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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
dieses/ daß sorge/ es werde auf jetzige gemüths-unruhe noch einmal eine
neue unruhe des gewissens folgen/ so dann dörffte dergleichen proceß/ wel-
chen mein Hoch g. Herr Lic. intendiret/ und sich damit von einem schimpff
befreyen will/ ihn in einen solchen schimpff stürtzen/ der so bald nicht reparirt
werden kan/ mit welches vorhaltung/ um sich nicht zu prostituiren/ und
selbs eine ungelegenheit über den halß zu ziehen/ so bald treulich anfangs
abgerathen/ und damit nicht Herr N. (als den in allem solchem ausser gefahr
zu seyn/ jedesmal geglaubet) sondern dessen eigenen glimpff gesuchet. Man
wird sorglich allzuspät dermaleins bereuen/ was geschihet/ und in der er-
fahrung finden/ was für eine heilsame weißheit in den geboten Christi seye/
welche nicht nur eine liebe von uns fordern/ die nichts arges gedencke/ und
deß wegen alles zum besten immer auffnehme/ sondern auch wahrhafftige
injurien mit gedult überwinden/ und darinnen eine ruhe des gemüths zu
suchen lehren. Der HERR regire nochmal die sache zu allerseits gewis-
sen beruhigung. 1683.

SECTIO VII.
Pflichten eines offendentis und offensi wegen
der versöhnung.

DJe übersendete speciem facti, was zwischen einem offendente und
offenso, deren dieser/ da sie sich einmal gezweyet/ jenem gesagt/ das
solte er an jenem tag verantworten/ bey dieses absterben vorgegangen/
und daraus gezogene fragen über jenes aus der sachen geschöpffte scru-
pul/ habe in der furcht des HErrn etlichemal durchgelesen/ und mit
dessen auruffung/ was göttlichem wort und dem gewissen gemäß seye/
erwogen.

Ob nun wol dieses bedencken dahin gemeinet ist/ auch wol in solcher
absicht wird gesuchet worden seyn/ das verunruhigte gewissen des of-
fendentis
zu befriedigen/ so wird doch zuerst billich dieses voraus-
gesetzt/ daß derselbe allerdings seine sünde vor schwehr zu achten ha-
be. Dann ob wol/ wie schwehr die offension an sich selbs gewesen/
mir nicht wissend/ und in der specie facti nicht ausgetrucket ist/ so
zeigt sich doch/ daß die person damal in keinem guten stand möge ge-
standen seyn/ wann sie sich nicht allein ihre affecten zu dem vor-
gegangenen streit hat übernehmen/ sondern sich auf die worte/
daß er solches an jenem tage werde verantworten müssen/
nichts bewegen lassen/ vielmehr so lange/ als nemlich fünff vierthel jahr in ei-
nem hause mit dem offenso lebende/ sich nicht gründlich mit ihm zuversöhnen

getrach-

Das dritte Capitel.
dieſes/ daß ſorge/ es werde auf jetzige gemuͤths-unruhe noch einmal eine
neue unruhe des gewiſſens folgen/ ſo dann doͤrffte dergleichen proceß/ wel-
chen mein Hoch g. Herr Lic. intendiret/ und ſich damit von einem ſchimpff
befreyen will/ ihn in einen ſolchen ſchimpff ſtuͤrtzen/ der ſo bald nicht reparirt
werden kan/ mit welches vorhaltung/ um ſich nicht zu proſtituiren/ und
ſelbs eine ungelegenheit uͤber den halß zu ziehen/ ſo bald treulich anfangs
abgerathen/ und damit nicht Herr N. (als den in allem ſolchem auſſer gefahr
zu ſeyn/ jedesmal geglaubet) ſondern deſſen eigenen glimpff geſuchet. Man
wird ſorglich allzuſpaͤt dermaleins bereuen/ was geſchihet/ und in der er-
fahrung finden/ was fuͤr eine heilſame weißheit in den geboten Chriſti ſeye/
welche nicht nur eine liebe von uns fordern/ die nichts arges gedencke/ und
deß wegen alles zum beſten immer auffnehme/ ſondern auch wahrhafftige
injurien mit gedult uͤberwinden/ und darinnen eine ruhe des gemuͤths zu
ſuchen lehren. Der HERR regire nochmal die ſache zu allerſeits gewiſ-
ſen beruhigung. 1683.

SECTIO VII.
Pflichten eines offendentis und offenſi wegen
der verſoͤhnung.

DJe uͤberſendete ſpeciem facti, was zwiſchen einem offendente und
offenſo, deren dieſer/ da ſie ſich einmal gezweyet/ jenem geſagt/ das
ſolte er an jenem tag verantworten/ bey dieſes abſterben vorgegangen/
und daraus gezogene fragen uͤber jenes aus der ſachen geſchoͤpffte ſcru-
pul/ habe in der furcht des HErrn etlichemal durchgeleſen/ und mit
deſſen auruffung/ was goͤttlichem wort und dem gewiſſen gemaͤß ſeye/
erwogen.

