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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. III. SECTIO XIII.
würde/ dafern ohne einige ausnahm keine sünde ohne die bekäntnüß gegen
diejenige/ gegen welche sie begangen/ von GOTT vergebung erlangen könte.

9. Das argument von gleichförmigkeit des verbrechens und der er-
setzung ist auch wol abgeleinet/ daß es nemlich nicht zu weit gezogen werde/
nemlich wo man sich mit worten gegen den nechsten/ und daß ihm solches wis-
send/ auch er daher eine klage gegen uns führet/ versündigt hat/ daß auch die
erstattung wiederum mit worten geschehe: Da es aber gegen einen tertium
geschehen/ und entweder derselbe daraus ärgernüß gefasset/ oder der nechste
bey ihm dadurch in übelem vernehmen stehet/ so wird auch eine wörtliche er-
stattung aber allein gegen ihn erfordert.

Auf die autoritates einiger autorum zu antworten/ wird nicht nöthig
seyn/ da wir in gewissens-fällen wissen/ daß keine menschliche urtheil demsel-
ben gnug thun/ sondern göttliches wort/ und daraus geführte bündige ratio-
nes,
das einige fundament sind/ darauf jenes sicher ruhet/ hingegen niemand
weder unser gewissen eigenmächtig binden/ noch solches von deme/ was der
HErr befohlen hat/ gültig lösen oder dispensiren kan.

Dieses einige setze ich noch endlich hinzu/ wie bey der ersten frag gleich-
fals geschehen/ wo das gewissen auf alle solche remonstrationes sich noch nicht
zu frieden geben wolte/ und immerfort der scrupul übrig bliebe/ daß alsdann
was sonsten an sich nicht nöthig ist/ nöthig werden würde/ nemlich die bekänt-
nüß lieber zu thun/ als mit steter unruhe sich zu martern; nur würde alsdeun
auch fleißige sorge zu tragen seyn/ daß solche ins werck gestellet würde/ mit
vermeidung als viel müglich ist/ der oben bey 11. 6. und 7. angeregter difficultä-
ten/ und sonsten bey dem laeso besorgender offensae, wo treuer rath eines
christlichen seelsorgers viel anleitung geben könte.

Die dritte Frage.
Ob derjenige/ so ein convivium publicum anzustellen/ von dem
weinhändler/ von dem er den wein dazu erkaufft/ anneh-
men dörffe/ daß derselbe ihm zum
profit denselben wolfeiler
lasse/ als er ihn sonsten zu verkauffen pfleget/ damit dieser
den gemeinen preiß in seine rechnung bringe?

HJerauf traue nicht wol anders als mit nein zu antworten. 1. Jst wi-
der die auffrichtigkeit/ einen andern als den wahrhafftigen preiß/ wie
viel nemlich bezahlet worden/ in die rechnung zu bringen.

2. Jst der käuffer/ so sein honorarium vor die ausrichtung und bemü-
hung hat/ schuldig/ derjenigen/ für welche das convivium gehöret/ vortheil
nach allem vermögen zu suchen/ und also/ wo der wein unter dem sonsten ge-

wöhn

ARTIC. III. SECTIO XIII.
wuͤrde/ dafern ohne einige ausnahm keine ſuͤnde ohne die bekaͤntnuͤß gegen
diejenige/ gegen welche ſie begangen/ von GOTT vergebung erlangen koͤnte.

9. Das argument von gleichfoͤrmigkeit des verbrechens und der er-
ſetzung iſt auch wol abgeleinet/ daß es nemlich nicht zu weit gezogen werde/
nemlich wo man ſich mit worten gegen den nechſten/ und daß ihm ſolches wiſ-
ſend/ auch er daher eine klage gegen uns fuͤhret/ verſuͤndigt hat/ daß auch die
erſtattung wiederum mit worten geſchehe: Da es aber gegen einen tertium
geſchehen/ und entweder derſelbe daraus aͤrgernuͤß gefaſſet/ oder der nechſte
bey ihm dadurch in uͤbelem vernehmen ſtehet/ ſo wird auch eine woͤrtliche er-
ſtattung aber allein gegen ihn erfordert.

Auf die autoritates einiger autorum zu antworten/ wird nicht noͤthig
ſeyn/ da wir in gewiſſens-faͤllen wiſſen/ daß keine menſchliche urtheil demſel-
ben gnug thun/ ſondern goͤttliches wort/ und daraus gefuͤhrte buͤndige ratio-
nes,
das einige fundament ſind/ darauf jenes ſicher ruhet/ hingegen niemand
weder unſer gewiſſen eigenmaͤchtig binden/ noch ſolches von deme/ was der
HErr befohlen hat/ guͤltig loͤſen oder diſpenſiren kan.

