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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO III.
mittel dazu hat/ geringerer speise und tranck der noth der natur gnug thun/
daß sie oder ihre frucht dessen kein schaden haben mag; so dann einige stun-
den/ so viel sie es haben kan/ sich allein halten/ in solcher absonderung (die et-
wa bequemer darzu/ als die gegenwart anderer leute) oder auch bey andern
so wol sich allezeit ihres ausgestandenen elends als göttlicher ihr erwiese-
ner gnad danckbarlich erinnern/ beten/ lesen und mit andern bußfertigen
übungen/ dazu wir täglich materi gnug haben/ solchezeit zubringen. Dazu
wird sie auff solche weise viel geschickter sich befinden/ als wo sie entweder
einerseits sich wie gewöhnlich/ gesättiget/ oder ander seits von dem fasten in-
commodi
ret/ oder doch in forcht einiger gefahr besorgte zu seyn. Und wie
diese wercke eigentlich die jenige sind/ um derer willen unserem GOtt das fa-
sten ohne dasselb aber das blosse fasten gar nicht gefället/ Esa. 58. also wird
auch solches vor GOtt bey der person/ welche zu andern fasten nicht geschickt/
ein wahrhafftiges fasten seyn. Jhr gewissen wird sich hierdurch am kräfftig-
sten stillen/ und hingegen GOtt ihr durch die früchten dieses fastens sehen
lassen/ daß ihm nicht nur solches gefalle/ sondern/ daß er auch solche ihre hei-
lige übungen/ dazu sie durch das geloben sich vor andern mehr verbunden/ al-
so segnen/ daß sie wie sonsten in ihrem Christenthum mehr zunehmen/ also
auch die krafft des geistes und seine würckungen so viel herrlicher bey sich spü-
ren wird. Welches ich auch solcher ob wohl nach dem fleisch unbekanter/
aber in Christo geliebter mitschwester von unserem treuen GOTT und
heyland hertzlich wünsche und bitte/ Amen.

SECTIO III.
Von verbindlichkeit der gelübde/ sonderlich
des fastens.

JCh komme auff das anliegen wegen eines gethanen gelübdes/ und fasse
um so viel gründlicher und deutlicher die sache zu heben meine meinung
in einige sätze. 1. Wir Christen haben ein einiges haupt-gelübde/ so
wir in unsrer tauff vor GOtt dem HErrn thun/ und mehrmals in erneue-
rung unsers bundes mit GOtt/ ja billig in täglichem vorsatz wiederhohlen:
dieses gelübde verbindet uns zu lauter solchen dingen/ dazu wir von GOtt
ohne das verbunden sind/ und also ist es nur eine bezeugung unserer obligen-
den pflicht/ davon wir niemals befreyet werden können/ oder auch solches nur
zu verlangen haben. 2. Was aber die absonderlich also genannte gelübde ü-
ber dinge/ welche an sich selbsten sonsten frey sind/ und zu thun oder lassen aus
gewissen ursachen/ sonderlich auff lebens lang angenommen werden/ bin ich
nicht in abrede/ daß sie nicht leicht rathe/ indem der nutze/ welchen man davon

hoffen

ARTIC. I. SECTIO III.
mittel dazu hat/ geringerer ſpeiſe und tranck der noth der natur gnug thun/
daß ſie oder ihre frucht deſſen kein ſchaden haben mag; ſo dann einige ſtun-
den/ ſo viel ſie es haben kan/ ſich allein halten/ in ſolcher abſonderung (die et-
wa bequemer darzu/ als die gegenwart anderer leute) oder auch bey andern
ſo wol ſich allezeit ihres ausgeſtandenen elends als goͤttlicher ihr erwieſe-
ner gnad danckbarlich erinnern/ beten/ leſen und mit andern bußfertigen
uͤbungen/ dazu wir taͤglich materi gnug haben/ ſolchezeit zubringen. Dazu
wird ſie auff ſolche weiſe viel geſchickter ſich befinden/ als wo ſie entweder
einerſeits ſich wie gewoͤhnlich/ geſaͤttiget/ oder ander ſeits von dem faſten in-
commodi
ret/ oder doch in forcht einiger gefahr beſorgte zu ſeyn. Und wie
dieſe wercke eigentlich die jenige ſind/ um derer willen unſerem GOtt das fa-
ſten ohne daſſelb aber das bloſſe faſten gar nicht gefaͤllet/ Eſa. 58. alſo wird
auch ſolches vor GOtt bey der perſon/ welche zu andern faſten nicht geſchickt/
ein wahrhafftiges faſten ſeyn. Jhr gewiſſen wird ſich hierdurch am kraͤfftig-
ſten ſtillen/ und hingegen GOtt ihr durch die fruͤchten dieſes faſtens ſehen
laſſen/ daß ihm nicht nur ſolches gefalle/ ſondern/ daß er auch ſolche ihre hei-
lige uͤbungen/ dazu ſie durch das geloben ſich vor andern mehr verbunden/ al-
ſo ſegnen/ daß ſie wie ſonſten in ihrem Chriſtenthum mehr zunehmen/ alſo
auch die krafft des geiſtes und ſeine wuͤrckungen ſo viel herrlicher bey ſich ſpuͤ-
ren wird. Welches ich auch ſolcher ob wohl nach dem fleiſch unbekanter/
aber in Chriſto geliebter mitſchweſter von unſerem treuen GOTT und
heyland hertzlich wuͤnſche und bitte/ Amen.

