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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
mein werther Bruder werde zur gnüge/ was meine gedancken von dieser sach
seyen/ vernehmen/ und sie ferner in der forcht des HErrn überlegen. Der
HErr gebe uns in allem gewißheit und seinen willen so zu erkennen/ als auch
willig zu thun/ dazu uns die liebe zu ihm und seiner ehr die beste handleiterin
ist/ wie er wol erinnert. Lasset uns nur unabläßig jeglicher für sich und an-
dere mitbrüder desto eiffriger zu dem HErrn seuffzen/ daß er uns würdig ma-
che/ in unserem dienst und sonsten seine ehr rechtschaffen zu befördern/ und gebe
zu dem von ihm gewirckten wollen auch ein kräfftiges vollbringen. Es ist
ja alles/ womit wir umgehen/ sein werck/ er forderts von uns/ er kennet unser
unvermögen/ und da wirs nicht würdig sind/ ist doch sein ehre werth/ von allen
seinen geschöpffen befördert zu werden/ bereits jetzt so viel es die gegenwärtige
zeiten des gerichts zugeben/ biß sie in der zeit der besserung noch siegreicher
und herrlicher völlig durchbreche. 1686.

SECTIO II.
Von der art des glaubens/ sonderlich aus welchem
alle wercke herkommen müssen: Ob man simuliren oder
dissimuliren dörffe? Ob man einen beruf anzunehmen/ dazu man
sich untüchtig achtet? Vom innern beruf/ und insgesamt/ wor-
an man den göttlichen beruf zu erkennen habe.
Erste Frage.

QUaenam sit formalissima ratio fidei. Oder/ welcher seye der
nothwendigste gedancken oder
concept des glaubens im her-
tzen: Dabey ein mensch bey der von Paulo erforderten prüf-
fung 2. Cor. 13/ 5. versichert seyn kan/ daß sein thun und lassen aus
glauben gehe.
Da ich dann gern zugebe/ daß dieses formale nicht bestehe
(a) in der empfindlichkeit/ dann GOttes unsichtbares wesen fühlender weise
zu finden/ halte ich mehr für eine eigenschafft der aus dem Heydenthum erst
ausgehenden Ap. Gesch. 17/ 27. als in dem wachsthum des glaubens ste-
henden Christen. Auch nicht (b) in der plerophoria noch dergleichen con-
comitantibus & subsequentibus fidei,
welche citra fidei interitum esse vel
abesse possunt:
Aber da stehe ich an/ ob nicht derjenige/ der seiner meinung
gewiß seyn will/ daß sein werck aus dem glauben geschehe/ nothwendig müsse
eine hypostasin und zuversicht des hertzens bey sich verspühren nach
Hebr. 11/ 1. Jn ermanglung dessen aber/ alles eusserlichen respects/ muth-
massung und meinung anderer ungeachtet/ lieber das werck/ woran sonderlich
vieler menschen heil und seligkeit hanget/ unterlassen solte/ weil ja ein jeder

seines

Das dritte Capitel.
mein werther Bruder werde zur gnuͤge/ was meine gedancken von dieſer ſach
ſeyen/ vernehmen/ und ſie ferner in der forcht des HErrn uͤberlegen. Der
HErr gebe uns in allem gewißheit und ſeinen willen ſo zu erkennen/ als auch
willig zu thun/ dazu uns die liebe zu ihm und ſeiner ehr die beſte handleiterin
iſt/ wie er wol erinnert. Laſſet uns nur unablaͤßig jeglicher fuͤr ſich und an-
dere mitbruͤder deſto eiffriger zu dem HErrn ſeuffzen/ daß er uns wuͤrdig ma-
che/ in unſerem dienſt und ſonſten ſeine ehr rechtſchaffen zu befoͤrdern/ und gebe
zu dem von ihm gewirckten wollen auch ein kraͤfftiges vollbringen. Es iſt
ja alles/ womit wir umgehen/ ſein werck/ er forderts von uns/ er kennet unſer
unvermoͤgen/ und da wirs nicht wuͤrdig ſind/ iſt doch ſein ehre werth/ von allen
ſeinen geſchoͤpffen befoͤrdert zu werden/ bereits jetzt ſo viel es die gegenwaͤrtige
zeiten des gerichts zugeben/ biß ſie in der zeit der beſſerung noch ſiegreicher
und herrlicher voͤllig durchbreche. 1686.

SECTIO II.
Von der art des glaubens/ ſonderlich aus welchem
alle wercke herkommen muͤſſen: Ob man ſimuliren oder
diſſimuliren doͤrffe? Ob man einen beruf anzunehmen/ dazu man
ſich untuͤchtig achtet? Vom innern beruf/ und insgeſamt/ wor-
an man den goͤttlichen beruf zu erkennen habe.
Erſte Frage.

