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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
in der Abissinischen Kirchen im schwang ist) nachmal aber bey dem ersten
oder so genannten sonntag allein blieben/ der noch heut zu tag im gebrauch ist.
Ob nun wol die Juden nun über 1600 jahr land und tempel verlohren/ daher
auch das wenigste ihres gottesdiensts mehr übrig haben/ sind sie doch allezeit
auff nichts mehr als auff die beschneidung und sabbath bis auff diese stunde
verpicht geblieben/ daß sie den rechten tag nimmer weder vergessen/ noch umge-
setzet haben: welches wir auch daraus versichert wissen/ weil wir Christen von
ihnen in keinem lande nirgend unterschieden sind/ sondern aller orten unsre
wochen-tage mit den ihrigen ohne den geringsten verstoß übereinstimmen/
nur daß wir den ersten/ sie den letzten tag feyren.

Daher ob wol so grosser streit von der anzahl der jahre von anfang der
welt bis hieher unter den gelahrten geführet wird/ der bis daher noch nicht
geendiget werden können: ob schon D. Waßmuth durch seinen calculum sol-
ches unfehlbar gewiß zu machen/ sich unternommen hat; so bleibet doch
unwidersprechlich/ daß die wochentage-ordnung ohne änerung fort ge-
währet/ und daran auch mit dem geringsten schein nicht gezweiffelt werden
möge etc. 1696.

SECTIO X.
Von der verbindlichkeit der sabbaths-feyer.

WAs den Sabbath anlangt/ solists an dem/ daß solche controvers, so
wol von verbindlichkeit des sabbaths in dem N. T. an sich selbs/
als auch der art dessen feyer/ in diesem seculo nicht allein unter den
Reformirten/ sondern auch den unsrigen viel disputiret worden/ also/ daß sich
unsre berühmte Theologi ziemlich zweyen/ wie auch einige offentliche schriff-
ten davon/ vor dem tag ligen. Welche ursach mich beweget/ daß ich lieber
sehe/ daß von sothaner controvers nicht viel offentlich disputiret werde;
als dessen folge ich gesehen/ gemeiniglich gewesen zu seyn/ daß die menschen
sich nur daraus eine ihren seelen und erbauung nachtheilige freyheit zu
nehmen pflegen. Bin hingegen versichert/ wo man die leute nur dahin
bereden könte/ eine zeitlang GOTT zu ehren den sabbath recht heilig-
lich zu zubringen/ daß die eigne erfahrung solche heiligung ihnen auffs herr-
lichste recommendiren/ und den gütigen rath des himmlischen Vaters/ so zu
unsrer eigenen seelen besten solche ruhe uns gegönnet/ dermassen zu erkennen
geben würde/ daß es vieles subtilen disputirens nicht mehr bey denen/ wel-
chen es um das geistliche zu thun ist/ nöthig seyn würde. Jndessen geb ich gern
zu/ daß die obligatio sabbathi nicht seye legis naturalis, wohl aber moralis po-
sitivae,
wie unser D. Dannhauerus zu reden pflegte. Also lasse ich desvorgelegten

Syllo-

Das dritte Capitel.
in der Abiſſiniſchen Kirchen im ſchwang iſt) nachmal aber bey dem erſten
oder ſo genannten ſonntag allein blieben/ der noch heut zu tag im gebrauch iſt.
Ob nun wol die Juden nun uͤber 1600 jahr land und tempel verlohren/ daher
auch das wenigſte ihres gottesdienſts mehr uͤbrig haben/ ſind ſie doch allezeit
auff nichts mehr als auff die beſchneidung und ſabbath bis auff dieſe ſtunde
verpicht geblieben/ daß ſie den rechten tag nimmer weder veꝛgeſſen/ noch umge-
ſetzet haben: welches wir auch daraus verſichert wiſſen/ weil wir Chriſten von
ihnen in keinem lande nirgend unterſchieden ſind/ ſondern aller orten unſre
wochen-tage mit den ihrigen ohne den geringſten verſtoß uͤbereinſtimmen/
nur daß wir den erſten/ ſie den letzten tag feyren.

Daher ob wol ſo groſſer ſtreit von der anzahl der jahre von anfang der
welt bis hieher unter den gelahrten gefuͤhret wird/ der bis daher noch nicht
geendiget werden koͤnnen: ob ſchon D. Waßmuth durch ſeinen calculum ſol-
ches unfehlbar gewiß zu machen/ ſich unternommen hat; ſo bleibet doch
unwiderſprechlich/ daß die wochentage-ordnung ohne aͤnerung fort ge-
waͤhret/ und daran auch mit dem geringſten ſchein nicht gezweiffelt werden
moͤge ꝛc. 1696.

SECTIO X.
Von der verbindlichkeit der ſabbaths-feyer.

