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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO XXVIII.
halten/ die sachen stehen alle gantz wol/ wo man nur in der äusserlichen bekäntnüß
die warheit von anderer secten irrthumen unverfälschet behalte. Da doch zwar
solches billig mit fleiß gesuchet/ aber dabey nicht still gestanden werden solle; als da
wir schuldig sind/ dem HERRN auch die früchten der warheit zu bringen/ soll
uns anders deroselben bekäntnüß nicht so viel schwehrere verantwortung auff den
hals laden. Ja es ist alsdenn auch nicht mehr die wahre erkäntnüß/ als welche
allein von dem heiligen Geist durch das wort in den hertzen der jenigen gewürcket
wird/ die da den willen des himmlischen Vaters welchen sie hören/ auch in seiner
krafft zu vollbringen gewillet sind Joh. 7/ 17. Es haben über solche pia desi-
deria
viele vornehme Theologen und das reich GOttes suchende politici glei-
cher massen ihren consensum mir bezeuget/ und mich damit so viel mehr bekräf-
tiget. Wolte GOTT/ es fänden sich auch viel der jenigen/ welche mit fleiß an
das werck hände anzulegen/ und ein und ander gutes würcklich einzuführen/ sich
befleissen wolten. Jndem ohne solche bewerckstelligung alle berathschlagung ver-
gebens ist/ und nur zum zeugnüß über uns dienet. Von Herr Betkii Scri-
ptis
habe ich unterschiedliche/ und wie ich vermuthe allesamt/ ohne den Christia-
nismum ethnicum
/ da ich einmahl darnach gefragt zuhaben mich entsinne/
und verlangen darnach gehat/ weil in andern des lieben mannes scriptis unter-
schiedlich viel gutes gelesen/ ob wol nicht berge/ daß auch zu weilen ein und an-
deres darinnen anders zu seyn gewünschet hätte. Jedoch meine ich/ seyen wir
Christen allezeit die jenige liebe denen/ die etwas schreiben/ schuldig/ daß wir das
gute in dero Schrifften mit danck annehmen/ und in seinem billigen werth halten/
ob wir wol anders auch darinnen finden/ damit wir uns nicht eben conformiren
können. 1676. 25. Sept.

SECTIO XXVIII.

Wegen der piorum desideriorum, und was vor
succeß zu hoffen.

WAs meine und anderer gottseliger Theologorum pia desideria betrifft/
habe auch seiter nichts sonderliches dagegen gehöret/ ohne das man hin
und wieder da gegen mehr in den finstern murret/ als öffentlich wider-
spricht. Was aber die schwehrigkeit oder unmüglichkeit/ die meistens vorgeschü-
tzet/ und der wichtigste vorwurff geachtet wird/ anlanget/ so bekenne ich gern/ das
was durch publicam autoritatem mit zusammensetzender hülffe der Obrigkeit
und gantzer Ministeriorum, geschehen solle/ von mir nicht gehoffet werde/ aber
deßwegen auch auff dergleichen nicht zu warten ist: oder wir werden uns zu todt
drüber warten. Dann der jenigen/ die des HErrn werck mit treuen meinen/ und

auch
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ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO XXVIII.
halten/ die ſachen ſtehen alle gantz wol/ wo man nur in der aͤuſſerlichen bekaͤntnuͤß
die warheit von anderer ſecten irrthumen unverfaͤlſchet behalte. Da doch zwar
ſolches billig mit fleiß geſuchet/ aber dabey nicht ſtill geſtanden werden ſolle; als da
wir ſchuldig ſind/ dem HERRN auch die fruͤchten der warheit zu bringen/ ſoll
uns anders deroſelben bekaͤntnuͤß nicht ſo viel ſchwehrere verantwortung auff den
hals laden. Ja es iſt alsdenn auch nicht mehr die wahre erkaͤntnuͤß/ als welche
allein von dem heiligen Geiſt durch das wort in den hertzen der jenigen gewuͤrcket
wird/ die da den willen des himmliſchen Vaters welchen ſie hoͤren/ auch in ſeiner
krafft zu vollbringen gewillet ſind Joh. 7/ 17. Es haben uͤber ſolche pia deſi-
deria
viele vornehme Theologen und das reich GOttes ſuchende politici glei-
cher maſſen ihren conſenſum mir bezeuget/ und mich damit ſo viel mehr bekraͤf-
tiget. Wolte GOTT/ es faͤnden ſich auch viel der jenigen/ welche mit fleiß an
das werck haͤnde anzulegen/ und ein und ander gutes wuͤrcklich einzufuͤhren/ ſich
befleiſſen wolten. Jndem ohne ſolche bewerckſtelligung alle berathſchlagung ver-
gebens iſt/ und nur zum zeugnuͤß uͤber uns dienet. Von Herr Betkii Scri-
ptis
habe ich unterſchiedliche/ und wie ich vermuthe alleſamt/ ohne den Chriſtia-
niſmum ethnicum
/ da ich einmahl darnach gefragt zuhaben mich entſinne/
und verlangen darnach gehat/ weil in andern des lieben mannes ſcriptis unter-
ſchiedlich viel gutes geleſen/ ob wol nicht berge/ daß auch zu weilen ein und an-
deres darinnen anders zu ſeyn gewuͤnſchet haͤtte. Jedoch meine ich/ ſeyen wir
Chriſten allezeit die jenige liebe denen/ die etwas ſchreiben/ ſchuldig/ daß wir das
gute in dero Schrifften mit danck annehmen/ und in ſeinem billigen werth halten/
ob wir wol anders auch darinnen finden/ damit wir uns nicht eben conformiren
koͤnnen. 1676. 25. Sept.