SECTIO III.
Von verbindlichkeit der geluͤbde/ ſonderlich
des faſtens.

JCh komme auff das anliegen wegen eines gethanen geluͤbdes/ und faſſe
um ſo viel gruͤndlicher und deutlicher die ſache zu heben meine meinung
in einige ſaͤtze. 1. Wir Chriſten haben ein einiges haupt-geluͤbde/ ſo
wir in unſrer tauff vor GOtt dem HErrn thun/ und mehrmals in erneue-
rung unſers bundes mit GOtt/ ja billig in taͤglichem vorſatz wiederhohlen:
dieſes geluͤbde verbindet uns zu lauter ſolchen dingen/ dazu wir von GOtt
ohne das verbunden ſind/ und alſo iſt es nur eine bezeugung unſerer obligen-
den pflicht/ davon wir niemals befreyet werden koͤnnen/ oder auch ſolches nur
zu verlangen haben. 2. Was aber die abſonderlich alſo genannte geluͤbde uͤ-
ber dinge/ welche an ſich ſelbſten ſonſten frey ſind/ und zu thun oder laſſen aus
gewiſſen urſachen/ ſonderlich auff lebens lang angenommen werden/ bin ich
nicht in abrede/ daß ſie nicht leicht rathe/ indem der nutze/ welchen man davon

hoffen
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[7/0015] ARTIC. I. SECTIO III. mittel dazu hat/ geringerer ſpeiſe und tranck der noth der natur gnug thun/ daß ſie oder ihre frucht deſſen kein ſchaden haben mag; ſo dann einige ſtun- den/ ſo viel ſie es haben kan/ ſich allein halten/ in ſolcher abſonderung (die et- wa bequemer darzu/ als die gegenwart anderer leute) oder auch bey andern ſo wol ſich allezeit ihres ausgeſtandenen elends als goͤttlicher ihr erwieſe- ner gnad danckbarlich erinnern/ beten/ leſen und mit andern bußfertigen uͤbungen/ dazu wir taͤglich materi gnug haben/ ſolchezeit zubringen. Dazu wird ſie auff ſolche weiſe viel geſchickter ſich befinden/ als wo ſie entweder einerſeits ſich wie gewoͤhnlich/ geſaͤttiget/ oder ander ſeits von dem faſten in- commodiret/ oder doch in forcht einiger gefahr beſorgte zu ſeyn. Und wie dieſe wercke eigentlich die jenige ſind/ um derer willen unſerem GOtt das fa- ſten ohne daſſelb aber das bloſſe faſten gar nicht gefaͤllet/ Eſa. 58. alſo wird auch ſolches vor GOtt bey der perſon/ welche zu andern faſten nicht geſchickt/ ein wahrhafftiges faſten ſeyn. Jhr gewiſſen wird ſich hierdurch am kraͤfftig- ſten ſtillen/ und hingegen GOtt ihr durch die fruͤchten dieſes faſtens ſehen laſſen/ daß ihm nicht nur ſolches gefalle/ ſondern/ daß er auch ſolche ihre hei- lige uͤbungen/ dazu ſie durch das geloben ſich vor andern mehr verbunden/ al- ſo ſegnen/ daß ſie wie ſonſten in ihrem Chriſtenthum mehr zunehmen/ alſo auch die krafft des geiſtes und ſeine wuͤrckungen ſo viel herrlicher bey ſich ſpuͤ- ren wird. Welches ich auch ſolcher ob wohl nach dem fleiſch unbekanter/ aber in Chriſto geliebter mitſchweſter von unſerem treuen GOTT und heyland hertzlich wuͤnſche und bitte/ Amen. SECTIO III. Von verbindlichkeit der geluͤbde/ ſonderlich des faſtens. JCh komme auff das anliegen wegen eines gethanen geluͤbdes/ und faſſe um ſo viel gruͤndlicher und deutlicher die ſache zu heben meine meinung in einige ſaͤtze. 1. Wir Chriſten haben ein einiges haupt-geluͤbde/ ſo wir in unſrer tauff vor GOtt dem HErrn thun/ und mehrmals in erneue- rung unſers bundes mit GOtt/ ja billig in taͤglichem vorſatz wiederhohlen: dieſes geluͤbde verbindet uns zu lauter ſolchen dingen/ dazu wir von GOtt ohne das verbunden ſind/ und alſo iſt es nur eine bezeugung unſerer obligen- den pflicht/ davon wir niemals befreyet werden koͤnnen/ oder auch ſolches nur zu verlangen haben. 2. Was aber die abſonderlich alſo genannte geluͤbde uͤ- ber dinge/ welche an ſich ſelbſten ſonſten frey ſind/ und zu thun oder laſſen aus gewiſſen urſachen/ ſonderlich auff lebens lang angenommen werden/ bin ich nicht in abrede/ daß ſie nicht leicht rathe/ indem der nutze/ welchen man davon hoffen

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/15>, abgerufen am 16.04.2024.