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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
ihr seuffzen tringt zu mir herein/ ich hab ihr klag erhöret: Mein heil-
sam wort soll auf dem plan/ getrost und frisch sie greiffen an/ und seyn
das heil der armen.
Amen: Es wird geschehen! etc. 1692.

SECTIO XXIII.
Wie man sich in getrucktem zust and zu ver-
halten?

DEssen geliebtes ist mir zurecht worden/ und hat mich dessen innhalt theils
erfreuet/ theils betrübet; jenes/ wenn ich daraus die demselben und an-
dern christlichen mitbrüdern erzeigte gnade erkant/ dieses/ wo ich erwe-
ge/ wie es auch ihres orts nicht an leuten mangele/ welche/ als viel an ihnen
ist/ das gute lieber hindern oder untertrucken als fördern. Jch preise also
billich den himmlischen Vater mit demüthigstem danck/ der sein wort durch
meinen als seines armen knechtes mund an demselbigen (wie die bekäntnüß
lautet/ da ich von denen übrigen guten freunden gleiches vermuthe) darzu ge-
segnet/ daß ob wol nicht erst das gute in demselben angefangen/ jedoch der fun-
cken/ welchen ich nicht zweiffele lange bey ihm/ aber etwa mit vieler asche der
sicherheit und vertrauen auf das eusserliche zimlich überzogen/ gewesen zu
seyn/ recht angeblasen/ und bey ihm eine hertzliche begierde erwecket/ seiner see-
len zustand fleißiger zu untersuchen/ und sich so wol nach göttlichem wort in
allem zu prüffen/ als selbiges zu der einigen regel seines glaubens und lebens
zu setzen. Welches allein der rechte grund ist/ welcher durch keine anfechtung
kan umgestossen werden. Jch erkenne hiebey meine so unwürdigkeit/ als
auch daß alle krafft/ wo etwas ausgerichtet worden/ nicht meine/ sondern
bloß des himmlischen Vaters und seines Geistes seye: Jedoch dancke ich auch
dessen väterlicher güte/ welche mich/ da mir offt die anfechtung kommet/ ob ich
nicht gar unfruchtbar in meinem amte bleibe/ so dann andere mich zum ketzer
und verwirrer der kirchen machen wollen/ zuweilen durch dergleichen zeug-
nüssen einiger seelen/ daß der HErr meinen geringen dienst an ihnen gesegnet
habe/ getröstet und auffgerichtet werden lässet; auch weiset/ daß sein wort/ ob
es wol ohne prächtige anführung vieler gelehrtheit getrieben wird/ seine
krafft in den jetzigen zeiten des gerichts noch nicht verlohren habe. Ach! er
lasse es auch aller orten mit solchem nachtruck getrieben werden/ daß immer
viele seelen zu der lebendigen erkäntnüß und genuß ihres heils kommen/ und
aus dem gemeinen verderben gerissen werden mögen. Sonderlich in ihrer
lieben stadt/ rüste er/ ob je einige Prediger sich mit fleischlichen affecten einneh-
men liessen/ und dadurch der krafft ihres amts nicht wenig hindernüß selbs
machten/ immer andere mit desto mehr liecht und geist aus/ sein wort nicht in

die

Das dritte Capitel.
ihr ſeuffzen tringt zu mir herein/ ich hab ihr klag erhoͤret: Mein heil-
ſam wort ſoll auf dem plan/ getroſt und friſch ſie greiffen an/ und ſeyn
das heil der armen.
Amen: Es wird geſchehen! ꝛc. 1692.

SECTIO XXIII.
Wie man ſich in getrucktem zuſt and zu ver-
halten?

