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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
So wird das Gesetz am nachdrücklichsten getrieben/ nicht so wol directe mit hefftigem straffen und
schelten/ als wo man den trost des Evangelii nachtrücklich gezeiget hat/ darauf aber weiset/ wie
sich desselben alle die jenige/ so der sünde die herrschafft bey sich lassen/ durchaus nichts anzunehmen
haben/ sondern sich aller gnade verlustigt machen: wo dieses geschiehet/ wird die seele also kräfftig
gerühret durch eine unwidersprechliche überzeugung/ daß hingegen die affecten nicht zu einer bit-
terkeit oder zorn gereitzet werden/ in welcher des gemüthes bewantniß nichts ausgerichtet zu wer-
den pfleget. Es wird aber der HErr auch hierinnen weißheit verleihen. 22. Jan. 1690.

SECTIO XXX.

Antwort auf ein empfangenes trostschreiben an mich.

JCh habe einige meine freude gegen diejenige/ welche mich selbst zur freude so hertzlich aufmun-
tert zu bezeugen. Wie ich mich dann in der wahrheit erfreuet habe über den christlichen und
aus treuer seele her geflossenen trost/ auch deswegen dem GOtt alles trostes/ welcher mir durch
ihre wehrte feder solchen zusprechen wollen/ so dann ihro als dessen werckzeuge/ schuldigen danck
sage. Es ist freylich an dem/ wo uns der HErr um seines nahmens und wahrheit willen einiges
leiden wiederfahren lässet/ daß der darzu vom himmlischen Vater uns in seinem wort ertheilende
trost so überschwencklich ist/ daß er das leiden weit übertri[fft]/ und eben daher auch kommet/ daß
wir um deswillen der uns geliebet hat/ alles weit/ weit überwinden: daher es billich ist/ daß wir
uns vielmehr/ wo uns der liebste vater solcher hoffarbe seines lieben Sohnes würdiget/ darüber
erfreuen/ als betrübt seyen. Wo man aber von mir reden will/ so hat es bey mir noch wenig platz/
weil das jenige/ was mich der HErr bißher erfahren lassen/ noch gar gering gewesen/ in dem es
allezeit allein in verachtung/ übler nachrede/ lästerung/ haß/ drohen und unwillen bestanden ist/
welches aber lauter kinderproben und die unterste gnade der leiden sind/ hingegen hat es GOTT
bißher noch niemal an thätliches und würckliches leiden/ welches vor mir andere treue diener
Gottes haben erfahren müssen/ gelangen lassen: vielleicht daß er mich biß daher zu dergleichen zu
schwach befunden/ und daher noch mit den schwehrern proben verschonet hat. Solte es aber/ wie
es aus einigem das ansehen gewinnet/ auch noch an diese kommen/ so trage ich das kindliche ver-
trauen zu dem getreuesten vater/ daß er mir auch die krafft und vermögen aus der höhe alsdenn
in dem jenigen maaß ertheilen werde/ welche gemäß seye dem maaß des mir alsdenn bestimmten
leidens. Und vielleicht wil er mich durch den jenigen trost/ welchen mir ietzund christliche hertzen
zusprechen/ und dessen sonsten mein ietziges leiden nicht eben wehrt ist/ zu den ienigen härtern an-
stössen/ welche mir vorstehen mögen/ bereiten: Daher ich auch solches vor eine wohlthat zu erken-
nen habe: Jch schreibe auch hierinnen seiner weisen regierung nichts vor/ entweder um schwehrere
leiden zu bitten/ damit ich ihn versuchen möchte/ noch dieselbe zu sörchten und davor zu fliehen/ son-
dern überlasse billich alles seiner gütigsten verfügung/ so alles dermassen schicken wird/ wie es mir
und andern selig seyn mag. Weil aber um der gottseligkeit willen nicht allein die jenige/ welche die-
selbe lehren müssen/ sondern die auch sich derselben befleissen/ ihre leiden zu erwarten haben/ und sich
darauf gefast machen müssen/ so lasset uns allerseits so viel ernstlicher unter und vor einander vor
dem HErrn zu seuftzen fortfahren/ der an uns allen seinen gnädigen willen vollbringen/ immer dessen
lebendige erkäntuiß in unsre seelen geben/ und uns iedesmal mit dem zu solchen proben nöthigen
maaß des glaubens und trostes von oben herab ausrüsten wolle: als versichert/ er könne sich nicht
verläugnen/ sondern werde unfehlbar seine verheissung an uns erfüllen. Wie ich nun weiß/ und auch
solches vor eine theure wohlthat des liebsten Vaters achte/ daß derselbe viele seelen seiner kinder
zu mir geneiget/ daß sie in reiner liebe vor mich hertzlich beten unter denen E. Gn. zu seyn erkenne/
also versichere/ daß auch meines orts mit gleicher liebe denselben zubegegnen/ und vor sie vor dem
gnadenthron zuerscheinen unvergessen bin/ daß aber solches mit so viel mehr krafft geschehe/ ihn
umb seinen H. Geist der gnaden und des gebets anruffe Nun der HErr/ der ie mehr und mehr seine
gnade kräfftig auf seine kinder auszugiessen beginnet/ und vieles hin und wieder rege macht/ hinge-
gen eben dadurch hoffnung giebet/ er wolle sich seines verstöhrten Zions wiederum nachtrücklicher
annehmen/ wird ie mehr und mehr alle derselben hertzen in einigkeit des Geistes und mit heiliger