Dieſes einige ſetze ich noch endlich hinzu/ wie bey der erſten frag gleich-
fals geſchehen/ wo das gewiſſen auf alle ſolche remonſtrationes ſich noch nicht
zu frieden geben wolte/ und immerfort der ſcrupul uͤbrig bliebe/ daß alsdann
was ſonſten an ſich nicht noͤthig iſt/ noͤthig werden wuͤrde/ nemlich die bekaͤnt-
nuͤß lieber zu thun/ als mit ſteter unruhe ſich zu martern; nur wuͤrde alsdeun
auch fleißige ſorge zu tragen ſeyn/ daß ſolche ins werck geſtellet wuͤrde/ mit
vermeidung als viel muͤglich iſt/ der oben bey 11. 6. und 7. angeregter difficultaͤ-
ten/ und ſonſten bey dem læſo beſorgender offenſæ, wo treuer rath eines
chriſtlichen ſeelſorgers viel anleitung geben koͤnte.

Die dritte Frage.
Ob derjenige/ ſo ein convivium publicum anzuſtellen/ von dem
weinhaͤndler/ von dem er den wein dazu erkaufft/ anneh-
men doͤrffe/ daß derſelbe ihm zum
profit denſelben wolfeiler
laſſe/ als er ihn ſonſten zu verkauffen pfleget/ damit dieſer
den gemeinen preiß in ſeine rechnung bringe?

HJerauf traue nicht wol anders als mit nein zu antworten. 1. Jſt wi-
der die auffrichtigkeit/ einen andern als den wahrhafftigen preiß/ wie
viel nemlich bezahlet worden/ in die rechnung zu bringen.

2. Jſt der kaͤuffer/ ſo ſein honorarium vor die ausrichtung und bemuͤ-
hung hat/ ſchuldig/ derjenigen/ fuͤr welche das convivium gehoͤret/ vortheil
nach allem vermoͤgen zu ſuchen/ und alſo/ wo der wein unter dem ſonſten ge-

woͤhn
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[351/0359] ARTIC. III. SECTIO XIII. wuͤrde/ dafern ohne einige ausnahm keine ſuͤnde ohne die bekaͤntnuͤß gegen diejenige/ gegen welche ſie begangen/ von GOTT vergebung erlangen koͤnte. 9. Das argument von gleichfoͤrmigkeit des verbrechens und der er- ſetzung iſt auch wol abgeleinet/ daß es nemlich nicht zu weit gezogen werde/ nemlich wo man ſich mit worten gegen den nechſten/ und daß ihm ſolches wiſ- ſend/ auch er daher eine klage gegen uns fuͤhret/ verſuͤndigt hat/ daß auch die erſtattung wiederum mit worten geſchehe: Da es aber gegen einen tertium geſchehen/ und entweder derſelbe daraus aͤrgernuͤß gefaſſet/ oder der nechſte bey ihm dadurch in uͤbelem vernehmen ſtehet/ ſo wird auch eine woͤrtliche er- ſtattung aber allein gegen ihn erfordert. Auf die autoritates einiger autorum zu antworten/ wird nicht noͤthig ſeyn/ da wir in gewiſſens-faͤllen wiſſen/ daß keine menſchliche urtheil demſel- ben gnug thun/ ſondern goͤttliches wort/ und daraus gefuͤhrte buͤndige ratio- nes, das einige fundament ſind/ darauf jenes ſicher ruhet/ hingegen niemand weder unſer gewiſſen eigenmaͤchtig binden/ noch ſolches von deme/ was der HErr befohlen hat/ guͤltig loͤſen oder diſpenſiren kan. Dieſes einige ſetze ich noch endlich hinzu/ wie bey der erſten frag gleich- fals geſchehen/ wo das gewiſſen auf alle ſolche remonſtrationes ſich noch nicht zu frieden geben wolte/ und immerfort der ſcrupul uͤbrig bliebe/ daß alsdann was ſonſten an ſich nicht noͤthig iſt/ noͤthig werden wuͤrde/ nemlich die bekaͤnt- nuͤß lieber zu thun/ als mit ſteter unruhe ſich zu martern; nur wuͤrde alsdeun auch fleißige ſorge zu tragen ſeyn/ daß ſolche ins werck geſtellet wuͤrde/ mit vermeidung als viel muͤglich iſt/ der oben bey 11. 6. und 7. angeregter difficultaͤ- ten/ und ſonſten bey dem læſo beſorgender offenſæ, wo treuer rath eines chriſtlichen ſeelſorgers viel anleitung geben koͤnte. Die dritte Frage. Ob derjenige/ ſo ein convivium publicum anzuſtellen/ von dem weinhaͤndler/ von dem er den wein dazu erkaufft/ anneh- men doͤrffe/ daß derſelbe ihm zum profit denſelben wolfeiler laſſe/ als er ihn ſonſten zu verkauffen pfleget/ damit dieſer den gemeinen preiß in ſeine rechnung bringe? HJerauf traue nicht wol anders als mit nein zu antworten. 1. Jſt wi- der die auffrichtigkeit/ einen andern als den wahrhafftigen preiß/ wie viel nemlich bezahlet worden/ in die rechnung zu bringen. 2. Jſt der kaͤuffer/ ſo ſein honorarium vor die ausrichtung und bemuͤ- hung hat/ ſchuldig/ derjenigen/ fuͤr welche das convivium gehoͤret/ vortheil nach allem vermoͤgen zu ſuchen/ und alſo/ wo der wein unter dem ſonſten ge- woͤhn

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/359>, abgerufen am 29.03.2024.