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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO II.
jenes feuer der göttlichen liebe gegen uns kan nicht in unsere hertzen in dessen
rechter lebendigen erkäntnüß kommen/ daß nicht auch diese dadurch entzün-
det werden/ also thun wir nicht besser/ als solches durch stätige vorstellung
der kräfftigen würckungen stäts gleichsaman die hertzen zu halten/ biß sie des-
sen krafft fühlen. Welche derselben aus treuem hertzen anwünsche. 1680.

SECTIO II.
Trostschreiben an einen in schwehrer anfechtung
stehenden vornehmen Theologum.

DEsselben in grosser hertzensangst und wehmuth/ darauff es sich selbs
bezoge/ geschriebenes ist mir wohl worden/ und leugne nicht/ daß es un-
terschiedlicherley gemüths-bewegungen erreget: einstheils zwahr
war und ist es mir eine innigliche freude/ eines so theuren Theologi treuer
gewogenheit/ deren versicherung mir durch andere liebe und von dem HEr-
ren in seine ruh bereits versetzte Gottesdiener zu mehrmalen sehr angenehm
gewesen ist/ durch eigenes handschreiben auffs neue vergewissert zu werden/
welche wolthat ich in ihrem geziemlichen werth zu halten weiß: andern theils
aber wolte mich fast niederschlagen/ da ich die beklagte hertzensangst erwoge/
und dabey gedachte/ wo dergleichen am grünen holtz geschehe/ was an dem
dürren werden wolte/ und da der HErr diejenige/ welche er mit grösserem
maaß des Geistes ausgerüstet/ und ihre arbeit kräfftig gesegnet hat/ derglei-
chen schwehren kampff versuchen lasse/ was ich armer schwacher und andere
meines gleichen uns zuvorstehen/ und noch zu erwarten hätten. Daher fast
eine geraume zeit nicht wuste/ was ich antworten solte: so vielmehr weil die
besondere ursach sothaner wehmuth nicht wüste oder verstünde. Jedoch ha-
be mich endlich erkühnet/ in gegenwärtigem mich mit demselben als einem
Vater zu besprechen/ und meine kindliche einfalt vor demselben zu offenbah-
ren. Es kommt mir dabey vor/ wie wir von dem theuren Apostel Paulo/
dem grossen glaubens-helden/ lesen/ daß er sich nicht entblödet/ von sich und
andern seinen reichlichst begabten mitarbeitern zu bekennen/ daß er
schreibe in grosser trübsaal und angst seines hertzens/ ob sie wol nicht
verzagten/
so sey ihnen doch bange/ sie kommen in eine grosse aporian, sie
seyn allenthalben in trübsaal/ auswendig streit und inwendig furcht/
2. Cor. 2/ 4. 4/ 8. 7/ 4. 5.
und was dergleichen mehr in seinen briefen anzuse-
hen ist. Dabey erkenne ich/ daß der HErr/ so gantz weißlich die seine führet/
die hertzliche freudigkeit seiner glaubigen/ die zuweilen fast heldenmäßig sich
erweiset/ und vor der empfindlichkeit der göttlichen theuren gnade die zustos-
sende widerwärtigkeit wenig fühlet/ mehrmal lasse mit einer empfindlichen

angst

ARTIC. II. SECTIO II.
jenes feuer der goͤttlichen liebe gegen uns kan nicht in unſere hertzen in deſſen
rechter lebendigen erkaͤntnuͤß kommen/ daß nicht auch dieſe dadurch entzuͤn-
det werden/ alſo thun wir nicht beſſer/ als ſolches durch ſtaͤtige vorſtellung
der kraͤfftigen wuͤrckungen ſtaͤts gleichſaman die hertzen zu halten/ biß ſie deſ-
ſen krafft fuͤhlen. Welche derſelben aus treuem hertzen anwuͤnſche. 1680.

SECTIO II.
Troſtſchreiben an einen in ſchwehrer anfechtung
ſtehenden vornehmen Theologum.

