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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
seuffze er/ und verlange nach dem heil des HERREN/ und wisse daß der
HErr das verlangen der elenden höre/ und sein ohre mercke auff ihr schreyen.
Er hoffe/ die hülffe werde zu rechter zeit und auff die beste art kommen/
entweder den HErren noch in diesem fleisch mit frölichem hertzen und mun-
de wiederum zu loben/ oder doch aus dieser unruhe zu seiner zeit in die seeli-
ge ewigkeit versetzt zu werden. Er glaube/ nicht aber seinen eigen betrüg-
lichen gedancken/ sondern dem pur lautern göttlichen wort/ welches ihm und
allen gnadhungrigen ohnfehlbar die gnade zusagt/ daher auch vor allem
meinem und seinem düncken und fühlen darauff zu beharren würdig ist. Jn
solchem glauben werffe er sich getrost und gleichsam blindlings in die arme
der göttlichen barmhertzigkeit; er wird gewiß nicht übel fallen noch ligen; ich
werde meines theils auch nicht unterlassen/ seiner vor GOtt zu gedencken/
wie auch die anstalt gemacht habe/ daß für ihn hie in öffentlicher gemeinde
unter andern nothleidenden absonderlich (ob wol ohne noch eine person/ Hr.
N N. als seinen alten freund/ niemand weiß/ wer der mann seye.) gebetet
wird. Nun der HErr HErr erfülle alle seine begierde und verlangen/ und
erhöre alle für ihn thuende gebet nach seinem heiligen rath/ wie es zu seines
h eiligen nahmens ehre/ seiner seelen besten/ und anderer erbauung am dien-
samsten seyn mag. Er seye sein trost und heil in zeit und ewigkeit. 1682.

SECTIO VI.
An einen lang angefochtenen/ aber wieder befrey-
ten Prediger/ vom nutzen der anfechtung.

ES ist freylich so/ wie derselbe klaget/ daß die anfechtungen/ sonderlich der
wahrhafftigen oder eingebildeten sünden/ schwehrer und unträglicher
sind/ als niemand/ der nichts davon geschmecket/ gedencken oder glauben
kan: Und will freylich fleisch und blut unmüglich fallen/ den gütigen rath
GOttes in dem ihm so widrigen recht zu erkennen und anzubeten. Aber
wie dem allen/ so bleibets gleichwol dabey/ wie jener Jude zu sagen pflegte:
[fremdsprachliches Material - 9 Zeichen fehlen]. Das ist/ auch dieses muß zum besten dienen. Es
würde ja der so gütigste Vater in dem himmel/ welcher uns hertzlicher/ als
wirs uns selbs einzubilden vermögen/ liebet/ nimmermehr dergleichen seinen
geliebten kindern wiederfahren lassen/ wofern er nicht den nutzen solcher zu-
lassung so groß finden würde/ daß er nicht besser an ihnen verherrlichet werde/
noch ihr heil kräfftiger befördern könte/ als auf diese so widersinnliche art.
Daß eusserliches leiden uns nützlich seye zu mortificirung unsers alten men-
schen/ ist eine sache/ die etlicher massen auch die vernunfft noch begreiffen kan/
weildieselbe etwas darvon erkennet/ wie die grösseste krafft des alten men-

schen

Das fuͤnffte Capitel.
ſeuffze er/ und verlange nach dem heil des HERREN/ und wiſſe daß der
HErr das verlangen der elenden hoͤre/ und ſein ohre mercke auff ihr ſchreyen.
Er hoffe/ die huͤlffe werde zu rechter zeit und auff die beſte art kommen/
entweder den HErren noch in dieſem fleiſch mit froͤlichem hertzen und mun-
de wiederum zu loben/ oder doch aus dieſer unruhe zu ſeiner zeit in die ſeeli-
ge ewigkeit verſetzt zu werden. Er glaube/ nicht aber ſeinen eigen betruͤg-
lichen gedancken/ ſondern dem pur lautern goͤttlichen wort/ welches ihm und
allen gnadhungrigen ohnfehlbar die gnade zuſagt/ daher auch vor allem
meinem und ſeinem duͤncken und fuͤhlen darauff zu beharren wuͤrdig iſt. Jn
ſolchem glauben werffe er ſich getroſt und gleichſam blindlings in die arme
der goͤttlichen barmhertzigkeit; er wird gewiß nicht uͤbel fallen noch ligen; ich
werde meines theils auch nicht unterlaſſen/ ſeiner vor GOtt zu gedencken/
wie auch die anſtalt gemacht habe/ daß fuͤr ihn hie in oͤffentlicher gemeinde
unter andern nothleidenden abſonderlich (ob wol ohne noch eine perſon/ Hr.
N N. als ſeinen alten freund/ niemand weiß/ wer der mann ſeye.) gebetet
wird. Nun der HErr HErr erfuͤlle alle ſeine begierde und verlangen/ und
erhoͤre alle fuͤr ihn thuende gebet nach ſeinem heiligen rath/ wie es zu ſeines
h eiligen nahmens ehre/ ſeiner ſeelen beſten/ und anderer erbauung am dien-
ſamſten ſeyn mag. Er ſeye ſein troſt und heil in zeit und ewigkeit. 1682.

SECTIO VI.
An einen lang angefochtenen/ aber wieder befrey-
ten Prediger/ vom nutzen der anfechtung.

