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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO XXXIII.
fe noch schließlich den himmlischen Vater an/ er wolle solche ihre klage/ ihr ei-
nen stäten antrieb werden lassen/ in seiner krafft stäts zu wachsen/ worinnen
sie sich schwach findet/ und ihre trägheit selbs auffzumuntern/ er lasse aber
auch die demuth immer zunehmen/ so vielmehr als übriges alles wächset/
und also je grösser sie in des HErrn und der glaubigen augen werden möchte/
je kleiner in den ihrigen zu seyn; insgemein aber nichts von sich zu wissen/ als
daß sie ein durch JEsu blut erkaufftes und durch seinen Geist gesalbtes kind
GOttes seye/ das der Vater aus gnaden liebe/ das blut des Sohnes immer
mehr reinigen/ und der Geist an dessen heiligung arbeiten wolle/ sich also dem
zu überlassen/ der es alles vollend ausmache/ und sie in den genuß des ewigen
erbes endlich setze. 1692.

SECTIO XXXIII.
Von einem angefochtenen knaben/ auch offte-
rer communion.

WAs den schwehrmüthigen und angefochtenen knaben anlanget/ schei-
net wol das meiste ein natürlicher affect zu seyn/ der entweder allezeit
oder meistens die phantasie verunruhiget/ doch mag sich der böse
geist/ wie er keine gelegenheit uns zu schaden versäumet/ etwas zu weilen mit
einmischen. Am aller meisten wundert mich/ und habe dergleichen sonst we-
niger wahrgenommen/ daß er zu der arbeit nicht gebracht werden kan. Den
zustand nun an sich selbsten/ halte ich davor/ müsse man verständigen leibli-
chen Medicis (ob zwahr vielleicht nicht alle unter denselben dergleichen unge-
meine kranckheiten verstehen) überlassen: von geistlichen mitteln aber/ um so
wol der gelegenheit zur besserung des menschen sich recht zu gebrauchen/ als
auch dem satan zu wehren/ daß derselbe sich nicht dieses zustandes zu gefahr
der seelen mißbrauche/ weiß ich keine andere als das göttliche wort und gebet:
jenes daß der knabe/ so fern anders von ihm keine verunruhigung in der ver-
sammlung zu sorgen ist/ so wol fleißig zu dem gottesdienst und der predigt ge-
bracht/ als auch zu hauß fleißig unterrichtet/ und sonderlich ihm die erkänt-
nüß der gnaden-schätze der heiligen tauff zu begründung des glaubens und
trostes aus GOttes wort beyzubringen getrachtet werde: indem wo er son-
derlich der kindschafft des himmlischen Vaters und der daraus habender rech-
te in seiner seele überzeuget würde/ die schwehrmuth hinfallen oder doch sehr
gemindert werden müste: dieses aber/ das gedet anlangende/ achte ich es vor
würdig/ daß öffentlich in der gemeinde diese noth dem HErrn vorgetragen
werde: so dann wird dienlich seyn/ daß man ihn nicht allein fleißig zum gebet/
wiewol ohn eigenlichen zwang/ anweise und vermahne/ sondern so wol die el-
tern als andre gute freunde/ wo sie zu ihm kommen/ mit ihm beten: sonderlich

aber

ARTIC. II. SECTIO XXXIII.
fe noch ſchließlich den himmliſchen Vater an/ er wolle ſolche ihre klage/ ihr ei-
nen ſtaͤten antrieb werden laſſen/ in ſeiner krafft ſtaͤts zu wachſen/ worinnen
ſie ſich ſchwach findet/ und ihre traͤgheit ſelbs auffzumuntern/ er laſſe aber
auch die demuth immer zunehmen/ ſo vielmehr als uͤbriges alles waͤchſet/
und alſo je groͤſſer ſie in des HErrn und der glaubigen augen werden moͤchte/
je kleiner in den ihrigen zu ſeyn; insgemein aber nichts von ſich zu wiſſen/ als
daß ſie ein durch JEſu blut erkaufftes und durch ſeinen Geiſt geſalbtes kind
GOttes ſeye/ das der Vater aus gnaden liebe/ das blut des Sohnes immer
mehr reinigen/ und der Geiſt an deſſen heiligung arbeiten wolle/ ſich alſo dem
zu uͤberlaſſen/ der es alles vollend ausmache/ und ſie in den genuß des ewigen
erbes endlich ſetze. 1692.

SECTIO XXXIII.
Von einem angefochtenen knaben/ auch offte-
rer communion.