Ob nun wol dieſes bedencken dahin gemeinet iſt/ auch wol in ſolcher
abſicht wird geſuchet worden ſeyn/ das verunruhigte gewiſſen des of-
fendentis
zu befriedigen/ ſo wird doch zuerſt billich dieſes voraus-
geſetzt/ daß derſelbe allerdings ſeine ſuͤnde vor ſchwehr zu achten ha-
be. Dann ob wol/ wie ſchwehr die offenſion an ſich ſelbs geweſen/
mir nicht wiſſend/ und in der ſpecie facti nicht ausgetrucket iſt/ ſo
zeigt ſich doch/ daß die perſon damal in keinem guten ſtand moͤge ge-
ſtanden ſeyn/ wann ſie ſich nicht allein ihre affecten zu dem vor-
gegangenen ſtreit hat uͤbernehmen/ ſondern ſich auf die worte/
daß er ſolches an jenem tage werde verantworten muͤſſen/
nichts bewegen laſſen/ vielmehr ſo lange/ als nemlich fuͤnff vierthel jahr in ei-
nem hauſe mit dem offenſo lebende/ ſich nicht gruͤndlich mit ihm zuverſoͤhnen

getrach-
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[292/0300] Das dritte Capitel. dieſes/ daß ſorge/ es werde auf jetzige gemuͤths-unruhe noch einmal eine neue unruhe des gewiſſens folgen/ ſo dann doͤrffte dergleichen proceß/ wel- chen mein Hoch g. Herr Lic. intendiret/ und ſich damit von einem ſchimpff befreyen will/ ihn in einen ſolchen ſchimpff ſtuͤrtzen/ der ſo bald nicht reparirt werden kan/ mit welches vorhaltung/ um ſich nicht zu proſtituiren/ und ſelbs eine ungelegenheit uͤber den halß zu ziehen/ ſo bald treulich anfangs abgerathen/ und damit nicht Herr N. (als den in allem ſolchem auſſer gefahr zu ſeyn/ jedesmal geglaubet) ſondern deſſen eigenen glimpff geſuchet. Man wird ſorglich allzuſpaͤt dermaleins bereuen/ was geſchihet/ und in der er- fahrung finden/ was fuͤr eine heilſame weißheit in den geboten Chriſti ſeye/ welche nicht nur eine liebe von uns fordern/ die nichts arges gedencke/ und deß wegen alles zum beſten immer auffnehme/ ſondern auch wahrhafftige injurien mit gedult uͤberwinden/ und darinnen eine ruhe des gemuͤths zu ſuchen lehren. Der HERR regire nochmal die ſache zu allerſeits gewiſ- ſen beruhigung. 1683. SECTIO VII. Pflichten eines offendentis und offenſi wegen der verſoͤhnung. DJe uͤberſendete ſpeciem facti, was zwiſchen einem offendente und offenſo, deren dieſer/ da ſie ſich einmal gezweyet/ jenem geſagt/ das ſolte er an jenem tag verantworten/ bey dieſes abſterben vorgegangen/ und daraus gezogene fragen uͤber jenes aus der ſachen geſchoͤpffte ſcru- pul/ habe in der furcht des HErrn etlichemal durchgeleſen/ und mit deſſen auruffung/ was goͤttlichem wort und dem gewiſſen gemaͤß ſeye/ erwogen. Ob nun wol dieſes bedencken dahin gemeinet iſt/ auch wol in ſolcher abſicht wird geſuchet worden ſeyn/ das verunruhigte gewiſſen des of- fendentis zu befriedigen/ ſo wird doch zuerſt billich dieſes voraus- geſetzt/ daß derſelbe allerdings ſeine ſuͤnde vor ſchwehr zu achten ha- be. Dann ob wol/ wie ſchwehr die offenſion an ſich ſelbs geweſen/ mir nicht wiſſend/ und in der ſpecie facti nicht ausgetrucket iſt/ ſo zeigt ſich doch/ daß die perſon damal in keinem guten ſtand moͤge ge- ſtanden ſeyn/ wann ſie ſich nicht allein ihre affecten zu dem vor- gegangenen ſtreit hat uͤbernehmen/ ſondern ſich auf die worte/ daß er ſolches an jenem tage werde verantworten muͤſſen/ nichts bewegen laſſen/ vielmehr ſo lange/ als nemlich fuͤnff vierthel jahr in ei- nem hauſe mit dem offenſo lebende/ ſich nicht gruͤndlich mit ihm zuverſoͤhnen getrach-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/300>, abgerufen am 28.03.2024.