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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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SECTIO XVI.
denn um ehebruch willen. Daß also Christus austrücklich hiemit
weiset/ er wolle sein wort/ daß ein solcher die ehe breche/ oder zu ehe-
bruch ursach gebe/ nicht verstanden haben/ von demjenigen/ welcher um
ehebruch willen sein ehegemahl verstossen. Sondern daß hingegen folge/
welcher denn sein gemahl um hurerey willen von sich scheidet und lässet/
der breche die ehe nicht/ noch sey schuldig an dem ehebruch. Wie derjeni-
ge/ der da sagt: Es mag ein ehegemahl nicht wieder heyrathen/ sein
voriges ehegemahl sey dann todt/ eben damit sagt: Wann dann das vo-
rige ehegemahl todt ist/ so mag er wieder heyrathen. Also auch hie fol-
get richtig/ weil der ehebruch ausgenommen ist/ so gelte dann bey dem-
selben das gegentheil desjenigen/ was Christus/ ausser der hurerey von
andern ursachen gesagt/ daß um derselben willen die scheidung die schuld
des ehebruchs nach sich ziehe. Um so vielmehr/ weil Christus von kei-
ner art der scheidung/ etwa nur zu tische und bette reden könte/ von de-
ro damal niemand nichts wuste/ sondern seine worte nothwendig müssen
verstanden werden/ von einer solchen scheidung/ die damal bey den Ju-
den üblich/ daß dieselbe so bald das recht eine andere hingegen zu heyra-
then mit sich brächte. Was von einigen Päpstischen Scribenten eingewen-
der wird/ daß gleichwol Marcus und Lucas diesen beysatz/ es sey denn
um ehebruch willen/
nicht haben/ ist von keiner erheblichkeit/ dann
bekant/ daß der H. Geist aus sonderbarem weisen rath die feder der hei-
ligen Scribenten also geführet/ daß sie einerley nicht mit gantz einerley
worten vorgetragen/ und je einer aus dem andern zu erklären seye. Wel-
ches mit vielen exempeln sich erweisen lässet. So sind auch die wort
Marci und Lucä/ wie sie bey denselben stehen/ ob zwahr so deutlich nicht/
daß unsre intention daraus erwiesen werden könte/ aber sie sind auch
derselben nicht entgegen. Denn sie sind nach unserer ersten anmerckung
zu verstehen/ daß sie als eine antwort sich schicken auf der versucher
Christi frage. Da war aber derselben frage nicht so wol darüber/ ob
einige ursach/ nemlich der ehebruch/ genug seye zur ehe-scheidung/ als
welches bey allen zeiten damal bekandt war/ sondern ob auch um sonst
einiger andern ursach willen/ solche scheidung geschehen könte/ welches
die meinung der berühmten schul Hillelis damal war/ und folgends von
Rabbi Akiba weiter behauptet und auf die nachkömlinge gebracht ist. Jn
solcher absicht antwortet Christus/ daß weil die scheidung um des ehe-
bruchs willen bey allen ohndisputirlich erkant würde/ was die übrige sa-
chen anlangte/ darvon zwischen den Juden und den beyden secten Sam-
maeana
und Hilleliana streit war/ seye es göttlicher wahrheit gemäß/

wer
G g g g 2

SECTIO XVI.
denn um ehebruch willen. Daß alſo Chriſtus austruͤcklich hiemit
weiſet/ er wolle ſein wort/ daß ein ſolcher die ehe breche/ oder zu ehe-
bruch urſach gebe/ nicht verſtanden haben/ von demjenigen/ welcher um
ehebruch willen ſein ehegemahl verſtoſſen. Sondern daß hingegen folge/
welcher denn ſein gemahl um hurerey willen von ſich ſcheidet und laͤſſet/
der breche die ehe nicht/ noch ſey ſchuldig an dem ehebruch. Wie derjeni-
ge/ der da ſagt: Es mag ein ehegemahl nicht wieder heyrathen/ ſein
voriges ehegemahl ſey dann todt/ eben damit ſagt: Wann dann das vo-
rige ehegemahl todt iſt/ ſo mag er wieder heyrathen. Alſo auch hie fol-
get richtig/ weil der ehebruch ausgenommen iſt/ ſo gelte dann bey dem-
ſelben das gegentheil desjenigen/ was Chriſtus/ auſſer der hurerey von
andern urſachen geſagt/ daß um derſelben willen die ſcheidung die ſchuld
des ehebruchs nach ſich ziehe. Um ſo vielmehr/ weil Chriſtus von kei-
ner art der ſcheidung/ etwa nur zu tiſche und bette reden koͤnte/ von de-
ro damal niemand nichts wuſte/ ſondern ſeine worte nothwendig muͤſſen
verſtanden werden/ von einer ſolchen ſcheidung/ die damal bey den Ju-
den uͤblich/ daß dieſelbe ſo bald das recht eine andere hingegen zu heyra-
then mit ſich braͤchte. Was von einigen Paͤpſtiſchen Scribenten eingewen-
der wird/ daß gleichwol Marcus und Lucas dieſen beyſatz/ es ſey denn
um ehebruch willen/
nicht haben/ iſt von keiner erheblichkeit/ dann
bekant/ daß der H. Geiſt aus ſonderbarem weiſen rath die feder der hei-
ligen Scribenten alſo gefuͤhret/ daß ſie einerley nicht mit gantz einerley
worten vorgetragen/ und je einer aus dem andern zu erklaͤren ſeye. Wel-
ches mit vielen exempeln ſich erweiſen laͤſſet. So ſind auch die wort
Marci und Lucaͤ/ wie ſie bey denſelben ſtehen/ ob zwahr ſo deutlich nicht/
daß unſre intention daraus erwieſen werden koͤnte/ aber ſie ſind auch
derſelben nicht entgegen. Denn ſie ſind nach unſerer erſten anmerckung
zu verſtehen/ daß ſie als eine antwort ſich ſchicken auf der verſucher
Chriſti frage. Da war aber derſelben frage nicht ſo wol daruͤber/ ob
einige urſach/ nemlich der ehebruch/ genug ſeye zur ehe-ſcheidung/ als
welches bey allen zeiten damal bekandt war/ ſondern ob auch um ſonſt
einiger andern urſach willen/ ſolche ſcheidung geſchehen koͤnte/ welches
die meinung der beruͤhmten ſchul Hillelis damal war/ und folgends von
Rabbi Akiba weiter behauptet und auf die nachkoͤmlinge gebracht iſt. Jn
ſolcher abſicht antwortet Chriſtus/ daß weil die ſcheidung um des ehe-
bruchs willen bey allen ohndiſputirlich erkant wuͤrde/ was die uͤbrige ſa-
chen anlangte/ darvon zwiſchen den Juden und den beyden ſecten Sam-
mæana
und Hilleliana ſtreit war/ ſeye es goͤttlicher wahrheit gemaͤß/