QUænam ſit formaliſſima ratio fidei. Oder/ welcher ſeye der
nothwendigſte gedancken oder
concept des glaubens im her-
tzen: Dabey ein menſch bey der von Paulo erforderten pruͤf-
fung 2. Cor. 13/ 5. verſichert ſeyn kan/ daß ſein thun und laſſen aus
glauben gehe.
Da ich dann gern zugebe/ daß dieſes formale nicht beſtehe
(a) in der empfindlichkeit/ dann GOttes unſichtbares weſen fuͤhlender weiſe
zu finden/ halte ich mehr fuͤr eine eigenſchafft der aus dem Heydenthum erſt
ausgehenden Ap. Geſch. 17/ 27. als in dem wachsthum des glaubens ſte-
henden Chriſten. Auch nicht (b) in der plerophoria noch dergleichen con-
comitantibus & ſubſequentibus fidei,
welche citra fidei interitum eſſe vel
abeſſe poſſunt:
Aber da ſtehe ich an/ ob nicht derjenige/ der ſeiner meinung
gewiß ſeyn will/ daß ſein werck aus dem glauben geſchehe/ nothwendig muͤſſe
eine hypoſtaſin und zuverſicht des hertzens bey ſich verſpuͤhren nach
Hebr. 11/ 1. Jn ermanglung deſſen aber/ alles euſſerlichen reſpects/ muth-
maſſung und meinung anderer ungeachtet/ lieber das werck/ woran ſonderlich
vieler menſchen heil und ſeligkeit hanget/ unterlaſſen ſolte/ weil ja ein jeder

ſeines
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[386/0394] Das dritte Capitel. mein werther Bruder werde zur gnuͤge/ was meine gedancken von dieſer ſach ſeyen/ vernehmen/ und ſie ferner in der forcht des HErrn uͤberlegen. Der HErr gebe uns in allem gewißheit und ſeinen willen ſo zu erkennen/ als auch willig zu thun/ dazu uns die liebe zu ihm und ſeiner ehr die beſte handleiterin iſt/ wie er wol erinnert. Laſſet uns nur unablaͤßig jeglicher fuͤr ſich und an- dere mitbruͤder deſto eiffriger zu dem HErrn ſeuffzen/ daß er uns wuͤrdig ma- che/ in unſerem dienſt und ſonſten ſeine ehr rechtſchaffen zu befoͤrdern/ und gebe zu dem von ihm gewirckten wollen auch ein kraͤfftiges vollbringen. Es iſt ja alles/ womit wir umgehen/ ſein werck/ er forderts von uns/ er kennet unſer unvermoͤgen/ und da wirs nicht wuͤrdig ſind/ iſt doch ſein ehre werth/ von allen ſeinen geſchoͤpffen befoͤrdert zu werden/ bereits jetzt ſo viel es die gegenwaͤrtige zeiten des gerichts zugeben/ biß ſie in der zeit der beſſerung noch ſiegreicher und herrlicher voͤllig durchbreche. 1686. SECTIO II. Von der art des glaubens/ ſonderlich aus welchem alle wercke herkommen muͤſſen: Ob man ſimuliren oder diſſimuliren doͤrffe? Ob man einen beruf anzunehmen/ dazu man ſich untuͤchtig achtet? Vom innern beruf/ und insgeſamt/ wor- an man den goͤttlichen beruf zu erkennen habe. Erſte Frage. QUænam ſit formaliſſima ratio fidei. Oder/ welcher ſeye der nothwendigſte gedancken oder concept des glaubens im her- tzen: Dabey ein menſch bey der von Paulo erforderten pruͤf- fung 2. Cor. 13/ 5. verſichert ſeyn kan/ daß ſein thun und laſſen aus glauben gehe. Da ich dann gern zugebe/ daß dieſes formale nicht beſtehe (a) in der empfindlichkeit/ dann GOttes unſichtbares weſen fuͤhlender weiſe zu finden/ halte ich mehr fuͤr eine eigenſchafft der aus dem Heydenthum erſt ausgehenden Ap. Geſch. 17/ 27. als in dem wachsthum des glaubens ſte- henden Chriſten. Auch nicht (b) in der plerophoria noch dergleichen con- comitantibus & ſubſequentibus fidei, welche citra fidei interitum eſſe vel abeſſe poſſunt: Aber da ſtehe ich an/ ob nicht derjenige/ der ſeiner meinung gewiß ſeyn will/ daß ſein werck aus dem glauben geſchehe/ nothwendig muͤſſe eine hypoſtaſin und zuverſicht des hertzens bey ſich verſpuͤhren nach Hebr. 11/ 1. Jn ermanglung deſſen aber/ alles euſſerlichen reſpects/ muth- maſſung und meinung anderer ungeachtet/ lieber das werck/ woran ſonderlich vieler menſchen heil und ſeligkeit hanget/ unterlaſſen ſolte/ weil ja ein jeder ſeines

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/394>, abgerufen am 20.04.2024.