DEſſen geliebtes iſt mir zurecht worden/ und hat mich deſſen iñhalt theils
erfreuet/ theils betruͤbet; jenes/ wenn ich daraus die demſelben und an-
dern chriſtlichen mitbruͤdern erzeigte gnade erkant/ dieſes/ wo ich erwe-
ge/ wie es auch ihres orts nicht an leuten mangele/ welche/ als viel an ihnen
iſt/ das gute lieber hindern oder untertrucken als foͤrdern. Jch preiſe alſo
billich den himmliſchen Vater mit demuͤthigſtem danck/ der ſein wort durch
meinen als ſeines armen knechtes mund an demſelbigen (wie die bekaͤntnuͤß
lautet/ da ich von denen uͤbrigen guten freunden gleiches vermuthe) darzu ge-
ſegnet/ daß ob wol nicht erſt das gute in demſelben angefangen/ jedoch der fun-
cken/ welchen ich nicht zweiffele lange bey ihm/ aber etwa mit vieler aſche der
ſicherheit und vertrauen auf das euſſerliche zimlich uͤberzogen/ geweſen zu
ſeyn/ recht angeblaſen/ und bey ihm eine hertzliche begierde erwecket/ ſeiner ſee-
len zuſtand fleißiger zu unterſuchen/ und ſich ſo wol nach goͤttlichem wort in
allem zu pruͤffen/ als ſelbiges zu der einigen regel ſeines glaubens und lebens
zu ſetzen. Welches allein der rechte grund iſt/ welcher durch keine anfechtung
kan umgeſtoſſen werden. Jch erkenne hiebey meine ſo unwuͤrdigkeit/ als
auch daß alle krafft/ wo etwas ausgerichtet worden/ nicht meine/ ſondern
bloß des himmliſchen Vaters und ſeines Geiſtes ſeye: Jedoch dancke ich auch
deſſen vaͤterlicher guͤte/ welche mich/ da mir offt die anfechtung kommet/ ob ich
nicht gar unfruchtbar in meinem amte bleibe/ ſo dann andere mich zum ketzer
und verwirrer der kirchen machen wollen/ zuweilen durch dergleichen zeug-
nuͤſſen einiger ſeelen/ daß der HErr meinen geringen dienſt an ihnen geſegnet
habe/ getroͤſtet und auffgerichtet werden laͤſſet; auch weiſet/ daß ſein wort/ ob
es wol ohne praͤchtige anfuͤhrung vieler gelehrtheit getrieben wird/ ſeine
krafft in den jetzigen zeiten des gerichts noch nicht verlohren habe. Ach! er
laſſe es auch aller orten mit ſolchem nachtruck getrieben werden/ daß immer
viele ſeelen zu der lebendigen erkaͤntnuͤß und genuß ihres heils kommen/ und
aus dem gemeinen verderben geriſſen werden moͤgen. Sonderlich in ihrer
lieben ſtadt/ ruͤſte er/ ob je einige Prediger ſich mit fleiſchlichen affecten einneh-
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[468/0476] Das dritte Capitel. ihr ſeuffzen tringt zu mir herein/ ich hab ihr klag erhoͤret: Mein heil- ſam wort ſoll auf dem plan/ getroſt und friſch ſie greiffen an/ und ſeyn das heil der armen. Amen: Es wird geſchehen! ꝛc. 1692. SECTIO XXIII. Wie man ſich in getrucktem zuſt and zu ver- halten? DEſſen geliebtes iſt mir zurecht worden/ und hat mich deſſen iñhalt theils erfreuet/ theils betruͤbet; jenes/ wenn ich daraus die demſelben und an- dern chriſtlichen mitbruͤdern erzeigte gnade erkant/ dieſes/ wo ich erwe- ge/ wie es auch ihres orts nicht an leuten mangele/ welche/ als viel an ihnen iſt/ das gute lieber hindern oder untertrucken als foͤrdern. Jch preiſe alſo billich den himmliſchen Vater mit demuͤthigſtem danck/ der ſein wort durch meinen als ſeines armen knechtes mund an demſelbigen (wie die bekaͤntnuͤß lautet/ da ich von denen uͤbrigen guten freunden gleiches vermuthe) darzu ge- ſegnet/ daß ob wol nicht erſt das gute in demſelben angefangen/ jedoch der fun- cken/ welchen ich nicht zweiffele lange bey ihm/ aber etwa mit vieler aſche der ſicherheit und vertrauen auf das euſſerliche zimlich uͤberzogen/ geweſen zu ſeyn/ recht angeblaſen/ und bey ihm eine hertzliche begierde erwecket/ ſeiner ſee- len zuſtand fleißiger zu unterſuchen/ und ſich ſo wol nach goͤttlichem wort in allem zu pruͤffen/ als ſelbiges zu der einigen regel ſeines glaubens und lebens zu ſetzen. Welches allein der rechte grund iſt/ welcher durch keine anfechtung kan umgeſtoſſen werden. Jch erkenne hiebey meine ſo unwuͤrdigkeit/ als auch daß alle krafft/ wo etwas ausgerichtet worden/ nicht meine/ ſondern bloß des himmliſchen Vaters und ſeines Geiſtes ſeye: Jedoch dancke ich auch deſſen vaͤterlicher guͤte/ welche mich/ da mir offt die anfechtung kommet/ ob ich nicht gar unfruchtbar in meinem amte bleibe/ ſo dann andere mich zum ketzer und verwirrer der kirchen machen wollen/ zuweilen durch dergleichen zeug- nuͤſſen einiger ſeelen/ daß der HErr meinen geringen dienſt an ihnen geſegnet habe/ getroͤſtet und auffgerichtet werden laͤſſet; auch weiſet/ daß ſein wort/ ob es wol ohne praͤchtige anfuͤhrung vieler gelehrtheit getrieben wird/ ſeine krafft in den jetzigen zeiten des gerichts noch nicht verlohren habe. Ach! er laſſe es auch aller orten mit ſolchem nachtruck getrieben werden/ daß immer viele ſeelen zu der lebendigen erkaͤntnuͤß und genuß ihres heils kommen/ und aus dem gemeinen verderben geriſſen werden moͤgen. Sonderlich in ihrer lieben ſtadt/ ruͤſte er/ ob je einige Prediger ſich mit fleiſchlichen affecten einneh- men lieſſen/ und dadurch der krafft ihres amts nicht wenig hindernuͤß ſelbs machten/ immer andere mit deſto mehr liecht und geiſt aus/ ſein wort nicht in die

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/476>, abgerufen am 25.04.2024.