DEſſelben in groſſer hertzensangſt und wehmuth/ darauff es ſich ſelbs
bezoge/ geſchriebenes iſt mir wohl worden/ und leugne nicht/ daß es un-
terſchiedlicherley gemuͤths-bewegungen erreget: einstheils zwahr
war und iſt es mir eine innigliche freude/ eines ſo theuren Theologi treuer
gewogenheit/ deren verſicherung mir durch andere liebe und von dem HEr-
ren in ſeine ruh bereits verſetzte Gottesdiener zu mehrmalen ſehr angenehm
geweſen iſt/ durch eigenes handſchreiben auffs neue vergewiſſert zu werden/
welche wolthat ich in ihrem geziemlichen werth zu halten weiß: andern theils
aber wolte mich faſt niederſchlagen/ da ich die beklagte hertzensangſt erwoge/
und dabey gedachte/ wo dergleichen am gruͤnen holtz geſchehe/ was an dem
duͤrren werden wolte/ und da der HErr diejenige/ welche er mit groͤſſerem
maaß des Geiſtes ausgeruͤſtet/ und ihre arbeit kraͤfftig geſegnet hat/ derglei-
chen ſchwehren kampff verſuchen laſſe/ was ich armer ſchwacher und andere
meines gleichen uns zuvorſtehen/ und noch zu erwarten haͤtten. Daher faſt
eine geraume zeit nicht wuſte/ was ich antworten ſolte: ſo vielmehr weil die
beſondere urſach ſothaner wehmuth nicht wuͤſte oder verſtuͤnde. Jedoch ha-
be mich endlich erkuͤhnet/ in gegenwaͤrtigem mich mit demſelben als einem
Vater zu beſprechen/ und meine kindliche einfalt vor demſelben zu offenbah-
ren. Es kommt mir dabey vor/ wie wir von dem theuren Apoſtel Paulo/
dem groſſen glaubens-helden/ leſen/ daß er ſich nicht entbloͤdet/ von ſich und
andern ſeinen reichlichſt begabten mitarbeitern zu bekennen/ daß er
ſchreibe in groſſer truͤbſaal und angſt ſeines hertzens/ ob ſie wol nicht
verzagten/
ſo ſey ihnen doch bange/ ſie kommen in eine groſſe ἀπορίαν, ſie
ſeyn allenthalben in truͤbſaal/ auswendig ſtreit und inwendig furcht/
2. Cor. 2/ 4. 4/ 8. 7/ 4. 5.
und was dergleichen mehr in ſeinen briefen anzuſe-
hen iſt. Dabey erkenne ich/ daß der HErr/ ſo gantz weißlich die ſeine fuͤhret/
die hertzliche freudigkeit ſeiner glaubigen/ die zuweilen faſt heldenmaͤßig ſich
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[711/0719] ARTIC. II. SECTIO II. jenes feuer der goͤttlichen liebe gegen uns kan nicht in unſere hertzen in deſſen rechter lebendigen erkaͤntnuͤß kommen/ daß nicht auch dieſe dadurch entzuͤn- det werden/ alſo thun wir nicht beſſer/ als ſolches durch ſtaͤtige vorſtellung der kraͤfftigen wuͤrckungen ſtaͤts gleichſaman die hertzen zu halten/ biß ſie deſ- ſen krafft fuͤhlen. Welche derſelben aus treuem hertzen anwuͤnſche. 1680. SECTIO II. Troſtſchreiben an einen in ſchwehrer anfechtung ſtehenden vornehmen Theologum. DEſſelben in groſſer hertzensangſt und wehmuth/ darauff es ſich ſelbs bezoge/ geſchriebenes iſt mir wohl worden/ und leugne nicht/ daß es un- terſchiedlicherley gemuͤths-bewegungen erreget: einstheils zwahr war und iſt es mir eine innigliche freude/ eines ſo theuren Theologi treuer gewogenheit/ deren verſicherung mir durch andere liebe und von dem HEr- ren in ſeine ruh bereits verſetzte Gottesdiener zu mehrmalen ſehr angenehm geweſen iſt/ durch eigenes handſchreiben auffs neue vergewiſſert zu werden/ welche wolthat ich in ihrem geziemlichen werth zu halten weiß: andern theils aber wolte mich faſt niederſchlagen/ da ich die beklagte hertzensangſt erwoge/ und dabey gedachte/ wo dergleichen am gruͤnen holtz geſchehe/ was an dem duͤrren werden wolte/ und da der HErr diejenige/ welche er mit groͤſſerem maaß des Geiſtes ausgeruͤſtet/ und ihre arbeit kraͤfftig geſegnet hat/ derglei- chen ſchwehren kampff verſuchen laſſe/ was ich armer ſchwacher und andere meines gleichen uns zuvorſtehen/ und noch zu erwarten haͤtten. Daher faſt eine geraume zeit nicht wuſte/ was ich antworten ſolte: ſo vielmehr weil die beſondere urſach ſothaner wehmuth nicht wuͤſte oder verſtuͤnde. Jedoch ha- be mich endlich erkuͤhnet/ in gegenwaͤrtigem mich mit demſelben als einem Vater zu beſprechen/ und meine kindliche einfalt vor demſelben zu offenbah- ren. Es kommt mir dabey vor/ wie wir von dem theuren Apoſtel Paulo/ dem groſſen glaubens-helden/ leſen/ daß er ſich nicht entbloͤdet/ von ſich und andern ſeinen reichlichſt begabten mitarbeitern zu bekennen/ daß er ſchreibe in groſſer truͤbſaal und angſt ſeines hertzens/ ob ſie wol nicht verzagten/ ſo ſey ihnen doch bange/ ſie kommen in eine groſſe ἀπορίαν, ſie ſeyn allenthalben in truͤbſaal/ auswendig ſtreit und inwendig furcht/ 2. Cor. 2/ 4. 4/ 8. 7/ 4. 5. und was dergleichen mehr in ſeinen briefen anzuſe- hen iſt. Dabey erkenne ich/ daß der HErr/ ſo gantz weißlich die ſeine fuͤhret/ die hertzliche freudigkeit ſeiner glaubigen/ die zuweilen faſt heldenmaͤßig ſich erweiſet/ und vor der empfindlichkeit der goͤttlichen theuren gnade die zuſtoſ- ſende widerwaͤrtigkeit wenig fuͤhlet/ mehrmal laſſe mit einer empfindlichen angſt

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 711. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/719>, abgerufen am 23.04.2024.