lie-

Das ſechſte Capitel.
So wird das Geſetz am nachdruͤcklichſten getrieben/ nicht ſo wol directe mit hefftigem ſtraffen und
ſchelten/ als wo man den troſt des Evangelii nachtruͤcklich gezeiget hat/ darauf aber weiſet/ wie
ſich deſſelben alle die jenige/ ſo der ſuͤnde die herrſchafft bey ſich laſſen/ durchaus nichts anzunehmen
haben/ ſondern ſich aller gnade verluſtigt machen: wo dieſes geſchiehet/ wird die ſeele alſo kraͤfftig
geruͤhret durch eine unwiderſprechliche uͤberzeugung/ daß hingegen die affecten nicht zu einer bit-
terkeit oder zorn gereitzet werden/ in welcher des gemuͤthes bewantniß nichts ausgerichtet zu wer-
den pfleget. Es wird aber der HErr auch hierinnen weißheit verleihen. 22. Jan. 1690.

SECTIO XXX.

Antwort auf ein empfangenes troſtſchreiben an mich.

JCh habe einige meine freude gegen diejenige/ welche mich ſelbſt zur freude ſo hertzlich aufmun-
tert zu bezeugen. Wie ich mich dann in der wahrheit erfreuet habe uͤber den chriſtlichen und
aus treuer ſeele her gefloſſenen troſt/ auch deswegen dem GOtt alles troſtes/ welcher mir durch
ihre wehrte feder ſolchen zuſprechen wollen/ ſo dann ihro als deſſen werckzeuge/ ſchuldigen danck
ſage. Es iſt freylich an dem/ wo uns der HErr um ſeines nahmens und wahrheit willen einiges
leiden wiederfahren laͤſſet/ daß der darzu vom himmliſchen Vater uns in ſeinem wort ertheilende
troſt ſo uͤberſchwencklich iſt/ daß er das leiden weit uͤbertri[fft]/ und eben daher auch kommet/ daß
wir um deswillen der uns geliebet hat/ alles weit/ weit uͤberwinden: daher es billich iſt/ daß wir
uns vielmehr/ wo uns der liebſte vater ſolcher hoffarbe ſeines lieben Sohnes wuͤrdiget/ daruͤber
erfreuen/ als betruͤbt ſeyen. Wo man aber von mir reden will/ ſo hat es bey mir noch wenig platz/
weil das jenige/ was mich der HErr bißher erfahren laſſen/ noch gar gering geweſen/ in dem es
allezeit allein in verachtung/ uͤbler nachrede/ laͤſterung/ haß/ drohen und unwillen beſtanden iſt/
welches aber lauter kinderproben und die unterſte gnade der leiden ſind/ hingegen hat es GOTT
bißher noch niemal an thaͤtliches und wuͤrckliches leiden/ welches vor mir andere treue diener
Gottes haben erfahren muͤſſen/ gelangen laſſen: vielleicht daß er mich biß daher zu dergleichen zu
ſchwach befunden/ und daher noch mit den ſchwehrern proben verſchonet hat. Solte es aber/ wie
es aus einigem das anſehen gewinnet/ auch noch an dieſe kommen/ ſo trage ich das kindliche ver-
trauen zu dem getreueſten vater/ daß er mir auch die krafft und vermoͤgen aus der hoͤhe alsdenn
in dem jenigen maaß ertheilen werde/ welche gemaͤß ſeye dem maaß des mir alsdenn beſtimmten
leidens. Und vielleicht wil er mich durch den jenigen troſt/ welchen mir ietzund chriſtliche hertzen
zuſprechen/ und deſſen ſonſten mein ietziges leiden nicht eben wehrt iſt/ zu den ienigen haͤrtern an-
ſtoͤſſen/ welche mir vorſtehen moͤgen/ bereiten: Daher ich auch ſolches vor eine wohlthat zu erken-
nen habe: Jch ſchreibe auch hierinnen ſeiner weiſen regierung nichts vor/ entweder um ſchwehrere
leiden zu bitten/ damit ich ihn verſuchen moͤchte/ noch dieſelbe zu ſoͤrchten und davor zu fliehen/ ſon-