WAs den Sabbath anlangt/ ſoliſts an dem/ daß ſolche controvers, ſo
wol von verbindlichkeit des ſabbaths in dem N. T. an ſich ſelbs/
als auch der art deſſen feyer/ in dieſem ſeculo nicht allein unter den
Reformirten/ ſondern auch den unſrigen viel diſputiret worden/ alſo/ daß ſich
unſre beruͤhmte Theologi ziemlich zweyen/ wie auch einige offentliche ſchriff-
ten davon/ vor dem tag ligen. Welche urſach mich beweget/ daß ich lieber
ſehe/ daß von ſothaner controvers nicht viel offentlich diſputiret werde;
als deſſen folge ich geſehen/ gemeiniglich geweſen zu ſeyn/ daß die menſchen
ſich nur daraus eine ihren ſeelen und erbauung nachtheilige freyheit zu
nehmen pflegen. Bin hingegen verſichert/ wo man die leute nur dahin
bereden koͤnte/ eine zeitlang GOTT zu ehren den ſabbath recht heilig-
lich zu zubringen/ daß die eigne erfahrung ſolche heiligung ihnen auffs herr-
lichſte recommendiren/ und den guͤtigen rath des himmliſchen Vaters/ ſo zu
unſrer eigenen ſeelen beſten ſolche ruhe uns gegoͤnnet/ dermaſſen zu erkennen
geben wuͤrde/ daß es vieles ſubtilen diſputirens nicht mehr bey denen/ wel-
chen es um das geiſtliche zu thun iſt/ noͤthig ſeyn wuͤrde. Jndeſſen geb ich gern
zu/ daß die obligatio ſabbathi nicht ſeye legis naturalis, wohl aber moralis po-
ſitivæ,
wie unſer D. Dañhauerus zu reden pflegte. Alſo laſſe ich desvorgelegten

Syllo-
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[36/0044] Das dritte Capitel. in der Abiſſiniſchen Kirchen im ſchwang iſt) nachmal aber bey dem erſten oder ſo genannten ſonntag allein blieben/ der noch heut zu tag im gebrauch iſt. Ob nun wol die Juden nun uͤber 1600 jahr land und tempel verlohren/ daher auch das wenigſte ihres gottesdienſts mehr uͤbrig haben/ ſind ſie doch allezeit auff nichts mehr als auff die beſchneidung und ſabbath bis auff dieſe ſtunde verpicht geblieben/ daß ſie den rechten tag nimmer weder veꝛgeſſen/ noch umge- ſetzet haben: welches wir auch daraus verſichert wiſſen/ weil wir Chriſten von ihnen in keinem lande nirgend unterſchieden ſind/ ſondern aller orten unſre wochen-tage mit den ihrigen ohne den geringſten verſtoß uͤbereinſtimmen/ nur daß wir den erſten/ ſie den letzten tag feyren. Daher ob wol ſo groſſer ſtreit von der anzahl der jahre von anfang der welt bis hieher unter den gelahrten gefuͤhret wird/ der bis daher noch nicht geendiget werden koͤnnen: ob ſchon D. Waßmuth durch ſeinen calculum ſol- ches unfehlbar gewiß zu machen/ ſich unternommen hat; ſo bleibet doch unwiderſprechlich/ daß die wochentage-ordnung ohne aͤnerung fort ge- waͤhret/ und daran auch mit dem geringſten ſchein nicht gezweiffelt werden moͤge ꝛc. 1696. SECTIO X. Von der verbindlichkeit der ſabbaths-feyer. WAs den Sabbath anlangt/ ſoliſts an dem/ daß ſolche controvers, ſo wol von verbindlichkeit des ſabbaths in dem N. T. an ſich ſelbs/ als auch der art deſſen feyer/ in dieſem ſeculo nicht allein unter den Reformirten/ ſondern auch den unſrigen viel diſputiret worden/ alſo/ daß ſich unſre beruͤhmte Theologi ziemlich zweyen/ wie auch einige offentliche ſchriff- ten davon/ vor dem tag ligen. Welche urſach mich beweget/ daß ich lieber ſehe/ daß von ſothaner controvers nicht viel offentlich diſputiret werde; als deſſen folge ich geſehen/ gemeiniglich geweſen zu ſeyn/ daß die menſchen ſich nur daraus eine ihren ſeelen und erbauung nachtheilige freyheit zu nehmen pflegen. Bin hingegen verſichert/ wo man die leute nur dahin bereden koͤnte/ eine zeitlang GOTT zu ehren den ſabbath recht heilig- lich zu zubringen/ daß die eigne erfahrung ſolche heiligung ihnen auffs herr- lichſte recommendiren/ und den guͤtigen rath des himmliſchen Vaters/ ſo zu unſrer eigenen ſeelen beſten ſolche ruhe uns gegoͤnnet/ dermaſſen zu erkennen geben wuͤrde/ daß es vieles ſubtilen diſputirens nicht mehr bey denen/ wel- chen es um das geiſtliche zu thun iſt/ noͤthig ſeyn wuͤrde. Jndeſſen geb ich gern zu/ daß die obligatio ſabbathi nicht ſeye legis naturalis, wohl aber moralis po- ſitivæ, wie unſer D. Dañhauerus zu reden pflegte. Alſo laſſe ich desvorgelegten Syllo-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/44>, abgerufen am 25.04.2024.