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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
aber finde ich eine andre bitte/ wo ich das leibliche brod mit begreiffen könte.
Jndessen lasse ich den andern ihre gedancken/ nur daß gleichwol auch des irr-
dischen/ dessen wir von GOtt bedürffen/ nicht allezeit vergessen/ und GOtt/
die ihm daraus gehörige ehre nicht entzogen werde. Was auch den schluß
des Vater unsers anlanget/ so bey Luca nicht zu finden/ so ist zu mercken/ daß
Christus das Vater unser zu zweyen malen vorgesprochen/ in der berg-
predigt Matth. 6. und nachmal allein seinen jüngern Luc. 11. da er das
letzte mal den vorigen schluß nicht wiederholet: indem er nicht ein eigenlich
stück des gebets/ als gebets ist/ sondern ein lob-spruch zu stärckung des glau-
bens/ der deßwegen nach dem Luca zu weilen ohne sünde ausgelassen wer-
den könte/ aber billich ordenlich nach dem Mattheo darzu gesetzt werden
solte/ mit solchem lob- und danck-spruch GOtt die ursache der erhörung vor-
zustellen/ unser vertrauen mit demselben zu stärcken/ und ihm gleich voran für
seine güte zu dancken. 3. Das exempel Anania und Sapphira Apost.
Gesch. 5.
belangend/ finde ich nicht/ daß uns die gewißheit dero seligkeit oder
verdamnüß nöthig seye. Diese letztere ist zwahr vielmehr zu sorgen/ indem
die wort/ welche Petrus von dem/ daß satanas sein/ des Ananiä/ hertz erfüllet
habe/ gebrauchet/ die eigenliche bosheit in dessen hertzen ziemlich scheinen an-
zudeuten. Jndessen wo N. N. nicht eigenlich darauff beharren wollen/ mag
ihn vielleicht dazu bewogen haben/ daß er Ananiam angesehen/ als einen
sonsten warhafftig glaubig gewesten; (wie dann zu solcher zeit/ da das Chri-
stenthum so bald lauter verfolgung und gefahr vor sich hatte/ nicht leicht
leute aus blosser heucheley dazu getreten seyn mögen) da nun der wahre
glaube sonsten bey ihm gewesen/ möchten einige diesen betrug/ da er sich auff
das künfftige einen noth-pfennig zurück behalten wollen/ und die schwehre der
sünden nicht so erkannte/ noch etlicher massen für eine schwachheit/ und daß
dieser tod zu dem verderben des fleisches (daß aber der geist am tag des
HErrn JEsu noch selig würde/ nach der redens-art Pauli 1. Cor. 5/ 5.)
gemeint gewesen/ halten. Aber wie gedacht/ die verdammnüß der armen
leute mag wol mehrerngrund in dem text haben. Der HERR lasse auffs
wenigste das jenige gericht/ das an denen personen offentlich verübet wor-
den/ noch jetzund jederem zu einer heiligen furcht dienen. 1690.

SECTIO XIX.
Von der obern gewalt über besondere zusammen-
kunfften zur erbauung/ in dero umständen.
Ob zur andacht und erbauung anstellende zusammenkünfften/ da
sich wegen zeit oder anderer umstände/ einiger verdacht dazu

schlä-

Das dritte Capitel.
aber finde ich eine andre bitte/ wo ich das leibliche brod mit begreiffen koͤnte.
Jndeſſen laſſe ich den andern ihre gedancken/ nur daß gleichwol auch des irr-
diſchen/ deſſen wir von GOtt beduͤrffen/ nicht allezeit vergeſſen/ und GOtt/
die ihm daraus gehoͤrige ehre nicht entzogen werde. Was auch den ſchluß
des Vater unſers anlanget/ ſo bey Luca nicht zu finden/ ſo iſt zu mercken/ daß
Chriſtus das Vater unſer zu zweyen malen vorgeſprochen/ in der berg-
predigt Matth. 6. und nachmal allein ſeinen juͤngern Luc. 11. da er das
letzte mal den vorigen ſchluß nicht wiederholet: indem er nicht ein eigenlich
ſtuͤck des gebets/ als gebets iſt/ ſondern ein lob-ſpruch zu ſtaͤrckung des glau-
bens/ der deßwegen nach dem Luca zu weilen ohne ſuͤnde ausgelaſſen wer-
den koͤnte/ aber billich ordenlich nach dem Mattheo darzu geſetzt werden
ſolte/ mit ſolchem lob- und danck-ſpruch GOtt die urſache der erhoͤrung vor-
zuſtellen/ unſer vertrauen mit demſelben zu ſtaͤrcken/ und ihm gleich voran fuͤr
ſeine guͤte zu dancken. 3. Das exempel Anania und Sapphira Apoſt.
Geſch. 5.
belangend/ finde ich nicht/ daß uns die gewißheit dero ſeligkeit oder
verdamnuͤß noͤthig ſeye. Dieſe letztere iſt zwahr vielmehr zu ſorgen/ indem
die wort/ welche Petrus von dem/ daß ſatanas ſein/ des Ananiaͤ/ hertz erfuͤllet
habe/ gebrauchet/ die eigenliche bosheit in deſſen hertzen ziemlich ſcheinen an-
zudeuten. Jndeſſen wo N. N. nicht eigenlich darauff beharren wollen/ mag
ihn vielleicht dazu bewogen haben/ daß er Ananiam angeſehen/ als einen
ſonſten warhafftig glaubig geweſten; (wie dann zu ſolcher zeit/ da das Chri-
ſtenthum ſo bald lauter verfolgung und gefahr vor ſich hatte/ nicht leicht
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glaube ſonſten bey ihm geweſen/ moͤchten einige dieſen betrug/ da er ſich auff
das kuͤnfftige einen noth-pfennig zuruͤck behalten wollen/ uñ die ſchwehre der
ſuͤnden nicht ſo erkannte/ noch etlicher maſſen fuͤr eine ſchwachheit/ und daß
dieſer tod zu dem verderben des fleiſches (daß aber der geiſt am tag des
HErrn JEſu noch ſelig wuͤrde/ nach der redens-art Pauli 1. Cor. 5/ 5.)
gemeint geweſen/ halten. Aber wie gedacht/ die verdammnuͤß der armen
leute mag wol mehrerngrund in dem text haben. Der HERR laſſe auffs
wenigſte das jenige gericht/ das an denen perſonen offentlich veruͤbet wor-
den/ noch jetzund jederem zu einer heiligen furcht dienen. 1690.