dern uͤberlaſſe billich alles ſeiner guͤtigſten verfuͤgung/ ſo alles dermaſſen ſchicken wird/ wie es mir
und andern ſelig ſeyn mag. Weil aber um der gottſeligkeit willen nicht allein die jenige/ welche die-
ſelbe lehren muͤſſen/ ſondern die auch ſich derſelben befleiſſen/ ihre leiden zu erwarten haben/ und ſich
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dem HErrn zu ſeuftzen fortfahren/ der an uns allen ſeinen gnaͤdigen willen vollbringen/ im̃er deſſen
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maaß des glaubens und troſtes von oben herab ausruͤſten wolle: als verſichert/ er koͤnne ſich nicht
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ſolches vor eine theure wohlthat des liebſten Vaters achte/ daß derſelbe viele ſeelen ſeiner kinder
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alſo verſichere/ daß auch meines orts mit gleicher liebe denſelben zubegegnen/ und vor ſie vor dem
gnadenthron zuerſcheinen unvergeſſen bin/ daß aber ſolches mit ſo viel mehr krafft geſchehe/ ihn
umb ſeinen H. Geiſt der gnaden und des gebets anruffe Nun der HErr/ der ie mehr und mehr ſeine
gnade kraͤfftig auf ſeine kinder auszugieſſen beginnet/ und vieles hin und wieder rege macht/ hinge-
gen eben dadurch hoffnung giebet/ er wolle ſich ſeines verſtoͤhrten Zions wiederum nachtruͤcklicher
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[776/0794] Das ſechſte Capitel. So wird das Geſetz am nachdruͤcklichſten getrieben/ nicht ſo wol directe mit hefftigem ſtraffen und ſchelten/ als wo man den troſt des Evangelii nachtruͤcklich gezeiget hat/ darauf aber weiſet/ wie ſich deſſelben alle die jenige/ ſo der ſuͤnde die herrſchafft bey ſich laſſen/ durchaus nichts anzunehmen haben/ ſondern ſich aller gnade verluſtigt machen: wo dieſes geſchiehet/ wird die ſeele alſo kraͤfftig geruͤhret durch eine unwiderſprechliche uͤberzeugung/ daß hingegen die affecten nicht zu einer bit- terkeit oder zorn gereitzet werden/ in welcher des gemuͤthes bewantniß nichts ausgerichtet zu wer- den pfleget. Es wird aber der HErr auch hierinnen weißheit verleihen. 22. Jan. 1690. SECTIO XXX. Antwort auf ein empfangenes troſtſchreiben an mich. JCh habe einige meine freude gegen diejenige/ welche mich ſelbſt zur freude ſo hertzlich aufmun- tert zu bezeugen. Wie ich mich dann in der wahrheit erfreuet habe uͤber den chriſtlichen und aus treuer ſeele her gefloſſenen troſt/ auch deswegen dem GOtt alles troſtes/ welcher mir durch ihre wehrte feder ſolchen zuſprechen wollen/ ſo dann ihro als deſſen werckzeuge/ ſchuldigen danck ſage. Es iſt freylich an dem/ wo uns der HErr um ſeines nahmens und wahrheit willen einiges leiden wiederfahren laͤſſet/ daß der darzu vom himmliſchen Vater uns in ſeinem wort ertheilende troſt ſo uͤberſchwencklich iſt/ daß er das leiden weit uͤbertrifft/ und eben daher auch kommet/ daß wir um deswillen der uns geliebet hat/ alles weit/ weit uͤberwinden: daher es billich iſt/ daß wir uns vielmehr/ wo uns der liebſte vater ſolcher hoffarbe ſeines lieben Sohnes wuͤrdiget/ daruͤber erfreuen/ als betruͤbt ſeyen. Wo man aber von mir reden will/ ſo hat es bey mir noch wenig