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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritteCapitel.
haltung der gesundheit dieses mittel erforderte/ daß man zu derselben ohne
bedencken gleich zu schreiten hätte: Wie aber darvon zu urtheilen vielmehr
Medicis zukommt/ bekenne doch meines orts/ daß ich der jugend die perru-
quen
zur gesundheit nicht zuträglich glaube/ sondern daß ihren häuptern viel
beßer seye der freyen lufft/ der man in dem gantzen leben viel exponirt ist/
bald zu gewohnen; dahero auch wol hohe personen die ihrige nicht nur ohne
perruque, sondern gar bloßes haupts in freyer lufft offt stehen lassen/ und
dadurch dero gesundheit nicht zu verderben/ sondern sie zu stärcken/ achten.
Auffs wenigste kan ich mir nimmer einbilden/ daß es sonderlich in jungen
jahren ersprießlich seye/ die haare/ durch welche vieles aus dem kopff evapo-
ri
ren solle/ mit einer perruque gleichsam zu ersticken/ und solche transspirati-
on,
wo nicht gar zu verstopffen/ doch sehr zu hindern. Wäre es aber/ daß
dem söhnlein der gesundheit wegen die perruque nicht nöthig/ würde auch
sonsten keine gnugsame ursach seyn/ die darzu nöthigte/ vielmehr solle die sor-
ge/ daß nicht das gemüthe allzufrühe zur belustigung an der eitelkeit/ und sich
gern sehen zu lassen/ dadurch gereitzet/ oder vielmehr die dazu bey allen natür-
lich befindliche lust gestärcket werde/ die eltern von dergleichen vorhaben ab-
halten: darzu auch nicht wenig dienet/ wo diese offt in der kinder gegenwart
über die beschwehrliche dienstbarkeit dergleichen frembdes haar aus noth zu
tragen sich beklagen/ damit denselben zeitlich ein eckel dran gemacht werde/
um sie auch dermaleins nicht anders als aus noth zu tragen/ dadurch vielem
sündlichen wesen auff das künfftige vorgebeuget werden kan. Dieses ists/
wie ich die gantze sache angesehen/ und solche meine gedancken hiemit auff ver-
langen zu eigner der vornehmen person christlicher prüfung vorstellen wol-
len/ aus denselben alsdenn dasjenige zu wehlen/ oder zu folgen/ wovon sich
das gewissen nach gottseliger überlegung und andächtigem gebet überzeuget
finden wird. Der himmlische Vater mache uns selbs in allen stücken seines
willens gewiß/ und lasse diejenige/ welche denselben zu erkennen begierig
sind/ daran nicht fehlen/ er wolle auch seingutes werck (davon die sorgfalt der
anfrag über diese materie zeugnüß gibet) in der mir unbekanten person fort
setzen/ vermehren und vollenden auff den tag JEsu Christi. 1697.

SECTIO XXVIII.
Von der phrasi, tres creatores. Von ge-
sundheit trincken.

WAs anlanget die Controversiam mit D. Sempronio, ist mir leyd/ daß
geliebter bruder mit darein gewickelt worden/ so vielleicht unterblie-
ben zu seyn besser gewesen wäre. Was das erste anlanget: an dici

pos-

Das dritteCapitel.
haltung der geſundheit dieſes mittel erforderte/ daß man zu derſelben ohne
bedencken gleich zu ſchreiten haͤtte: Wie aber darvon zu urtheilen vielmehr
Medicis zukommt/ bekenne doch meines orts/ daß ich der jugend die perru-
quen
zur geſundheit nicht zutraͤglich glaube/ ſondeꝛn daß ihren haͤupteꝛn viel
beßer ſeye der freyen lufft/ der man in dem gantzen leben viel exponirt iſt/
bald zu gewohnen; dahero auch wol hohe perſonen die ihrige nicht nur ohne
perruque, ſondern gar bloßes haupts in freyer lufft offt ſtehen laſſen/ und
dadurch dero geſundheit nicht zu verderben/ ſondern ſie zu ſtaͤrcken/ achten.
Auffs wenigſte kan ich mir nimmer einbilden/ daß es ſonderlich in jungen
jahren erſprießlich ſeye/ die haare/ durch welche vieles aus dem kopff evapo-
ri
ren ſolle/ mit einer perruque gleichſam zu erſticken/ und ſolche transſpirati-
on,
wo nicht gar zu verſtopffen/ doch ſehr zu hindern. Waͤre es aber/ daß
dem ſoͤhnlein der geſundheit wegen die perruque nicht noͤthig/ wuͤrde auch
ſonſten keine gnugſame urſach ſeyn/ die darzu noͤthigte/ vielmehr ſolle die ſor-
ge/ daß nicht das gemuͤthe allzufruͤhe zur beluſtigung an der eitelkeit/ und ſich
gern ſehen zu laſſen/ dadurch gereitzet/ oder vielmehr die dazu bey allen natuͤr-
lich befindliche luſt geſtaͤrcket werde/ die eltern von dergleichen vorhaben ab-
halten: darzu auch nicht wenig dienet/ wo dieſe offt in der kinder gegenwart
uͤber die beſchwehrliche dienſtbarkeit dergleichen frembdes haar aus noth zu
tragen ſich beklagen/ damit denſelben zeitlich ein eckel dran gemacht werde/
um ſie auch dermaleins nicht anders als aus noth zu tragen/ dadurch vielem
ſuͤndlichen weſen auff das kuͤnfftige vorgebeuget werden kan. Dieſes iſts/
wie ich die gantze ſache angeſehen/ und ſolche meine gedancken hiemit auff ver-
langen zu eigner der vornehmen perſon chriſtlicher pruͤfung vorſtellen wol-
len/ aus denſelben alsdenn dasjenige zu wehlen/ oder zu folgen/ wovon ſich
das gewiſſen nach gottſeliger uͤberlegung und andaͤchtigem gebet uͤberzeuget
finden wird. Der himmliſche Vater mache uns ſelbs in allen ſtuͤcken ſeines
willens gewiß/ und laſſe diejenige/ welche denſelben zu erkennen begierig
ſind/ daran nicht fehlen/ er wolle auch ſeingutes werck (davon die ſorgfalt der
anfrag uͤber dieſe materie zeugnuͤß gibet) in der mir unbekanten perſon fort
ſetzen/ vermehren und vollenden auff den tag JEſu Chriſti. 1697.

