Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. II. SECTIO XX.
durch viele/ auch hohe Standes-personen sich zum öfstern vergebens
eingebildet/ grösser und reicher zu werden/ so lieb ihnen GOttes huld
und gnade ist/ gäntzlich enthalten sollen.
Ein sohn läst sich in die sache
ein/ geräth aber auf sophistische wege/ darüber er seinem weib zu gefallen
auch verspricht/ mit der sache nichts mehr zu thun zu haben. Daraus entstehet

Die Frage:

OB ein solcher sohn/ da er meint nunmehr durch GOttes gnade dem zweck
zimlich nahe zu kommen/ und christliche intentiones hat/ nicht grösser oder
reicher zu werden/ oder grössere unkosten anzuwenden/ sondern nur eintzig und
allein GOTT zum ruhm die natur zu untersuchen/ zu erkennen/ was uns
GOTT in die natur geleget/ wie das liecht von der finsternüß zu erkennen/ ja
die schwehre dicta heiliger schrifft/ nicht was die seligkeit betrifft/ sondern in
den Hieroglyphischen worten/ uns solche dinge ein mehrers liecht geben/ gegen
das testament in solchem studio etwas ferner thun dörffte/ oder ob es besser
seye/ darvon abzulassen und nur gehorsam zu leisten/ wie jene im Alten Testa-
ment/ die Rechabiten/ gethan Jerem. 35. und es GOTT anheim zu stellen/
ob er durch andre dieses geheimnüß der natur wolle eröffnen? Also ob das
verlangen GOttes wunder zu erkennen/ oder das testament/ und dem weib
gethanes versprechen/ vorzuziehen seye/ sonderlich weil das weib nichts glau-
bet/ den dingen sehr feind ist/ und sich nicht ehe zu frieden geben wollen/ biß der
verspruch geschehen/ damit keine zwistigkeit entstehe/ hingegen durch fortse-
tzung der arbeit/ wann GOTT die gnade geben wolte/ dieses hohe arcanum
naturae
an den tag zu bringen/ etwa das weib selbs noch möchte zur erkänt-
nüß der wunder GOttes gebracht werden?

Wann aber alles abgesprochen würde/ ob dann dieses endlich mit gutem
gewissen könte zugelassen werden/ daß man zum lobe GOttes und zur ergö-
tzung der sinne die Philosophische bücher lesen dörffe/ darmit der grund nicht
gar übern hauffen gienge/ und das lob GOttes dardurch immer erhalten
würde/ ob gleich keine practica tractirt würden? Hierauf in der forcht des
HErrn zu antworten/ so solte für die freyheit des sohns in der arbeit fortzu-
fahren vieles vorgestellet werden können/ so nicht wenig bedencken ma-
chen mag.

1. Was das väterliche testament anlangt/ kan solches verstanden wer-
den allein von betrüglichen künsten/ nicht aber wo man der natur geheim-
nüssen ohne betrug und mit gnugsamer vorsichtigkeit nicht betrogen zu wer-
den/ nachforschet/ daher es auch den fleiß/ der in rechter ordnung und klüglich
angewendet wird/ nicht verbeut.
2. Jst von eines christlichen vaters liebe gegen seine söhne nicht zu ver-
mu-
K k 2

ARTIC. II. SECTIO XX.
durch viele/ auch hohe Standes-perſonen ſich zum oͤfſtern vergebens
eingebildet/ groͤſſer und reicher zu werden/ ſo lieb ihnen GOttes huld
und gnade iſt/ gaͤntzlich enthalten ſollen.
Ein ſohn laͤſt ſich in die ſache
ein/ geraͤth aber auf ſophiſtiſche wege/ daruͤber er ſeinem weib zu gefallen
auch verſpricht/ mit der ſache nichts mehr zu thun zu haben. Daraus entſtehet

Die Frage:

