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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
wa zu andern malen mit vieler arbeit/ als man sie zu thun vermochte/ gelei-
stet worden war. Sehen wir aber uns selbsten an/ so ist kaum einiger zustand
tüchtiger an unsrer seelen ungehindert zu arbeiten/ darzu sonsten bey der ver-
richtung vieler geschäfften man so offt kaum zeit und kräfften/ die an anders
gewendet werden müssen/ findet. Also daß man auch wahrhafftig darinnen
Gottes heilige liebe gegen uns abzunehmen/ und wann man sie erkant/ danck-
barlich zu preisen hat/ wenn er uns einen theil unsers lebens/ nachdem wir
das übrige fast allein an andern anwenden müssen/ uns lediglich zu unsrer
eignen seelen sorge/ und mit ihm selbs mehr umzugehen/ überlässet. Hat nun
dorten Carolus V. um eine zeit zu haben/ da er auch ihm selbs in gesundem
verstand lebte/ sich seiner reiche entschlagen; Geschihet es auch jetzt zuweilen
von einigen (dero thun zwahr nicht vermessentlich beurtheilen will/ aber gött-
lichen willen darinnen auch nicht sehen kan/ noch auff mich die verantwor-
tung zu nehmen getraute) die bey noch gesunden tagen sich aller geschäfften
und ämter entschlagen/ in einer stille GOtt an ihren seelen arbeiten zu lassen:
so solle uns so viel leichter ankommen/ in demjenigen stand/ darinn uns GOtt
selbs setzet/ und wir daher an dem beruff darzu keinen zweifel haben können/
ihm willig auszuhalten/ nach welchem andere gestrebet/ und darein zu kom-
men mit einer gewalt sich loßzureissen würdig geachtet haben. Jchzweifle
aber nicht/ derselbe werde seither selbs alles dieses vor GOtt hertzlich überle-
get/ darinnen trost gefunden/ und sich desto williger in die hand des HErrn/
darinnen uns nicht anders als wohl seyn kan/ gegeben haben. Der liebste
Vater/ der zwahr auch dem eusserlichen menschen noch so viel kräffte als sei-
ne ehre mit sich bringet/ beschehren wolle/ lasse sonderlich alle bißherige jenes
verwesung mit so viel kräftigerm wachsthum des innerlichen ersetzet werden/
und schicke es also/ daß auch um diese gütige führung wir ihm von grund der
seelen dancken in zeit und ewigkeit: so er auch gewiß thun wird. etc. 1698.

SECTIO XXXV.
Trost an eine christliche frau/ die neben leibes-
schwachheit durch vielerley sorgen niedergeschlagen
wurde.

OB ich wol daran nicht zweiffele/ daß dieselbe mit ihrem GOTT hertz-
lich zu frieden/ an denjenigen gütern/ mit welchen der liebste Vater ihre
seele begnadet/ sich vornemlich vergnüget/ aber darvon auch manche
hertzliche freude des Geistes bey sich fühlen wird/ kan doch auch leicht erach-
ten/ daß so wol die leibes-schwachheit/ damit dem liebsten Vater nechst an-
dern proben ihre gedult offt zu prüffen beliebet hat/ als auch dasjenige/ was

man

Das fuͤnffte Capitel.
wa zu andern malen mit vieler arbeit/ als man ſie zu thun vermochte/ gelei-
ſtet worden war. Sehen wir aber uns ſelbſten an/ ſo iſt kaum einiger zuſtand
tuͤchtiger an unſrer ſeelen ungehindert zu arbeiten/ darzu ſonſten bey der ver-
richtung vieler geſchaͤfften man ſo offt kaum zeit und kraͤfften/ die an anders
gewendet werden muͤſſen/ findet. Alſo daß man auch wahrhafftig darinnen
Gottes heilige liebe gegen uns abzunehmen/ und wann man ſie erkant/ danck-
barlich zu preiſen hat/ wenn er uns einen theil unſers lebens/ nachdem wir
das uͤbrige faſt allein an andern anwenden muͤſſen/ uns lediglich zu unſrer
eignen ſeelen ſorge/ und mit ihm ſelbs mehr umzugehen/ uͤberlaͤſſet. Hat nun
dorten Carolus V. um eine zeit zu haben/ da er auch ihm ſelbs in geſundem
verſtand lebte/ ſich ſeiner reiche entſchlagen; Geſchihet es auch jetzt zuweilen
von einigen (dero thun zwahr nicht vermeſſentlich beurtheilen will/ aber goͤtt-
lichen willen darinnen auch nicht ſehen kan/ noch auff mich die verantwor-
tung zu nehmen getraute) die bey noch geſunden tagen ſich aller geſchaͤfften
und aͤmter entſchlagen/ in einer ſtille GOtt an ihren ſeelen arbeiten zu laſſen:
ſo ſolle uns ſo viel leichter ankommen/ in demjenigen ſtand/ darinn uns GOtt
ſelbs ſetzet/ und wir daher an dem beruff darzu keinen zweifel haben koͤnnen/
ihm willig auszuhalten/ nach welchem andere geſtrebet/ und darein zu kom-
men mit einer gewalt ſich loßzureiſſen wuͤrdig geachtet haben. Jchzweifle
aber nicht/ derſelbe werde ſeither ſelbs alles dieſes vor GOtt hertzlich uͤberle-
get/ darinnen troſt gefunden/ und ſich deſto williger in die hand des HErrn/
darinnen uns nicht anders als wohl ſeyn kan/ gegeben haben. Der liebſte
Vater/ der zwahr auch dem euſſerlichen menſchen noch ſo viel kraͤffte als ſei-
ne ehre mit ſich bringet/ beſchehren wolle/ laſſe ſonderlich alle bißherige jenes
verweſung mit ſo viel kraͤftigerm wachsthum des innerlichen erſetzet werden/
und ſchicke es alſo/ daß auch um dieſe guͤtige fuͤhrung wir ihm von grund der
ſeelen dancken in zeit und ewigkeit: ſo er auch gewiß thun wird. ꝛc. 1698.