platz/ weil das jenige/ was mich der HErr bißher erfahren laſſen/ noch gar gering geweſen/ in dem es allezeit allein in verachtung/ uͤbler nachrede/ laͤſterung/ haß/ drohen und unwillen beſtanden iſt/ welches aber lauter kinderproben und die unterſte gnade der leiden ſind/ hingegen hat es GOTT bißher noch niemal an thaͤtliches und wuͤrckliches leiden/ welches vor mir andere treue diener Gottes haben erfahren muͤſſen/ gelangen laſſen: vielleicht daß er mich biß daher zu dergleichen zu ſchwach befunden/ und daher noch mit den ſchwehrern proben verſchonet hat. Solte es aber/ wie es aus einigem das anſehen gewinnet/ auch noch an dieſe kommen/ ſo trage ich das kindliche ver- trauen zu dem getreueſten vater/ daß er mir auch die krafft und vermoͤgen aus der hoͤhe alsdenn in dem jenigen maaß ertheilen werde/ welche gemaͤß ſeye dem maaß des mir alsdenn beſtimmten leidens. Und vielleicht wil er mich durch den jenigen troſt/ welchen mir ietzund chriſtliche hertzen zuſprechen/ und deſſen ſonſten mein ietziges leiden nicht eben wehrt iſt/ zu den ienigen haͤrtern an- ſtoͤſſen/ welche mir vorſtehen moͤgen/ bereiten: Daher ich auch ſolches vor eine wohlthat zu erken- nen habe: Jch ſchreibe auch hierinnen ſeiner weiſen regierung nichts vor/ entweder um ſchwehrere leiden zu bitten/ damit ich ihn verſuchen moͤchte/ noch dieſelbe zu ſoͤrchten und davor zu fliehen/ ſon- dern uͤberlaſſe billich alles ſeiner guͤtigſten verfuͤgung/ ſo alles dermaſſen ſchicken wird/ wie es mir und andern ſelig ſeyn mag. Weil aber um der gottſeligkeit willen nicht allein die jenige/ welche die- ſelbe lehren muͤſſen/ ſondern die auch ſich derſelben befleiſſen/ ihre leiden zu erwarten haben/ und ſich darauf gefaſt machen muͤſſen/ ſo laſſet uns allerſeits ſo viel ernſtlicher unter und vor einander vor dem HErrn zu ſeuftzen fortfahren/ der an uns allen ſeinen gnaͤdigen willen vollbringen/ im̃er deſſen lebendige erkaͤntuiß in unſre ſeelen geben/ und uns iedesmal mit dem zu ſolchen proben noͤthigen maaß des glaubens und troſtes von oben herab ausruͤſten wolle: als verſichert/ er koͤnne ſich nicht verlaͤugnen/ ſondern werde unfehlbar ſeine verheiſſung an uns erfuͤllen. Wie ich nun weiß/ und auch ſolches vor eine theure wohlthat des liebſten Vaters achte/ daß derſelbe viele ſeelen ſeiner kinder zu mir geneiget/ daß ſie in reiner liebe vor mich hertzlich beten unter denen E. Gn. zu ſeyn erkenne/ alſo verſichere/ daß auch meines orts mit gleicher liebe denſelben zubegegnen/ und vor ſie vor dem gnadenthron zuerſcheinen unvergeſſen bin/ daß aber ſolches mit ſo viel mehr krafft geſchehe/ ihn umb ſeinen H. Geiſt der gnaden und des gebets anruffe Nun der HErr/ der ie mehr und mehr ſeine gnade kraͤfftig auf ſeine kinder auszugieſſen beginnet/ und vieles hin und wieder rege macht/ hinge- gen eben dadurch hoffnung giebet/ er wolle ſich ſeines verſtoͤhrten Zions wiederum nachtruͤcklicher annehmen/ wird ie mehr und mehr alle derſelben hertzen in einigkeit des Geiſtes und mit heiliger lie-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 776. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/794>, abgerufen am 25.04.2024.