SECTIO XXVIII.
Von der phraſi, tres creatores. Von ge-
ſundheit trincken.

WAs anlanget die Controverſiam mit D. Sempronio, iſt mir leyd/ daß
geliebter bruder mit darein gewickelt worden/ ſo vielleicht unterblie-
ben zu ſeyn beſſer geweſen waͤre. Was das erſte anlanget: an dici

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[482/0490] Das dritteCapitel. haltung der geſundheit dieſes mittel erforderte/ daß man zu derſelben ohne bedencken gleich zu ſchreiten haͤtte: Wie aber darvon zu urtheilen vielmehr Medicis zukommt/ bekenne doch meines orts/ daß ich der jugend die perru- quen zur geſundheit nicht zutraͤglich glaube/ ſondeꝛn daß ihren haͤupteꝛn viel beßer ſeye der freyen lufft/ der man in dem gantzen leben viel exponirt iſt/ bald zu gewohnen; dahero auch wol hohe perſonen die ihrige nicht nur ohne perruque, ſondern gar bloßes haupts in freyer lufft offt ſtehen laſſen/ und dadurch dero geſundheit nicht zu verderben/ ſondern ſie zu ſtaͤrcken/ achten. Auffs wenigſte kan ich mir nimmer einbilden/ daß es ſonderlich in jungen jahren erſprießlich ſeye/ die haare/ durch welche vieles aus dem kopff evapo- riren ſolle/ mit einer perruque gleichſam zu erſticken/ und ſolche transſpirati- on, wo nicht gar zu verſtopffen/ doch ſehr zu hindern. Waͤre es aber/ daß dem ſoͤhnlein der geſundheit wegen die perruque nicht noͤthig/ wuͤrde auch ſonſten keine gnugſame urſach ſeyn/ die darzu noͤthigte/ vielmehr ſolle die ſor- ge/ daß nicht das gemuͤthe allzufruͤhe zur beluſtigung an der eitelkeit/ und ſich gern ſehen zu laſſen/ dadurch gereitzet/ oder vielmehr die dazu bey allen natuͤr- lich befindliche luſt geſtaͤrcket werde/ die eltern von dergleichen vorhaben ab- halten: darzu auch nicht wenig dienet/ wo dieſe offt in der kinder gegenwart uͤber die beſchwehrliche dienſtbarkeit dergleichen frembdes haar aus noth zu tragen ſich beklagen/ damit denſelben zeitlich ein eckel dran gemacht werde/ um ſie auch dermaleins nicht anders als aus noth zu tragen/ dadurch vielem ſuͤndlichen weſen auff das kuͤnfftige vorgebeuget werden kan. Dieſes iſts/ wie ich die gantze ſache angeſehen/ und ſolche meine gedancken hiemit auff ver- langen zu eigner der vornehmen perſon chriſtlicher pruͤfung vorſtellen wol- len/ aus denſelben alsdenn dasjenige zu wehlen/ oder zu folgen/ wovon ſich das gewiſſen nach gottſeliger uͤberlegung und andaͤchtigem gebet uͤberzeuget finden wird. Der himmliſche Vater mache uns ſelbs in allen ſtuͤcken ſeines willens gewiß/ und laſſe diejenige/ welche denſelben zu erkennen begierig ſind/ daran nicht fehlen/ er wolle auch ſeingutes werck (davon die ſorgfalt der anfrag uͤber dieſe materie zeugnuͤß gibet) in der mir unbekanten perſon fort ſetzen/ vermehren und vollenden auff den tag JEſu Chriſti. 1697. SECTIO XXVIII. Von der phraſi, tres creatores. Von ge- ſundheit trincken. WAs anlanget die Controverſiam mit D. Sempronio, iſt mir leyd/ daß geliebter bruder mit darein gewickelt worden/ ſo vielleicht unterblie- ben zu ſeyn beſſer geweſen waͤre. Was das erſte anlanget: an dici poſ-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/490>, abgerufen am 29.03.2024.