OB ein ſolcher ſohn/ da er meint nunmehr durch GOttes gnade dem zweck
zimlich nahe zu kommen/ und chriſtliche intentiones hat/ nicht groͤſſer oder
reicher zu werden/ oder groͤſſere unkoſten anzuwenden/ ſondern nur eintzig und
allein GOTT zum ruhm die natur zu unterſuchen/ zu erkennen/ was uns
GOTT in die natur geleget/ wie das liecht von der finſternuͤß zu erkennen/ ja
die ſchwehre dicta heiliger ſchrifft/ nicht was die ſeligkeit betrifft/ ſondern in
den Hieroglyphiſchen worten/ uns ſolche dinge ein mehrers liecht gebẽ/ gegen
das teſtament in ſolchem ſtudio etwas ferner thun doͤrffte/ oder ob es beſſer
ſeye/ darvon abzulaſſen und nur gehorſam zu leiſten/ wie jene im Alten Teſta-
ment/ die Rechabiten/ gethan Jerem. 35. und es GOTT anheim zu ſtellen/
ob er durch andre dieſes geheimnuͤß der natur wolle eroͤffnen? Alſo ob das
verlangen GOttes wunder zu erkennen/ oder das teſtament/ und dem weib
gethanes verſprechen/ vorzuziehen ſeye/ ſonderlich weil das weib nichts glau-
bet/ den dingen ſehr feind iſt/ und ſich nicht ehe zu frieden geben wollen/ biß der
verſpruch geſchehen/ damit keine zwiſtigkeit entſtehe/ hingegen durch fortſe-
tzung der arbeit/ wann GOTT die gnade geben wolte/ dieſes hohe arcanum
naturæ
an den tag zu bringen/ etwa das weib ſelbs noch moͤchte zur erkaͤnt-
nuͤß der wunder GOttes gebracht werden?

Wann aber alles abgeſprochen wuͤrde/ ob dann dieſes endlich mit gutem
gewiſſen koͤnte zugelaſſen werden/ daß man zum lobe GOttes und zur ergoͤ-
tzung der ſinne die Philoſophiſche buͤcher leſen doͤrffe/ darmit der grund nicht
gar uͤbern hauffen gienge/ und das lob GOttes dardurch immer erhalten
wuͤrde/ ob gleich keine practica tractirt wuͤrden? Hierauf in der forcht des
HErrn zu antworten/ ſo ſolte fuͤr die freyheit des ſohns in der arbeit fortzu-
fahren vieles vorgeſtellet werden koͤnnen/ ſo nicht wenig bedencken ma-
chen mag.