SECTIO XXVIII.

Wegen der piorum deſideriorum, und was vor
ſucceß zu hoffen.

WAs meine und anderer gottſeliger Theologorum pia deſideria betrifft/
habe auch ſeiter nichts ſonderliches dagegen gehoͤret/ ohne das man hin
und wieder da gegen mehr in den finſtern murret/ als oͤffentlich wider-
ſpricht. Was aber die ſchwehrigkeit oder unmuͤglichkeit/ die meiſtens vorgeſchuͤ-
tzet/ und der wichtigſte vorwurff geachtet wird/ anlanget/ ſo bekenne ich gern/ das
was durch publicam autoritatem mit zuſammenſetzender huͤlffe der Obrigkeit
und gantzer Miniſteriorum, geſchehen ſolle/ von mir nicht gehoffet werde/ aber
deßwegen auch auff dergleichen nicht zu warten iſt: oder wir werden uns zu todt
druͤber warten. Dann der jenigen/ die des HErrn werck mit treuen meinen/ und

auch
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[129/0147] ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO XXVIII. halten/ die ſachen ſtehen alle gantz wol/ wo man nur in der aͤuſſerlichen bekaͤntnuͤß die warheit von anderer ſecten irrthumen unverfaͤlſchet behalte. Da doch zwar ſolches billig mit fleiß geſuchet/ aber dabey nicht ſtill geſtanden werden ſolle; als da wir ſchuldig ſind/ dem HERRN auch die fruͤchten der warheit zu bringen/ ſoll uns anders deroſelben bekaͤntnuͤß nicht ſo viel ſchwehrere verantwortung auff den hals laden. Ja es iſt alsdenn auch nicht mehr die wahre erkaͤntnuͤß/ als welche allein von dem heiligen Geiſt durch das wort in den hertzen der jenigen gewuͤrcket wird/ die da den willen des himmliſchen Vaters welchen ſie hoͤren/ auch in ſeiner krafft zu vollbringen gewillet ſind Joh. 7/ 17. Es haben uͤber ſolche pia deſi- deria viele vornehme Theologen und das reich GOttes ſuchende politici glei- cher maſſen ihren conſenſum mir bezeuget/ und mich damit ſo viel mehr bekraͤf- tiget. Wolte GOTT/ es faͤnden ſich auch viel der jenigen/ welche mit fleiß an das werck haͤnde anzulegen/ und ein und ander gutes wuͤrcklich einzufuͤhren/ ſich befleiſſen wolten. Jndem ohne ſolche bewerckſtelligung alle berathſchlagung ver- gebens iſt/ und nur zum zeugnuͤß uͤber uns dienet. Von Herr Betkii Scri- ptis habe ich unterſchiedliche/ und wie ich vermuthe alleſamt/ ohne den Chriſtia- niſmum ethnicum/ da ich einmahl darnach gefragt zuhaben mich entſinne/ und verlangen darnach gehat/ weil in andern des lieben mannes ſcriptis unter- ſchiedlich viel gutes geleſen/ ob wol nicht berge/ daß auch zu weilen ein und an- deres darinnen anders zu ſeyn gewuͤnſchet haͤtte. Jedoch meine ich/ ſeyen wir Chriſten allezeit die jenige liebe denen/ die etwas ſchreiben/ ſchuldig/ daß wir das gute in dero Schrifften mit danck annehmen/ und in ſeinem billigen werth halten/ ob wir wol anders auch darinnen finden/ damit wir uns nicht eben conformiren koͤnnen. 1676. 25. Sept. SECTIO XXVIII. Wegen der piorum deſideriorum, und was vor ſucceß zu hoffen. WAs meine und anderer gottſeliger Theologorum pia deſideria betrifft/ habe auch ſeiter nichts ſonderliches dagegen gehoͤret/ ohne das man hin und wieder da gegen mehr in den finſtern murret/ als oͤffentlich wider- ſpricht. Was aber die ſchwehrigkeit oder unmuͤglichkeit/ die meiſtens vorgeſchuͤ- tzet/ und der wichtigſte vorwurff geachtet wird/ anlanget/ ſo bekenne ich gern/ das was durch publicam autoritatem mit zuſammenſetzender huͤlffe der Obrigkeit und gantzer Miniſteriorum, geſchehen ſolle/ von mir nicht gehoffet werde/ aber deßwegen auch auff dergleichen nicht zu warten iſt: oder wir werden uns zu todt druͤber warten. Dann der jenigen/ die des HErrn werck mit treuen meinen/ und auch R

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/147>, abgerufen am 28.03.2024.