ES iſt freylich ſo/ wie derſelbe klaget/ daß die anfechtungen/ ſonderlich der
wahrhafftigen oder eingebildeten ſuͤnden/ ſchwehrer und untraͤglicher
ſind/ als niemand/ der nichts davon geſchmecket/ gedencken oder glauben
kan: Und will freylich fleiſch und blut unmuͤglich fallen/ den guͤtigen rath
GOttes in dem ihm ſo widrigen recht zu erkennen und anzubeten. Aber
wie dem allen/ ſo bleibets gleichwol dabey/ wie jener Jude zu ſagen pflegte:
[fremdsprachliches Material – 9 Zeichen fehlen]. Das iſt/ auch dieſes muß zum beſten dienen. Es
wuͤrde ja der ſo guͤtigſte Vater in dem himmel/ welcher uns hertzlicher/ als
wirs uns ſelbs einzubilden vermoͤgen/ liebet/ nimmermehr dergleichen ſeinen
geliebten kindern wiederfahren laſſen/ wofern er nicht den nutzen ſolcher zu-
laſſung ſo groß finden wuͤrde/ daß er nicht beſſer an ihnen verherrlichet werde/
noch ihr heil kraͤfftiger befoͤrdern koͤnte/ als auf dieſe ſo widerſinnliche art.
Daß euſſerliches leiden uns nuͤtzlich ſeye zu mortificirung unſers alten men-
ſchen/ iſt eine ſache/ die etlicher maſſen auch die vernunfft noch begreiffen kan/
weildieſelbe etwas darvon erkennet/ wie die groͤſſeſte krafft des alten men-

ſchen
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[742/0750] Das fuͤnffte Capitel. ſeuffze er/ und verlange nach dem heil des HERREN/ und wiſſe daß der HErr das verlangen der elenden hoͤre/ und ſein ohre mercke auff ihr ſchreyen. Er hoffe/ die huͤlffe werde zu rechter zeit und auff die beſte art kommen/ entweder den HErren noch in dieſem fleiſch mit froͤlichem hertzen und mun- de wiederum zu loben/ oder doch aus dieſer unruhe zu ſeiner zeit in die ſeeli- ge ewigkeit verſetzt zu werden. Er glaube/ nicht aber ſeinen eigen betruͤg- lichen gedancken/ ſondern dem pur lautern goͤttlichen wort/ welches ihm und allen gnadhungrigen ohnfehlbar die gnade zuſagt/ daher auch vor allem meinem und ſeinem duͤncken und fuͤhlen darauff zu beharren wuͤrdig iſt. Jn ſolchem glauben werffe er ſich getroſt und gleichſam blindlings in die arme der goͤttlichen barmhertzigkeit; er wird gewiß nicht uͤbel fallen noch ligen; ich werde meines theils auch nicht unterlaſſen/ ſeiner vor GOtt zu gedencken/ wie auch die anſtalt gemacht habe/ daß fuͤr ihn hie in oͤffentlicher gemeinde unter andern nothleidenden abſonderlich (ob wol ohne noch eine perſon/ Hr. N N. als ſeinen alten freund/ niemand weiß/ wer der mann ſeye.) gebetet wird. Nun der HErr HErr erfuͤlle alle ſeine begierde und verlangen/ und erhoͤre alle fuͤr ihn thuende gebet nach ſeinem heiligen rath/ wie es zu ſeines h eiligen nahmens ehre/ ſeiner ſeelen beſten/ und anderer erbauung am dien- ſamſten ſeyn mag. Er ſeye ſein troſt und heil in zeit und ewigkeit. 1682. SECTIO VI. An einen lang angefochtenen/ aber wieder befrey- ten Prediger/ vom nutzen der anfechtung. ES iſt freylich ſo/ wie derſelbe klaget/ daß die anfechtungen/ ſonderlich der wahrhafftigen oder eingebildeten ſuͤnden/ ſchwehrer und untraͤglicher ſind/ als niemand/ der nichts davon geſchmecket/ gedencken oder glauben kan: Und will freylich fleiſch und blut unmuͤglich fallen/ den guͤtigen rath GOttes in dem ihm ſo widrigen recht zu erkennen und anzubeten. Aber wie dem allen/ ſo bleibets gleichwol dabey/ wie jener Jude zu ſagen pflegte: _________. Das iſt/ auch dieſes muß zum beſten dienen. Es wuͤrde ja der ſo guͤtigſte Vater in dem himmel/ welcher uns hertzlicher/ als wirs uns ſelbs einzubilden vermoͤgen/ liebet/ nimmermehr dergleichen ſeinen geliebten kindern wiederfahren laſſen/ wofern er nicht den nutzen ſolcher zu- laſſung ſo groß finden wuͤrde/ daß er nicht beſſer an ihnen verherrlichet werde/ noch ihr heil kraͤfftiger befoͤrdern koͤnte/ als auf dieſe ſo widerſinnliche art. Daß euſſerliches leiden uns nuͤtzlich ſeye zu mortificirung unſers alten men- ſchen/ iſt eine ſache/ die etlicher maſſen auch die vernunfft noch begreiffen kan/ weildieſelbe etwas darvon erkennet/ wie die groͤſſeſte krafft des alten men- ſchen

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 742. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/750>, abgerufen am 18.04.2024.