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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das vierdte Capitel.
bleibe ferner ledig/ oder wo er anders wiederum heyrathen solte/ im übrigen
gantzen leben an sich sehen lassen/ daß er in dieser schul/ darein ihn GOTT
kommen lassen/ ob schon nicht bald/ doch zu letzt gelernet habe/ die affecten
und sich selbst zu zähmen/ und ein gantz ander mensch zu werden. Der ge-
treue GOtt regiere alle hertzen/ und schicke es in aller dieser sache/ also wie
er es zu seinen heiligen ehren/ abwendung alles ärgernüsses von der kirchen/
und beförderung dieser leute/ auch der ihrigen/ zeitlich und ewigen heils
beförderlich zu seyn erkennet.

SECTIO XIX.
Von straff eines ehebruchs mit einer ledigen per-
son begangen.

ES lässet sich vorgelegte frage nicht wol decidiren/ es seyen dann zum
fördristen diese zwo fragen vorher ausgemacht.

1. Ob die straffe der ehebrecher/ so 3. Mos. 20/ 10. 5. Mos. 22/
22. in der jüdischen policey von GOTT angeordnet worden/
uns noch heut zu tage verbinde/ daß nothwendig nach der-
selben geurtheilt werden müsse?

BEy dieser frag meine einfältige meinung/ dabey verständigern nicht
vorzugreiffen gedencke/ vorzulegen/ so gestehe ich gern/ 1. daß ich
solche lebens-straff/ die in dem gesetz Mosis ehebrechern und ehebreche-
rinnen gesetzt/ an sich nicht allzuscharff/ oder der in dem Neuen Testa-
ment von uns erforderenden lindigkeit/ entgegen zu seyn achte/ worin-
nen gern Herrn D. Brochmann Syst. Theol. T. 2. de Lege cap. 13. q. 4.
da er dieses erweiset und die einwürffe beantwortet/ beypflichte. Da-
her 2. eine christliche Obrigkeit wol befugt ist/ solches gesetz auch ihres
orts einzuführen/ wie aus christlicher freyheit auch etwan andere Mo-
saische gesetze anzunehmen erlaubt ist. Aber 3. halte ich nicht davor/ daß
eine christliche Obrigkeit gehalten seye/ nothwendig den ehebruch nach
solchem rigore abzustraffen/ und darinnen von denjenigen straffen/ die
sonsten in weltlichen rechten auf dieses laster gesetzt/ abzugehen. Die
ursach meiner meinung bestehet darinnen/ weil dieses gesetz zu dem lege
forensi
oder weltlichen jüdischen gesetz gehöret/ welches gleichwie es von
GOTT allein dem jüdischen volck gegeben ist/ also auch andere ohne

frey-

Das vierdte Capitel.
bleibe ferner ledig/ oder wo er anders wiederum heyrathen ſolte/ im uͤbrigen
gantzen leben an ſich ſehen laſſen/ daß er in dieſer ſchul/ darein ihn GOTT
kommen laſſen/ ob ſchon nicht bald/ doch zu letzt gelernet habe/ die affecten
und ſich ſelbſt zu zaͤhmen/ und ein gantz ander menſch zu werden. Der ge-
treue GOtt regiere alle hertzen/ und ſchicke es in aller dieſer ſache/ alſo wie
er es zu ſeinen heiligen ehren/ abwendung alles aͤrgernuͤſſes von der kirchen/
und befoͤrderung dieſer leute/ auch der ihrigen/ zeitlich und ewigen heils
befoͤrderlich zu ſeyn erkennet.

SECTIO XIX.
Von ſtraff eines ehebruchs mit einer ledigen per-
ſon begangen.

ES laͤſſet ſich vorgelegte frage nicht wol decidiren/ es ſeyen dann zum
foͤrdriſten dieſe zwo fragen vorher ausgemacht.

1. Ob die ſtraffe der ehebrecher/ ſo 3. Moſ. 20/ 10. 5. Moſ. 22/
22. in der juͤdiſchen policey von GOTT angeordnet worden/
uns noch heut zu tage verbinde/ daß nothwendig nach der-
ſelben geurtheilt werden muͤſſe?

BEy dieſer frag meine einfaͤltige meinung/ dabey verſtaͤndigern nicht
vorzugreiffen gedencke/ vorzulegen/ ſo geſtehe ich gern/ 1. daß ich
ſolche lebens-ſtraff/ die in dem geſetz Moſis ehebrechern und ehebreche-
rinnen geſetzt/ an ſich nicht allzuſcharff/ oder der in dem Neuen Teſta-
ment von uns erforderenden lindigkeit/ entgegen zu ſeyn achte/ worin-
nen gern Herrn D. Brochmann Syſt. Theol. T. 2. de Lege cap. 13. q. 4.
da er dieſes erweiſet und die einwuͤrffe beantwortet/ beypflichte. Da-
her 2. eine chriſtliche Obrigkeit wol befugt iſt/ ſolches geſetz auch ihres
orts einzufuͤhren/ wie aus chriſtlicher freyheit auch etwan andere Mo-
ſaiſche geſetze anzunehmen erlaubt iſt. Aber 3. halte ich nicht davor/ daß
eine chriſtliche Obrigkeit gehalten ſeye/ nothwendig den ehebruch nach
ſolchem rigore abzuſtraffen/ und darinnen von denjenigen ſtraffen/ die
ſonſten in weltlichen rechten auf dieſes laſter geſetzt/ abzugehen. Die
urſach meiner meinung beſtehet darinnen/ weil dieſes geſetz zu dem lege
forenſi
oder weltlichen juͤdiſchen geſetz gehoͤret/ welches gleichwie es von
GOTT allein dem juͤdiſchen volck gegeben iſt/ alſo auch andere ohne

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/636>, abgerufen am 25.04.2024.