SECTIO XIX.
Von der obern gewalt uͤber beſondere zuſammen-
kunfften zur erbauung/ in dero umſtaͤnden.
Ob zur andacht und erbauung anſtellende zuſammenkuͤnfften/ da
ſich wegen zeit oder anderer umſtaͤnde/ einiger verdacht dazu

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[80/0088] Das dritte Capitel. aber finde ich eine andre bitte/ wo ich das leibliche brod mit begreiffen koͤnte. Jndeſſen laſſe ich den andern ihre gedancken/ nur daß gleichwol auch des irr- diſchen/ deſſen wir von GOtt beduͤrffen/ nicht allezeit vergeſſen/ und GOtt/ die ihm daraus gehoͤrige ehre nicht entzogen werde. Was auch den ſchluß des Vater unſers anlanget/ ſo bey Luca nicht zu finden/ ſo iſt zu mercken/ daß Chriſtus das Vater unſer zu zweyen malen vorgeſprochen/ in der berg- predigt Matth. 6. und nachmal allein ſeinen juͤngern Luc. 11. da er das letzte mal den vorigen ſchluß nicht wiederholet: indem er nicht ein eigenlich ſtuͤck des gebets/ als gebets iſt/ ſondern ein lob-ſpruch zu ſtaͤrckung des glau- bens/ der deßwegen nach dem Luca zu weilen ohne ſuͤnde ausgelaſſen wer- den koͤnte/ aber billich ordenlich nach dem Mattheo darzu geſetzt werden ſolte/ mit ſolchem lob- und danck-ſpruch GOtt die urſache der erhoͤrung vor- zuſtellen/ unſer vertrauen mit demſelben zu ſtaͤrcken/ und ihm gleich voran fuͤr ſeine guͤte zu dancken. 3. Das exempel Anania und Sapphira Apoſt. Geſch. 5. belangend/ finde ich nicht/ daß uns die gewißheit dero ſeligkeit oder verdamnuͤß noͤthig ſeye. Dieſe letztere iſt zwahr vielmehr zu ſorgen/ indem die wort/ welche Petrus von dem/ daß ſatanas ſein/ des Ananiaͤ/ hertz erfuͤllet habe/ gebrauchet/ die eigenliche bosheit in deſſen hertzen ziemlich ſcheinen an- zudeuten. Jndeſſen wo N. N. nicht eigenlich darauff beharren wollen/ mag ihn vielleicht dazu bewogen haben/ daß er Ananiam angeſehen/ als einen ſonſten warhafftig glaubig geweſten; (wie dann zu ſolcher zeit/ da das Chri- ſtenthum ſo bald lauter verfolgung und gefahr vor ſich hatte/ nicht leicht leute aus bloſſer heucheley dazu getreten ſeyn moͤgen) da nun der wahre glaube ſonſten bey ihm geweſen/ moͤchten einige dieſen betrug/ da er ſich auff das kuͤnfftige einen noth-pfennig zuruͤck behalten wollen/ uñ die ſchwehre der ſuͤnden nicht ſo erkannte/ noch etlicher maſſen fuͤr eine ſchwachheit/ und daß dieſer tod zu dem verderben des fleiſches (daß aber der geiſt am tag des HErrn JEſu noch ſelig wuͤrde/ nach der redens-art Pauli 1. Cor. 5/ 5.) gemeint geweſen/ halten. Aber wie gedacht/ die verdammnuͤß der armen leute mag wol mehrerngrund in dem text haben. Der HERR laſſe auffs wenigſte das jenige gericht/ das an denen perſonen offentlich veruͤbet wor- den/ noch jetzund jederem zu einer heiligen furcht dienen. 1690. SECTIO XIX. Von der obern gewalt uͤber beſondere zuſammen- kunfften zur erbauung/ in dero umſtaͤnden. Ob zur andacht und erbauung anſtellende zuſammenkuͤnfften/ da ſich wegen zeit oder anderer umſtaͤnde/ einiger verdacht dazu ſchlaͤ-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/88>, abgerufen am 16.04.2024.