1. Was das vaͤterliche teſtament anlangt/ kan ſolches verſtanden wer-
den allein von betruͤglichen kuͤnſten/ nicht aber wo man der natur geheim-
nuͤſſen ohne betrug und mit gnugſamer vorſichtigkeit nicht betrogen zu wer-
den/ nachforſchet/ daher es auch den fleiß/ der in rechter ordnung und kluͤglich
angewendet wird/ nicht verbeut.
2. Jſt von eines chriſtlichen vaters liebe gegen ſeine ſoͤhne nicht zu ver-
mu-
K k 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0267" n="259"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. II. SECTIO XX.</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">durch viele/ auch hohe Standes-per&#x017F;onen &#x017F;ich zum o&#x0364;f&#x017F;tern vergebens<lb/>
eingebildet/ gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er und reicher zu werden/ &#x017F;o lieb ihnen GOttes huld<lb/>
und gnade i&#x017F;t/ ga&#x0364;ntzlich enthalten &#x017F;ollen.</hi> Ein &#x017F;ohn la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich in die &#x017F;ache<lb/>
ein/ gera&#x0364;th aber auf &#x017F;ophi&#x017F;ti&#x017F;che wege/ daru&#x0364;ber er &#x017F;einem weib zu gefallen<lb/>
auch ver&#x017F;pricht/ mit der &#x017F;ache nichts mehr zu thun zu haben. Daraus ent&#x017F;tehet</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Die Frage:</hi> </head><lb/>
              <p><hi rendition="#in">O</hi>B ein &#x017F;olcher &#x017F;ohn/ da er meint nunmehr durch GOttes gnade dem zweck<lb/>
zimlich nahe zu kommen/ und chri&#x017F;tliche <hi rendition="#aq">intentiones</hi> hat/ nicht gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er oder<lb/>
reicher zu werden/ oder gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere unko&#x017F;ten anzuwenden/ &#x017F;ondern nur eintzig und<lb/>
allein GOTT zum ruhm die natur zu unter&#x017F;uchen/ zu erkennen/ was uns<lb/>
GOTT in die natur geleget/ wie das liecht von der fin&#x017F;ternu&#x0364;ß zu erkennen/ ja<lb/>
die &#x017F;chwehre <hi rendition="#aq">dicta</hi> heiliger &#x017F;chrifft/ nicht was die &#x017F;eligkeit betrifft/ &#x017F;ondern in<lb/>
den <hi rendition="#aq">Hieroglyphi</hi>&#x017F;chen worten/ uns &#x017F;olche dinge ein mehrers liecht gebe&#x0303;/ gegen<lb/>
das te&#x017F;tament in &#x017F;olchem <hi rendition="#aq">&#x017F;tudio</hi> etwas ferner thun do&#x0364;rffte/ oder ob es be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;eye/ darvon abzula&#x017F;&#x017F;en und nur gehor&#x017F;am zu lei&#x017F;ten/ wie jene im Alten Te&#x017F;ta-<lb/>
ment/ die Rechabiten/ gethan <hi rendition="#fr">Jerem. 35.</hi> und es GOTT anheim zu &#x017F;tellen/<lb/>
ob er durch andre die&#x017F;es geheimnu&#x0364;ß der natur wolle ero&#x0364;ffnen? Al&#x017F;o ob das<lb/>
verlangen GOttes wunder zu erkennen/ oder das te&#x017F;tament/ und dem weib<lb/>
gethanes ver&#x017F;prechen/ vorzuziehen &#x017F;eye/ &#x017F;onderlich weil das weib nichts glau-<lb/>
bet/ den dingen &#x017F;ehr feind i&#x017F;t/ und &#x017F;ich nicht ehe zu frieden geben wollen/ biß der<lb/>
ver&#x017F;pruch ge&#x017F;chehen/ damit keine zwi&#x017F;tigkeit ent&#x017F;tehe/ hingegen durch fort&#x017F;e-<lb/>
tzung der arbeit/ wann GOTT die gnade geben wolte/ die&#x017F;es hohe <hi rendition="#aq">arcanum<lb/>
naturæ</hi> an den tag zu bringen/ etwa das weib &#x017F;elbs noch mo&#x0364;chte zur erka&#x0364;nt-<lb/>
nu&#x0364;ß der wunder GOttes gebracht werden?</p><lb/>
              <p>Wann aber alles abge&#x017F;prochen wu&#x0364;rde/ ob dann die&#x017F;es endlich mit gutem<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nte zugela&#x017F;&#x017F;en werden/ daß man zum lobe GOttes und zur ergo&#x0364;-<lb/>
tzung der &#x017F;inne die Philo&#x017F;ophi&#x017F;che bu&#x0364;cher le&#x017F;en do&#x0364;rffe/ darmit der grund nicht<lb/>
gar u&#x0364;bern hauffen gienge/ und das lob GOttes dardurch immer erhalten<lb/>
wu&#x0364;rde/ ob gleich keine <hi rendition="#aq">practica tracti</hi>rt wu&#x0364;rden? Hierauf in der forcht des<lb/>
