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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
das schmincken darinn/ der haut ein ander ansehen zu machen als sie selbs
hat/ daß man nicht so wol dieselbe selbs als eine auffgestrichene frembde farb
sehe. Wo aber die frage von dergleichen redet/ was gebrauchet wür-
de/ der menschlichen haut natürliche glätte und reinigkeit allein zu
erhalten/ und derselben nicht eine frembde gestalt und glantz zu
geben/ sondern den eigenen zu stärcken/ welches auch durch das täg-
liche waschen und reinigen geschihet/ sehe ich nicht/ wie solches einer seele/ die
in dem übrigen in dem oben erforderten sinne stehet/ und keine unrechte ab-
sicht hat/ sünde werden könne. Gleichwol ist zum beschluß zu mercken/ daß in
allen diesen und gleicher art dingen eine seele/ dero es ein redlicher ernst vor
GOTT ist/ nicht allein auff dasjenige sehe/ was an sich selbs und nach
der schärffe examiniret/ nicht eben verboten zu seyn gezeiget werden kan/
sondern bey allen mitteldingen stets erwege/ was ihro selbs und andern
das vorträglichste/ folglich der ehre GOttes am gemässesten seye. Daher
sie insgemein lieber einige schritte gleichsam zurücke von dem/ was noch er-
laubt werden könte/ bleibet/ als daß sie sich auch nur in die gefahr zu viel zu
thun begäbe: sie meidet gerne bösen schein/ in dem zweifelhafften wehlet sie
lieber das sicherste; wo sie sorgen muß/ daß einige sonsten sich dran stossen/
und aus vertrauen auff solches exempel (sonderlich da sie weiß/ daß um eini-
ges guten willen andere ihre augen viel auff sie gerichtet haben) ihre freyheit
noch weiter ziehen/ und darüber sicher werden möchten/ braucht sie sich lieber
ihrer freyheit am wenigsten; und wo sie auch ihres hertzens tücke wahrnim-
met/ daß dasselbe an seiner schönheit ein sündliches und eiteles wohlgefallen
zu haben/ und sich dero zu überheben beginnet/ unterlässet sie am liebsten/
was an sich nicht unrecht seyende/ ihr doch aus einer dieser ursachen sündlich
werden würde. Daher rufft sie auch GOtt stets hertzlich an/ der ihr seinen
willen nicht allein insgemein/ sondern was er auch über sie und dieses ihr ver-
halten seye/ zu erkennen geben wolle/ und lässet sich alsdenn davon leiten. Wie
auch mit diesem wunsch schliesse/ daß der HErr alle seine kinder durch seine
gnade gewiß mache/ zu erkennen/ wie sie ihm allezeit am besten gefallen/ und
sie in allem anligen durch seinen Geist regiere um unsers JEsu willen. A-
men. 1696.

SECTIO XXVI.
Von den Perruquen, ob derotragen ein mit-
telding.

DJe frage: Ob die perruquen ein freyes mittelding/ und worin-
nen solches zu erkennen?
beantworte ich zwahr mit einem blossen ja/

jedoch

Das dritte Capitel.
das ſchmincken darinn/ der haut ein ander anſehen zu machen als ſie ſelbs
hat/ daß man nicht ſo wol dieſelbe ſelbs als eine auffgeſtrichene frembde farb
ſehe. Wo aber die frage von dergleichen redet/ was gebrauchet wuͤr-
de/ der menſchlichen haut natuͤrliche glaͤtte und reinigkeit allein zu
erhalten/ und derſelben nicht eine frembde geſtalt und glantz zu
geben/ ſondern den eigenen zu ſtaͤrcken/ welches auch durch das taͤg-
liche waſchen und reinigen geſchihet/ ſehe ich nicht/ wie ſolches einer ſeele/ die
in dem uͤbrigen in dem oben erforderten ſinne ſtehet/ und keine unrechte ab-
ſicht hat/ ſuͤnde werden koͤnne. Gleichwol iſt zum beſchluß zu mercken/ daß in
allen dieſen und gleicher art dingen eine ſeele/ dero es ein redlicher ernſt vor
GOTT iſt/ nicht allein auff dasjenige ſehe/ was an ſich ſelbs und nach
der ſchaͤrffe examiniret/ nicht eben verboten zu ſeyn gezeiget werden kan/
ſondern bey allen mitteldingen ſtets erwege/ was ihro ſelbs und andern
das vortraͤglichſte/ folglich der ehre GOttes am gemaͤſſeſten ſeye. Daher
ſie insgemein lieber einige ſchritte gleichſam zuruͤcke von dem/ was noch er-
laubt werden koͤnte/ bleibet/ als daß ſie ſich auch nur in die gefahr zu viel zu
thun begaͤbe: ſie meidet gerne boͤſen ſchein/ in dem zweifelhafften wehlet ſie
lieber das ſicherſte; wo ſie ſorgen muß/ daß einige ſonſten ſich dran ſtoſſen/
und aus vertrauen auff ſolches exempel (ſonderlich da ſie weiß/ daß um eini-
ges guten willen andere ihre augen viel auff ſie gerichtet haben) ihre freyheit
noch weiter ziehen/ und daruͤber ſicher werden moͤchten/ braucht ſie ſich lieber
ihrer freyheit am wenigſten; und wo ſie auch ihres hertzens tuͤcke wahrnim-
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zu haben/ und ſich dero zu uͤberheben beginnet/ unterlaͤſſet ſie am liebſten/
was an ſich nicht unrecht ſeyende/ ihr doch aus einer dieſer urſachen ſuͤndlich
werden wuͤrde. Daher rufft ſie auch GOtt ſtets hertzlich an/ der ihr ſeinen
willen nicht allein insgemein/ ſondern was er auch uͤber ſie und dieſes ihr ver-
halten ſeye/ zu erkennen geben wolle/ und laͤſſet ſich alsdenn davon leiten. Wie
auch mit dieſem wunſch ſchlieſſe/ daß der HErr alle ſeine kinder durch ſeine
gnade gewiß mache/ zu erkennen/ wie ſie ihm allezeit am beſten gefallen/ und
ſie in allem anligen durch ſeinen Geiſt regiere um unſers JEſu willen. A-
men. 1696.

