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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
zu werden/ also auch an andern erbauet zu werden und selbst zu wachsen/ von ih-
rem himmlischen vater/ stäts einige auch etwa vorher nicht vermuthete gelegen-
heit erlangen. Endlich wünsche noch insgesamt/ daß die Sonne der ewigkeit
unser heyland JEsus nicht weniger alle morgen ihre seele mit neuem licht bestrah-
le und mit neuer krafft erwärme/ als die natürliche Sonne diesem erden-kreiß zu
dessen licht und lebendig machender wärme täglich auffgehet/ damit sie ej länger ie
mehr wachse und zunehme in dem guten/ dieses aber nach und nach vollends was
dem HErrn und ihr selbs noch mißfälliges an ihr anklebet/ in Göttlicher krafft
tilge: Nun der Gott des fridens heilige euch (und mit euch alle die eurige/ so euch
auch nach dem fleisch angehören) durch und durch/ und euer geist gantz samt der
seele und leib müsse behalten werden unsträfflich auff die zukunfft unsers HErrn
JEsu Christi. Getreu ist er/ der euch ruffet/ welcher wirds auch thun. Jhme
seye preiß von uns und allen creaturen in Ewigkeit. Amen. den 8. Sept. 1686.

SECTIO X.

Ob ich unserer kirchen grund-irrthümer oder an-
dere irrthümer beymesse.

WEr/ was ich von unserer kirchen halte/ wissen wil/ findet solche in Catech.
q. 748. 749. Tab. Catech. p. 35.
klagen des Christenthum p. 44. 47.
48.
sonderlich Franckfurt. Denckmahl p. 261. diese ort liegen allen
vor augen und zeigen meine lehre. daß ich aber in der buß-predigt p. 17. sage
daß unsere kirche gegen andere allein keine scheinbare grund-irr-
thümer hat/
würde Lateinisch heissen: sola reliquis collata non habet erro-
res fundamentales,
nicht aber habet errores solum non fundamentales. Daß
ich aber der grund-irrthümer gedencke/ ist diese ursache/ daß ich von keiner
kirche in der welt getraue zu versichern/ daß sie [g]ar keine irrthümer habe/ als wel-
ches scheinet supra conditionem humanam zu seyn. Die kirche zu Jerusalem un-
erachtet der erleuchtung des Heil. Geistes hatte noch erstlich den irrthum/ daß die
Heyden nicht anders/ als durch die thür des Jüdenthums/ in das reich Christi
eingehen könten/ biß Ap. Gesch. 10. Gott Petro ein anders wiese. Nach derselben
zeit werden wir niemahl zeigen/ daß die kirche ie ohne einige irrthümer gewesen/
wie wir viele dinge auch in den ersten Patribus verwerffen/ sonderlich was expli-
cationem scripturae
anbelangt. Wie solten wir zu unserer zeit der kirchen die hohe
vollkommenheit denn zuschreiben/ daß nun bey derselben nicht der geringste irr-
thum circa explicationem scripturae, circa vaticinia u. andere dergleichen übrig
seye? genug ists ad veritatem Ecclesiae, daß in der lehr kein irrthum seye/ so

einiger-

Das ſechſte Capitel.
zu werden/ alſo auch an andern erbauet zu werden und ſelbſt zu wachſen/ von ih-
rem himmliſchen vater/ ſtaͤts einige auch etwa vorher nicht vermuthete gelegen-
heit erlangen. Endlich wuͤnſche noch insgeſamt/ daß die Sonne der ewigkeit
unſer heyland JEſus nicht weniger alle morgen ihre ſeele mit neuem licht beſtrah-
le und mit neuer krafft erwaͤrme/ als die natuͤrliche Sonne dieſem erden-kreiß zu
deſſen licht und lebendig machender waͤrme taͤglich auffgehet/ damit ſie ej laͤnger ie
mehr wachſe und zunehme in dem guten/ dieſes aber nach und nach vollends was
dem HErrn und ihr ſelbs noch mißfaͤlliges an ihr anklebet/ in Goͤttlicher krafft
tilge: Nun der Gott des fridens heilige euch (und mit euch alle die eurige/ ſo euch
auch nach dem fleiſch angehoͤren) durch und durch/ und euer geiſt gantz ſamt der
ſeele und leib muͤſſe behalten werden unſtraͤfflich auff die zukunfft unſers HErrn
JEſu Chriſti. Getreu iſt er/ der euch ruffet/ welcher wirds auch thun. Jhme
ſeye preiß von uns und allen creaturen in Ewigkeit. Amen. den 8. Sept. 1686.

SECTIO X.

Ob ich unſerer kirchen grund-irrthuͤmer oder an-
dere irrthuͤmer beymeſſe.