HErrn zu antworten/ &#x017F;o &#x017F;olte fu&#x0364;r die freyheit des &#x017F;ohns in der arbeit fortzu-<lb/>
fahren vieles vorge&#x017F;tellet werden ko&#x0364;nnen/ &#x017F;o nicht wenig bedencken ma-<lb/>
chen mag.</p><lb/>
              <list>
                <item>1. Was das va&#x0364;terliche te&#x017F;tament anlangt/ kan &#x017F;olches ver&#x017F;tanden wer-<lb/>
den allein <hi rendition="#fr">von betru&#x0364;glichen ku&#x0364;n&#x017F;ten/</hi> nicht aber wo man der natur geheim-<lb/>
nu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ohne betrug und mit gnug&#x017F;amer vor&#x017F;ichtigkeit nicht betrogen zu wer-<lb/>
den/ nachfor&#x017F;chet/ daher es auch den fleiß/ der in rechter ordnung und klu&#x0364;glich<lb/>
angewendet wird/ nicht verbeut.</item><lb/>
                <item>2. J&#x017F;t von eines chri&#x017F;tlichen vaters liebe gegen &#x017F;eine &#x017F;o&#x0364;hne nicht zu ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k 2</fw><fw place="bottom" type="catch">mu-</fw><lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0267] ARTIC. II. SECTIO XX. durch viele/ auch hohe Standes-perſonen ſich zum oͤfſtern vergebens eingebildet/ groͤſſer und reicher zu werden/ ſo lieb ihnen GOttes huld und gnade iſt/ gaͤntzlich enthalten ſollen. Ein ſohn laͤſt ſich in die ſache ein/ geraͤth aber auf ſophiſtiſche wege/ daruͤber er ſeinem weib zu gefallen auch verſpricht/ mit der ſache nichts mehr zu thun zu haben. Daraus entſtehet Die Frage: OB ein ſolcher ſohn/ da er meint nunmehr durch GOttes gnade dem zweck zimlich nahe zu kommen/ und chriſtliche intentiones hat/ nicht groͤſſer oder reicher zu werden/ oder groͤſſere unkoſten anzuwenden/ ſondern nur eintzig und allein GOTT zum ruhm die natur zu unterſuchen/ zu erkennen/ was uns GOTT in die natur geleget/ wie das liecht von der finſternuͤß zu erkennen/ ja die ſchwehre dicta heiliger ſchrifft/ nicht was die ſeligkeit betrifft/ ſondern in den Hieroglyphiſchen worten/ uns ſolche dinge ein mehrers liecht gebẽ/ gegen das teſtament in ſolchem ſtudio etwas ferner thun doͤrffte/ oder ob es beſſer ſeye/ darvon abzulaſſen und nur gehorſam zu leiſten/ wie jene im Alten Teſta- ment/ die Rechabiten/ gethan Jerem. 35. und es GOTT anheim zu ſtellen/ ob er durch andre dieſes geheimnuͤß der natur wolle eroͤffnen? Alſo ob das verlangen GOttes wunder zu erkennen/ oder das teſtament/ und dem weib gethanes verſprechen/ vorzuziehen ſeye/ ſonderlich weil das weib nichts glau- bet/ den dingen ſehr feind iſt/ und ſich nicht ehe zu frieden geben wollen/ biß der verſpruch geſchehen/ damit keine zwiſtigkeit entſtehe/ hingegen durch fortſe- tzung der arbeit/ wann GOTT die gnade geben wolte/ dieſes hohe arcanum naturæ an den tag zu bringen/ etwa das weib ſelbs noch moͤchte zur erkaͤnt- nuͤß der wunder GOttes gebracht werden? Wann aber alles abgeſprochen wuͤrde/ ob dann dieſes endlich mit gutem gewiſſen koͤnte zugelaſſen werden/ daß man zum lobe GOttes und zur ergoͤ- tzung der ſinne die Philoſophiſche buͤcher leſen doͤrffe/ darmit der grund nicht gar uͤbern hauffen gienge/ und das lob GOttes dardurch immer erhalten wuͤrde/ ob gleich keine practica tractirt wuͤrden? Hierauf in der forcht des HErrn zu antworten/ ſo ſolte fuͤr die freyheit des ſohns in der arbeit fortzu- fahren vieles vorgeſtellet werden koͤnnen/ ſo nicht wenig bedencken ma- chen mag. 1. Was das vaͤterliche teſtament anlangt/ kan ſolches verſtanden wer- den allein von betruͤglichen kuͤnſten/ nicht aber wo man der natur geheim- nuͤſſen ohne betrug und mit gnugſamer vorſichtigkeit nicht betrogen zu wer- den/ nachforſchet/ daher es auch den fleiß/ der in rechter ordnung und kluͤglich angewendet wird/ nicht verbeut. 2. Jſt von eines chriſtlichen vaters liebe gegen ſeine ſoͤhne nicht zu ver- mu- K k 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/267
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/267>, abgerufen am 24.04.2024.