SECTIO XXVI.
Von den Perruquen, ob derotragen ein mit-
telding.

DJe frage: Ob die perruquen ein freyes mittelding/ und worin-
nen ſolches zu erkennen?
beantworte ich zwahr mit einem bloſſen ja/

jedoch
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[476/0484] Das dritte Capitel. das ſchmincken darinn/ der haut ein ander anſehen zu machen als ſie ſelbs hat/ daß man nicht ſo wol dieſelbe ſelbs als eine auffgeſtrichene frembde farb ſehe. Wo aber die frage von dergleichen redet/ was gebrauchet wuͤr- de/ der menſchlichen haut natuͤrliche glaͤtte und reinigkeit allein zu erhalten/ und derſelben nicht eine frembde geſtalt und glantz zu geben/ ſondern den eigenen zu ſtaͤrcken/ welches auch durch das taͤg- liche waſchen und reinigen geſchihet/ ſehe ich nicht/ wie ſolches einer ſeele/ die in dem uͤbrigen in dem oben erforderten ſinne ſtehet/ und keine unrechte ab- ſicht hat/ ſuͤnde werden koͤnne. Gleichwol iſt zum beſchluß zu mercken/ daß in allen dieſen und gleicher art dingen eine ſeele/ dero es ein redlicher ernſt vor GOTT iſt/ nicht allein auff dasjenige ſehe/ was an ſich ſelbs und nach der ſchaͤrffe examiniret/ nicht eben verboten zu ſeyn gezeiget werden kan/ ſondern bey allen mitteldingen ſtets erwege/ was ihro ſelbs und andern das vortraͤglichſte/ folglich der ehre GOttes am gemaͤſſeſten ſeye. Daher ſie insgemein lieber einige ſchritte gleichſam zuruͤcke von dem/ was noch er- laubt werden koͤnte/ bleibet/ als daß ſie ſich auch nur in die gefahr zu viel zu thun begaͤbe: ſie meidet gerne boͤſen ſchein/ in dem zweifelhafften wehlet ſie lieber das ſicherſte; wo ſie ſorgen muß/ daß einige ſonſten ſich dran ſtoſſen/ und aus vertrauen auff ſolches exempel (ſonderlich da ſie weiß/ daß um eini- ges guten willen andere ihre augen viel auff ſie gerichtet haben) ihre freyheit noch weiter ziehen/ und daruͤber ſicher werden moͤchten/ braucht ſie ſich lieber ihrer freyheit am wenigſten; und wo ſie auch ihres hertzens tuͤcke wahrnim- met/ daß daſſelbe an ſeiner ſchoͤnheit ein ſuͤndliches und eiteles wohlgefallen zu haben/ und ſich dero zu uͤberheben beginnet/ unterlaͤſſet ſie am liebſten/ was an ſich nicht unrecht ſeyende/ ihr doch aus einer dieſer urſachen ſuͤndlich werden wuͤrde. Daher rufft ſie auch GOtt ſtets hertzlich an/ der ihr ſeinen willen nicht allein insgemein/ ſondern was er auch uͤber ſie und dieſes ihr ver- halten ſeye/ zu erkennen geben wolle/ und laͤſſet ſich alsdenn davon leiten. Wie auch mit dieſem wunſch ſchlieſſe/ daß der HErr alle ſeine kinder durch ſeine gnade gewiß mache/ zu erkennen/ wie ſie ihm allezeit am beſten gefallen/ und ſie in allem anligen durch ſeinen Geiſt regiere um unſers JEſu willen. A- men. 1696. SECTIO XXVI. Von den Perruquen, ob derotragen ein mit- telding. DJe frage: Ob die perruquen ein freyes mittelding/ und worin- nen ſolches zu erkennen? beantworte ich zwahr mit einem bloſſen ja/ jedoch

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/484>, abgerufen am 19.04.2024.