SECTIO XXXV.
Troſt an eine chriſtliche frau/ die neben leibes-
ſchwachheit durch vielerley ſorgen niedergeſchlagen
wurde.

OB ich wol daran nicht zweiffele/ daß dieſelbe mit ihrem GOTT hertz-
lich zu frieden/ an denjenigen guͤtern/ mit welchen der liebſte Vater ihre
ſeele begnadet/ ſich vornemlich vergnuͤget/ aber darvon auch manche
hertzliche freude des Geiſtes bey ſich fuͤhlen wird/ kan doch auch leicht erach-
ten/ daß ſo wol die leibes-ſchwachheit/ damit dem liebſten Vater nechſt an-
dern proben ihre gedult offt zu pruͤffen beliebet hat/ als auch dasjenige/ was

man
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[860/0868] Das fuͤnffte Capitel. wa zu andern malen mit vieler arbeit/ als man ſie zu thun vermochte/ gelei- ſtet worden war. Sehen wir aber uns ſelbſten an/ ſo iſt kaum einiger zuſtand tuͤchtiger an unſrer ſeelen ungehindert zu arbeiten/ darzu ſonſten bey der ver- richtung vieler geſchaͤfften man ſo offt kaum zeit und kraͤfften/ die an anders gewendet werden muͤſſen/ findet. Alſo daß man auch wahrhafftig darinnen Gottes heilige liebe gegen uns abzunehmen/ und wann man ſie erkant/ danck- barlich zu preiſen hat/ wenn er uns einen theil unſers lebens/ nachdem wir das uͤbrige faſt allein an andern anwenden muͤſſen/ uns lediglich zu unſrer eignen ſeelen ſorge/ und mit ihm ſelbs mehr umzugehen/ uͤberlaͤſſet. Hat nun dorten Carolus V. um eine zeit zu haben/ da er auch ihm ſelbs in geſundem verſtand lebte/ ſich ſeiner reiche entſchlagen; Geſchihet es auch jetzt zuweilen von einigen (dero thun zwahr nicht vermeſſentlich beurtheilen will/ aber goͤtt- lichen willen darinnen auch nicht ſehen kan/ noch auff mich die verantwor- tung zu nehmen getraute) die bey noch geſunden tagen ſich aller geſchaͤfften und aͤmter entſchlagen/ in einer ſtille GOtt an ihren ſeelen arbeiten zu laſſen: ſo ſolle uns ſo viel leichter ankommen/ in demjenigen ſtand/ darinn uns GOtt ſelbs ſetzet/ und wir daher an dem beruff darzu keinen zweifel haben koͤnnen/ ihm willig auszuhalten/ nach welchem andere geſtrebet/ und darein zu kom- men mit einer gewalt ſich loßzureiſſen wuͤrdig geachtet haben. Jchzweifle aber nicht/ derſelbe werde ſeither ſelbs alles dieſes vor GOtt hertzlich uͤberle- get/ darinnen troſt gefunden/ und ſich deſto williger in die hand des HErrn/ darinnen uns nicht anders als wohl ſeyn kan/ gegeben haben. Der liebſte Vater/ der zwahr auch dem euſſerlichen menſchen noch ſo viel kraͤffte als ſei- ne ehre mit ſich bringet/ beſchehren wolle/ laſſe ſonderlich alle bißherige jenes verweſung mit ſo viel kraͤftigerm wachsthum des innerlichen erſetzet werden/ und ſchicke es alſo/ daß auch um dieſe guͤtige fuͤhrung wir ihm von grund der ſeelen dancken in zeit und ewigkeit: ſo er auch gewiß thun wird. ꝛc. 1698. SECTIO XXXV. Troſt an eine chriſtliche frau/ die neben leibes- ſchwachheit durch vielerley ſorgen niedergeſchlagen wurde. OB ich wol daran nicht zweiffele/ daß dieſelbe mit ihrem GOTT hertz- lich zu frieden/ an denjenigen guͤtern/ mit welchen der liebſte Vater ihre ſeele begnadet/ ſich vornemlich vergnuͤget/ aber darvon auch manche hertzliche freude des Geiſtes bey ſich fuͤhlen wird/ kan doch auch leicht erach- ten/ daß ſo wol die leibes-ſchwachheit/ damit dem liebſten Vater nechſt an- dern proben ihre gedult offt zu pruͤffen beliebet hat/ als auch dasjenige/ was man

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/868>, abgerufen am 23.04.2024.