelben mag wohl dieſes die erſte
ſeyn: wenn einige damit gedencken ſich zu vertheidigen/ daß GOtt ohne das
heilige Abendmahl auch die uͤbrige mittel eingeſetzt habe/ ſonderlich ſein hei-
liges wort/ aus deſſen anhoͤrung/ und daraus annehmenden troſt und abſo-
luti
on ſie wohl alles haben koͤnten/ was zu ihrer ſeligkeit vonnoͤthen ſeye; und
moͤchte alſo die unterlaſſung des einigen mittels/ welches durch andere er-
ſetzt werde/ ihnen nichtes ſchaden. Vorausgeſetzt deſſen/ daß wirhier re-
den/ wie bey der erſten frage bemercket worden/ von denen/ die da das heili-
ge Abendmahl haben koͤnnen/ ſo beantworten wir die frage mit runden nein.
Esſollen zwahr die uͤbrige mittel/ goͤttliches wort und die abſolution des

heili-
P 2
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[115/0123] ARTIC. I. SECTIO XXIV. exempel zu gleichem uͤbel verleitet werden. Ruffet denn nun Chriſtus Matth. 18. ſo ernſtlich das wehe aus uͤber diejenigen/ durch welche einer ſeiner geringſten geaͤrgert wird/ und iſt man offt ſchuldig um verhuͤtung des aͤrgernuͤſſes das zu thun/ worzu man ſonſt an und fuͤr ſich ſelbs nicht ver- bunden waͤre/ und was mittel-dinge ſind: wie vielmehr hat man dann dasje- nige nicht aus der acht zu laſſen/ worzu man ohne das aus Gottes befehl mit hoͤchſtdringenden urſachen verbunden wird/ und alſo/ welches an ſich noͤthig iſt/ da wir ſehen/ daß wir auch noch durch unterlaſſung hefftiges aͤr- gernuͤß ſtifften wuͤrden. Da alſo nicht nur die liebe/ die wir gegen GOtt/ ſondern auch die wir gegen den nechſten haben ſollen/ uns die nothwendig- keit dieſes wercks zu erkennen geben ſolte. Aus welchem allem ſchließlich erhellet/ daß alſo freilich des heiligen Abendmahls ſich zu gebrauchen/ nicht in unſerm willen ſtehe/ ſondern Gottes befehl/ deſſelben nutz und zweck/ war- um es eingeſetzt; ſo dann die ſchuldige einigkeit der kirchen-glieder/ oder aus dem gegentheil entſpringendes aͤrgernuͤß es allerdings noͤthig mache/ und deßwegen niemand in dem ſtande/ wo man deſſen kan theilhafftig wer- den/ ſich deſſelben ohne gefahr der ſeligkeit zu enthalten vermag. Die andere Frage. Ob wir dadurch von dem gebrauch des heiligen Abendmahls ent- ſchuldiget werden/ weil wir ſonſt der uͤbrigen goͤttlichen mittel uns gebrauchen; ſonderlich das goͤttliche wort fleiſſig hoͤren/ und die heilige abſolution/ wie dieſelbe oͤffentlich allen bußferti- gen insgemein geſprochen wird/ annehmen? OB ſchon ſattſam erwieſen/ wie nothwendig das werck an und fuͤr ſich ſelbs iſt/ ſo wuͤrde es doch nicht genug ſeyn/ wo nicht auch einige hinder- nuͤſſen aus dem weg geraͤumet werden/ um welcher willen ein und andere ſich dieſes noͤthigen mittels ihrer ſeligkeit enthalten/ und derenthalben ge- nug meinen entſchuldiget zu ſeyn. Unter denſelben mag wohl dieſes die erſte ſeyn: wenn einige damit gedencken ſich zu vertheidigen/ daß GOtt ohne das heilige Abendmahl auch die uͤbrige mittel eingeſetzt habe/ ſonderlich ſein hei- liges wort/ aus deſſen anhoͤrung/ und daraus annehmenden troſt und abſo- lution ſie wohl alles haben koͤnten/ was zu ihrer ſeligkeit vonnoͤthen ſeye; und moͤchte alſo die unterlaſſung des einigen mittels/ welches durch andere er- ſetzt werde/ ihnen nichtes ſchaden. Vorausgeſetzt deſſen/ daß wirhier re- den/ wie bey der erſten frage bemercket worden/ von denen/ die da das heili- ge Abendmahl haben koͤnnen/ ſo beantworten wir die frage mit runden nein. Esſollen zwahr die uͤbrige mittel/ goͤttliches wort und die abſolution des heili- P 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/123>, abgerufen am 25.04.2024.