WEr/ was ich von unſerer kirchen halte/ wiſſen wil/ findet ſolche in Catech.
q. 748. 749. Tab. Catech. p. 35.
klagen des Chriſtenthum p. 44. 47.
48.
ſonderlich Franckfurt. Denckmahl p. 261. dieſe ort liegen allen
vor augen und zeigen meine lehre. daß ich aber in der buß-predigt p. 17. ſage
daß unſere kirche gegen andere allein keine ſcheinbare grund-irr-
thuͤmer hat/
wuͤrde Lateiniſch heiſſen: ſola reliquis collata non habet erro-
res fundamentales,
nicht aber habet errores ſolum non fundamentales. Daß
ich aber der grund-irrthuͤmer gedencke/ iſt dieſe urſache/ daß ich von keiner
kirche in der welt getraue zu verſichern/ daß ſie [g]ar keine irrthuͤmer habe/ als wel-
ches ſcheinet ſupra conditionem humanam zu ſeyn. Die kirche zu Jeruſalem un-
erachtet der erleuchtung des Heil. Geiſtes hatte noch erſtlich den irrthum/ daß die
Heyden nicht anders/ als durch die thuͤr des Juͤdenthums/ in das reich Chriſti
eingehen koͤnten/ biß Ap. Geſch. 10. Gott Petro ein anders wieſe. Nach derſelben
zeit werden wir niemahl zeigen/ daß die kirche ie ohne einige irrthuͤmer geweſen/
wie wir viele dinge auch in den erſten Patribus verwerffen/ ſonderlich was expli-
cationem ſcripturæ
anbelangt. Wie ſolten wir zu unſerer zeit der kirchen die hohe
vollkommenheit denn zuſchreiben/ daß nun bey derſelben nicht der geringſte irr-
thum circa explicationem ſcripturæ, circa vaticinia u. andere dergleichen uͤbrig
ſeye? genug iſts ad veritatem Eccleſiæ, daß in der lehr kein irrthum ſeye/ ſo

einiger-
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[706/0724] Das ſechſte Capitel. zu werden/ alſo auch an andern erbauet zu werden und ſelbſt zu wachſen/ von ih- rem himmliſchen vater/ ſtaͤts einige auch etwa vorher nicht vermuthete gelegen- heit erlangen. Endlich wuͤnſche noch insgeſamt/ daß die Sonne der ewigkeit unſer heyland JEſus nicht weniger alle morgen ihre ſeele mit neuem licht beſtrah- le und mit neuer krafft erwaͤrme/ als die natuͤrliche Sonne dieſem erden-kreiß zu deſſen licht und lebendig machender waͤrme taͤglich auffgehet/ damit ſie ej laͤnger ie mehr wachſe und zunehme in dem guten/ dieſes aber nach und nach vollends was dem HErrn und ihr ſelbs noch mißfaͤlliges an ihr anklebet/ in Goͤttlicher krafft tilge: Nun der Gott des fridens heilige euch (und mit euch alle die eurige/ ſo euch auch nach dem fleiſch angehoͤren) durch und durch/ und euer geiſt gantz ſamt der ſeele und leib muͤſſe behalten werden unſtraͤfflich auff die zukunfft unſers HErrn JEſu Chriſti. Getreu iſt er/ der euch ruffet/ welcher wirds auch thun. Jhme ſeye preiß von uns und allen creaturen in Ewigkeit. Amen. den 8. Sept. 1686. SECTIO X. Ob ich unſerer kirchen grund-irrthuͤmer oder an- dere irrthuͤmer beymeſſe. WEr/ was ich von unſerer kirchen halte/ wiſſen wil/ findet ſolche in Catech. q. 748. 749. Tab. Catech. p. 35. klagen des Chriſtenthum p. 44. 47. 48. ſonderlich Franckfurt. Denckmahl p. 261. dieſe ort liegen allen vor augen und zeigen meine lehre. daß ich aber in der buß-predigt p. 17. ſage daß unſere kirche gegen andere allein keine ſcheinbare grund-irr- thuͤmer hat/ wuͤrde Lateiniſch heiſſen: ſola reliquis collata non habet erro- res fundamentales, nicht aber habet errores ſolum non fundamentales. Daß ich aber der grund-irrthuͤmer gedencke/ iſt dieſe urſache/ daß ich von keiner kirche in der welt getraue zu verſichern/ daß ſie gar keine irrthuͤmer habe/ als wel- ches ſcheinet ſupra conditionem humanam zu ſeyn. Die kirche zu Jeruſalem un- erachtet der erleuchtung des Heil. Geiſtes hatte noch erſtlich den irrthum/ daß die Heyden nicht anders/ als durch die thuͤr des Juͤdenthums/ in das reich Chriſti eingehen koͤnten/ biß Ap. Geſch. 10. Gott Petro ein anders wieſe. Nach derſelben zeit werden wir niemahl zeigen/ daß die kirche ie ohne einige irrthuͤmer geweſen/ wie wir viele dinge auch in den erſten Patribus verwerffen/ ſonderlich was expli- cationem ſcripturæ anbelangt. Wie ſolten wir zu unſerer zeit der kirchen die hohe vollkommenheit denn zuſchreiben/ daß nun bey derſelben nicht der geringſte irr- thum circa explicationem ſcripturæ, circa vaticinia u. andere dergleichen uͤbrig ſeye? genug iſts ad veritatem Eccleſiæ, daß in der lehr kein irrthum ſeye/ ſo einiger-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 706. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/724>, abgerufen am 20.04.2024.