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[603/0611] SECTIO XVI. denn um ehebruch willen. Daß alſo Chriſtus austruͤcklich hiemit weiſet/ er wolle ſein wort/ daß ein ſolcher die ehe breche/ oder zu ehe- bruch urſach gebe/ nicht verſtanden haben/ von demjenigen/ welcher um ehebruch willen ſein ehegemahl verſtoſſen. Sondern daß hingegen folge/ welcher denn ſein gemahl um hurerey willen von ſich ſcheidet und laͤſſet/ der breche die ehe nicht/ noch ſey ſchuldig an dem ehebruch. Wie derjeni- ge/ der da ſagt: Es mag ein ehegemahl nicht wieder heyrathen/ ſein voriges ehegemahl ſey dann todt/ eben damit ſagt: Wann dann das vo- rige ehegemahl todt iſt/ ſo mag er wieder heyrathen. Alſo auch hie fol- get richtig/ weil der ehebruch ausgenommen iſt/ ſo gelte dann bey dem- ſelben das gegentheil desjenigen/ was Chriſtus/ auſſer der hurerey von andern urſachen geſagt/ daß um derſelben willen die ſcheidung die ſchuld des ehebruchs nach ſich ziehe. Um ſo vielmehr/ weil Chriſtus von kei- ner art der ſcheidung/ etwa nur zu tiſche und bette reden koͤnte/ von de- ro damal niemand nichts wuſte/ ſondern ſeine worte nothwendig muͤſſen verſtanden werden/ von einer ſolchen ſcheidung/ die damal bey den Ju- den uͤblich/ daß dieſelbe ſo bald das recht eine andere hingegen zu heyra- then mit ſich braͤchte. Was von einigen Paͤpſtiſchen Scribenten eingewen- der wird/ daß gleichwol Marcus und Lucas dieſen beyſatz/ es ſey denn um ehebruch willen/ nicht haben/ iſt von keiner erheblichkeit/ dann bekant/ daß der H. Geiſt aus ſonderbarem weiſen rath die feder der hei- ligen Scribenten alſo gefuͤhret/ daß ſie einerley nicht mit gantz einerley worten vorgetragen/ und je einer aus dem andern zu erklaͤren ſeye. Wel- ches mit vielen exempeln ſich erweiſen laͤſſet. So ſind auch die wort Marci und Lucaͤ/ wie ſie bey denſelben ſtehen/ ob zwahr ſo deutlich nicht/ daß unſre intention daraus erwieſen werden koͤnte/ aber ſie ſind auch derſelben nicht entgegen. Denn ſie ſind nach unſerer erſten anmerckung zu verſtehen/ daß ſie als eine antwort ſich ſchicken auf der verſucher Chriſti frage. Da war aber derſelben frage nicht ſo wol daruͤber/ ob einige urſach/ nemlich der ehebruch/ genug ſeye zur ehe-ſcheidung/ als welches bey allen zeiten damal bekandt war/ ſondern ob auch um ſonſt einiger andern urſach willen/ ſolche ſcheidung geſchehen koͤnte/ welches die meinung der beruͤhmten ſchul Hillelis damal war/ und folgends von Rabbi Akiba weiter behauptet und auf die nachkoͤmlinge gebracht iſt. Jn ſolcher abſicht antwortet Chriſtus/ daß weil die ſcheidung um des ehe- bruchs willen bey allen ohndiſputirlich erkant wuͤrde/ was die uͤbrige ſa- chen anlangte/ darvon zwiſchen den Juden und den beyden ſecten Sam- mæana und Hilleliana ſtreit war/ ſeye es goͤttlicher wahrheit gemaͤß/ wer G g g g 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/611>, abgerufen am 24.04.2024.