WAs den ſchwehrmuͤthigen und angefochtenen knaben anlanget/ ſchei-
net wol das meiſte ein natuͤrlicher affect zu ſeyn/ der entweder allezeit
oder meiſtens die phantaſie verunruhiget/ doch mag ſich der boͤſe
geiſt/ wie er keine gelegenheit uns zu ſchaden verſaͤumet/ etwas zu weilen mit
einmiſchen. Am aller meiſten wundert mich/ und habe dergleichen ſonſt we-
niger wahrgenommen/ daß er zu der arbeit nicht gebracht werden kan. Den
zuſtand nun an ſich ſelbſten/ halte ich davor/ muͤſſe man verſtaͤndigen leibli-
chen Medicis (ob zwahr vielleicht nicht alle unter denſelben dergleichen unge-
meine kranckheiten verſtehen) uͤberlaſſen: von geiſtlichen mitteln aber/ um ſo
wol der gelegenheit zur beſſerung des menſchen ſich recht zu gebrauchen/ als
auch dem ſatan zu wehren/ daß derſelbe ſich nicht dieſes zuſtandes zu gefahr
der ſeelen mißbrauche/ weiß ich keine andere als das goͤttliche wort und gebet:
jenes daß der knabe/ ſo fern anders von ihm keine verunruhigung in der ver-
ſammlung zu ſorgen iſt/ ſo wol fleißig zu dem gottesdienſt und der predigt ge-
bracht/ als auch zu hauß fleißig unterrichtet/ und ſonderlich ihm die erkaͤnt-
nuͤß der gnaden-ſchaͤtze der heiligen tauff zu begruͤndung des glaubens und
troſtes aus GOttes wort beyzubringen getrachtet werde: indem wo er ſon-
derlich der kindſchafft des himmliſchen Vaters und der daraus habender rech-
te in ſeiner ſeele uͤberzeuget wuͤrde/ die ſchwehrmuth hinfallen oder doch ſehr
gemindert werden muͤſte: dieſes aber/ das gedet anlangende/ achte ich es vor
wuͤrdig/ daß oͤffentlich in der gemeinde dieſe noth dem HErrn vorgetragen
werde: ſo dann wird dienlich ſeyn/ daß man ihn nicht allein fleißig zum gebet/
wiewol ohn eigenlichen zwang/ anweiſe und vermahne/ ſondern ſo wol die el-
tern als andre gute freunde/ wo ſie zu ihm kommen/ mit ihm beten: ſonderlich

aber
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[855/0863] ARTIC. II. SECTIO XXXIII. fe noch ſchließlich den himmliſchen Vater an/ er wolle ſolche ihre klage/ ihr ei- nen ſtaͤten antrieb werden laſſen/ in ſeiner krafft ſtaͤts zu wachſen/ worinnen ſie ſich ſchwach findet/ und ihre traͤgheit ſelbs auffzumuntern/ er laſſe aber auch die demuth immer zunehmen/ ſo vielmehr als uͤbriges alles waͤchſet/ und alſo je groͤſſer ſie in des HErrn und der glaubigen augen werden moͤchte/ je kleiner in den ihrigen zu ſeyn; insgemein aber nichts von ſich zu wiſſen/ als daß ſie ein durch JEſu blut erkaufftes und durch ſeinen Geiſt geſalbtes kind GOttes ſeye/ das der Vater aus gnaden liebe/ das blut des Sohnes immer mehr reinigen/ und der Geiſt an deſſen heiligung arbeiten wolle/ ſich alſo dem zu uͤberlaſſen/ der es alles vollend ausmache/ und ſie in den genuß des ewigen erbes endlich ſetze. 1692. SECTIO XXXIII. Von einem angefochtenen knaben/ auch offte- rer communion. WAs den ſchwehrmuͤthigen und angefochtenen knaben anlanget/ ſchei- net wol das meiſte ein natuͤrlicher affect zu ſeyn/ der entweder allezeit oder meiſtens die phantaſie verunruhiget/ doch mag ſich der boͤſe geiſt/ wie er keine gelegenheit uns zu ſchaden verſaͤumet/ etwas zu weilen mit einmiſchen. Am aller meiſten wundert mich/ und habe dergleichen ſonſt we- niger wahrgenommen/ daß er zu der arbeit nicht gebracht werden kan. Den zuſtand nun an ſich ſelbſten/ halte ich davor/ muͤſſe man verſtaͤndigen leibli- chen Medicis (ob zwahr vielleicht nicht alle unter denſelben dergleichen unge- meine kranckheiten verſtehen) uͤberlaſſen: von geiſtlichen mitteln aber/ um ſo wol der gelegenheit zur beſſerung des menſchen ſich recht zu gebrauchen/ als auch dem ſatan zu wehren/ daß derſelbe ſich nicht dieſes zuſtandes zu gefahr der ſeelen mißbrauche/ weiß ich keine andere als das goͤttliche wort und gebet: jenes daß der knabe/ ſo fern anders von ihm keine verunruhigung in der ver- ſammlung zu ſorgen iſt/ ſo wol fleißig zu dem gottesdienſt und der predigt ge- bracht/ als auch zu hauß fleißig unterrichtet/ und ſonderlich ihm die erkaͤnt- nuͤß der gnaden-ſchaͤtze der heiligen tauff zu begruͤndung des glaubens und troſtes aus GOttes wort beyzubringen getrachtet werde: indem wo er ſon- derlich der kindſchafft des himmliſchen Vaters und der daraus habender rech- te in ſeiner ſeele uͤberzeuget wuͤrde/ die ſchwehrmuth hinfallen oder doch ſehr gemindert werden muͤſte: dieſes aber/ das gedet anlangende/ achte ich es vor wuͤrdig/ daß oͤffentlich in der gemeinde dieſe noth dem HErrn vorgetragen werde: ſo dann wird dienlich ſeyn/ daß man ihn nicht allein fleißig zum gebet/ wiewol ohn eigenlichen zwang/ anweiſe und vermahne/ ſondern ſo wol die el- tern als andre gute freunde/ wo ſie zu ihm kommen/ mit ihm beten: ſonderlich aber

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 855. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/863>, abgerufen am 28.03.2024.